Essen. . Hannelore Herz-Höhnke, Leiterin einer Grundschule in Essen-Altendorf, duldet keine vollverschleierte Muslima in ihrer Schule. Die muslimische Mutter darf das Gebäude vollverschleiert nicht betreten. Angeblich habe sie Kinder, Eltern und Lehrer verstört.
Es ist ein neuartiges Phänomen in Essen: die vollverschleierte muslimische Frau. Nach dem lebhaft diskutierten Fall an einer evangelischen Kindertagesstätte ist jetzt ein zweiter, weitaus drastischerer Fall bekannt geworden. Schauplatz ist diesmal die Bodelschwingh-Grundschule in Essen-Altendorf, eine bunte, multikulturelle Einrichtung, in der 96 von 100 Kindern einen Migrationshintergrund besitzen. Im Mittelpunkt der hier seit Monaten schwelenden Kontroverse steht eine resolute Schulleiterin, die Niqabs und Burkas in ihrem Hause partout nicht zu dulden bereit ist.
Sie heißt Hannelore Herz-Höhnke (54), ist selbst Mutter von vier Kindern, seit 15 Jahren Rektorin und Gewerkschafterin in der GEW. Sie sagt: „Ich möchte einer Mutter, mit der ich rede, ins Gesicht und in die Augen schauen können.“ Die Aufregung beginnt im Juni. Wie vor jedem Schuljahr werden die Eltern der neuen i-Dötzchen zum Kennenlernen in die Schule eingeladen. Auch eine vollverschleierte Frau, deren Sohn nach den Sommerferien hier eingeschult wird, nimmt an der Veranstaltung teil. Eine Mittdreißigerin, eine Tamilin aus Sri Lanka.
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„Einige Schulkinder waren von ihrem Anblick so erschrocken, dass sie anfingen zu weinen und davonliefen“, berichtet Hannelore Herz-Höhnke. Die Kinder können offenbar nicht erfassen, dass der dunkle Stoff nur eine harmlose Frau hüllt. Sie sehen vielmehr den „Schwarzen Mann“ und sind zu Tode erschrocken. Einige alarmieren sofort ihre Eltern, die – empört und aufgeregt – prompt im Sekretariat anrufen.
Muslimische Mütter drohten mit Abmeldung ihrer Kinder
Binnen kurzer Zeit herrscht Aufregung in der Schule. „Sogar muslimische Mütter, die selber Kopftuch tragen, haben damit gedroht, ihr Kind abzumelden, wenn die vollverschleierte Frau weiterhin die Schule betritt“, berichtet die Rektorin. Worauf diese ein klares Signal aussendet. „Ich habe darauf gedrungen, dass sich die Eltern eine andere Grundschule suchen.“ Womöglich, räumt die Rektorin ein, habe sie überreagiert. „Aber es war der erste Fall dieser Art in meiner langen Berufslaufbahn.“
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Die ersten Tage des neuen Schuljahres sind gerade vergangen, da wird an der Bodelschwinghschule umgehend ein Runder Tisch einberufen: darunter der Vertreter der Schulkonferenz, die Rektorin, eine (türkische) Lehrerin, die (albanische) Klassenlehrerin – und die vollverschleierte Frau nebst Ehemann. Diesen beschreibt die Rektorin als einen modernen, ja westlichen Menschen. Und auf die Frage, warum sich seine Frau verhülle, zuckt er verlegen die Schultern und murmelt: „Das ist ihre Sache.“
Vollverschleierte Mutter darf nur bis zum Schultor
Auf Bitten des Ehemanns verlassen sodann alle männlichen Teilnehmer des Runden Tisches für einen Augenblick den Raum, und die Frau zeigt ihr Gesicht. Die Beratungen münden schließlich in eine strenge Abmachung. Vollverschleiert hat die Mutter ihren Sohn künftig schon am Schultor abzugeben. Jenseits dieser Schwelle bleibt ihr dunkles Tuch tabu. Möchte sie das Schulhaus und den Pausenhof auf der Heinrich-Strunk-Straße betreten oder gar an Elternabenden teilnehmen, hat sie den Schleier abzulegen.
Kopftuch seit jeher unerwünscht
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An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Bodelschwinghschule schon vor Jahren eine Schuluniform eingeführt hat. Eine kluge Regelung, die in diesem konfliktreichen Milieu Klassen- und Rassenschranken unsichtbar machen soll. Auch das Kopftuch ist für muslimische Schülerinnen seit jeher unerwünscht. Integration ist hier kein Fremdwort, sondern – ein kleines Wunder – gelebte Wirklichkeit.
Der Sohn der Vollverschleierten entwickelt sich übrigens prächtig. Er sei ein aufgeweckter und intelligente Knabe, der eifrig mitmache, heißt es. Ende gut – alles gut?
Schön wär’s. Denn schon einige Male habe sich die Niqab-Frau über die Abmachung hinweggesetzt und die Schule doch wieder vollverschleiert betreten. Die Rektorenkollegen in der Umgebung schauen – halb ratlos, halb neugierig – zur Bodelschwinghschule hinüber. Eine Kollegin gab Hannelore Herz-Höhnke neulich den Rat, sich doch gefälligst „nicht so anzustellen“. Doch diese bleibt in Sachen Niqab prinzipientreu. „In dieser Beziehung bin ich nicht tolerant, das kann ich nicht.“