Duisburg-Homberg. Kira ist aus der Ukraine nach Duisburg geflüchtet. Sie besucht hier eine Gesamtschule. Etwas aus ihrer Heimat begleitet sie auch im neuen Alltag.
Zaghaft hebt Kira die Hand, die Beine unter ihrem Stuhl ineinander verschlungen. Sie wirkt schüchtern, unsicher. Dabei ist die Antwort richtig, die sie Feridae Bayrak gibt: „Der Vorhang hängt vor dem Fenster.“ Die Deutschlehrerin nickt zufrieden, Kira hat mit „dem“ die richtige Lokalpräposition verwendet. „Sie ist sehr motiviert, ehrgeizig und arbeitet im Unterricht immer mit“, bestätigt Julia Radetzki. Sie ist die Klassenlehrerin der sogenannten Brückenklasse an der Erich-Kästner-Gesamtschule. Die 18 Schülerinnen und Schüler dieser Klasse kommen alle aus der Ukraine, sind mit ihren Familien geflüchtet, als Russland den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat.
[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
Auch Kira gehört dazu. Gemeinsam mit ihrer Mutter und der ein Jahr jüngeren Schwester ist sie seit einigen Monaten in Deutschland. Kurz vor den Osterferien kam sie dann in die Brückenklasse der Homberger Gesamtschule. „Hier ist alles viel moderner als in der Ukraine. Es ist ungewohnt, aber cool“, sagt sie in gut zu verstehendem Englisch. Noch ist ihr Deutsch nicht so gut, dass sie sich in der Sprache ihres neuen Heimatlandes unterhalten kann. Ob sie ihr Zuhause nicht auch vermisst? „Am Anfang ja, aber jetzt habe ich viele neue Klassenkameraden und die Lehrer sind nett.“ Kira wirkt bei all ihren Erzählungen sehr gefasst, ruhig, fast unbesorgt - und doch für ihr Alter sehr ernst. Viel möchte sie aber auch nicht sagen, schon gar nicht über ihre Heimatstadt. Sie kommt aus Butscha.
Duisburger Lehrerin will für die ukrainischen Flüchtlingskinder da sein
„Wir wissen nicht genau, wie es den Kindern wirklich geht. Viele haben ihre Angehörigen, vor allem die Väter, zurücklassen müssen. Wir glauben, dass sie das Erlebte gerade noch sehr gut verdrängen können und es auch nicht an sich heranlassen wollen“, erklärt Radetzki das Verhalten von Kira. Sie ist sich jedoch sicher, dass viele der Kinder und Jugendlichen unter einem Trauma leiden. „In der vergangenen Woche waren wir gemeinsam Eis essen. Da haben manche Kinder ein bisschen erzählt, ein Mädchen hat geweint“, berichtet die Mathematiklehrerin. Sie selbst spricht fließend Russisch, kann sich deswegen auch gut mit den Kindern verständigen. „Aber ich frage von mir aus nicht nach. Wenn jemand erzählen möchte, wissen die Schüler, dass sie immer zu mir kommen können.“
Der Austausch mit Kollegin Bayrak, die die sogenannte Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) leitet, habe ihr geholfen, den richtigen Umgang mit den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern zu finden. Die Schüler der IVK haben die gleichen Erfahrungen gemacht, sind jedoch bereits schon länger in Deutschland: Auch sie stammen aus Flüchtlingsgebieten, viele von ihnen aus Syrien.
Bei Unternehmungen, wie einer gemeinsamen Grillpause der Brückenklasse und der IVK, sollen die Flüchtlingskinder zusammengeführt werden. Der Austausch soll den ukrainischen Kindern zeigen, was auch sie alles erreichen können, schließlich sprechen die Jugendlichen der IVK fließend Deutsch. Einige von ihnen werden deshalb nach den Sommerferien in Regelklassen eingegliedert.
Ukrainische Jugendliche belegt auch in den Sommerferien Deutschkurse
Ein Ziel, das auch Kira verfolgt. Dafür belegt sie auch in den Sommerferien einen Deutsch-Sprachkurs. Doch nicht nur das Sprachenlernen macht ihr Spaß. Als sie beginnt von ihrem Hobby, dem Tanzen, zu berichten, wirkt das sonst zurückhaltende und schüchterne Mädchen fast selbstbewusst: „Ich liebe das Tanzen. In der Ukraine war ich in einer Gruppe, da haben wir gesungen und getanzt. Das führe ich hier jetzt weiter. Ich besuche in der Schule einen Kurs, der heißt ,lateinamerikanische Tänze‘.“ Für das 12-jährige Mädchen wenigstens ein Baustein, der ihr aus ihrem alten Leben in der umkämpften Ukraine geblieben ist: die Liebe zum Tanzen.