Duisburg-Rheinhausen. Die freien Duisburger Künstlerinnen und Künstler laden zu „Neuen Arbeiten aus 18 Monaten“ in die Galerie der Bezirksbibliothek Rheinhausen.
Anderthalb Jahre Corona: Das waren Einsamkeit und Zweisamkeit, von beidem zu viel. Das waren Sorgen, Zorn und Machtlosigkeit, Selbstbespiegelung wider Willen – und Sehnsucht nach Menschen und Orten, die man lange nicht besuchen durfte. 18 Monate Pandemie haben in der Gesellschaft Spuren hinterlassen. Im Fall der Künstler, die sich an diesem Nachmittag in der Galerie der Bezirksbibliothek Rheinhausen versammelt haben, brachte die Zeit aber noch mehr hervor. Einen großen Schub Kreativität.
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Und so wundert es nicht, dass Luise Hoyer als Mit-Organisatorin bei den Bewerbungen für die Jahresschau der freien Duisburger Künstlerinnen und Künstler diesmal eine ungewöhnlich große Anzahl eingereichter Arbeiten verbuchte. Weit über 50 Fotografien, Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Objekte wurden vorgelegt , „ein Spektrum der gesamten Bandbreite“ sagt Hoyer. Rund 25 Exponate sind nach der Auswahl bis zum 4. November zu sehen. Ein Rundgang im Zeichen der Pandemie: bunt, spannend und individuell.
Aufräumen und neu beginnen
Denn die Krise trifft alle und löst doch bei jedem etwas anderes aus. „Aufräumen, zerreißen, wegschmeißen“, fasst Karin Dauenheimer zusammen. Ergebnis ist in ihrem Fall eine Collage aus zerstückelten Grafiken und Elementen. „Neuanfang im Jahr der Säge“ hat sie ihre Arbeit getauft. „Absägen, zerstören, neu beginnen“, sagt Dauenheimer kernig. Und:„Ich bin einfach glücklich, wieder Leute treffen zu können.“
Kollegin Gabriela Berest hat die Monate anders überbrückt. Sie hat sich einen Tee gekocht. Und noch einen und viele weitere. Die Überbleibsel hat sie zum Kunstobjekt geadelt.
Berest sitzt vor einer Fotowand namens „One Woman Tea-party“, die ihre Wohnung in Corona-Zeiten zeigt, ebenso ihr Faible für Kerzen und Lampenlicht. Überall baumeln Teebeutel, liebevoll ausgedrückt, stilvoll beleuchtet, hübsch arrangiert. Mit Kreativität gegen den Frust. „Alleinstehende wurden ja durch die Krise in die Einsamkeit getrieben“, zieht Berest Bilanz. Auf einigen Bildern flackert der Fernseher schwarz-weiß, „ein Stasi-Film, der zufällig lief.“ Für die Künstlerin ein Sinnbild für eine pandemische Dauer-Kontrolle.
Die Künstler in Duisburg fragen: Welche Rolle spielen wir?
Fotokunst sieht man reichlich bei diesem üppigen Rundgang der freien Kunst: viele Selbstporträts, ein Zeichen für prüfende Blicke nach Innen. „Welche Rolle spielen wir?“, formuliert Thomas Schönhagen, der am Computer verfremdete Selbstbildnisse vorstellt.
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Dieter Schwabe hat sich lieber seine unmittelbare Umgebung angeschaut, „kleine Dinge betrachtet, die man sonst nicht wahrnimmt.“ Er ist viel spazieren gegangen, Fahrrad gefahren und hat dabei Alltägliches wie eine Zugüberquerung fotografiert. Die Bilder hat er so verfremdet, dass jetzt nur noch Strukturen sichtbar sind. „Ich betrachte Fotografie inzwischen als Malerei“, erklärt Schwabe.
Die Gunst des Augenblicks nutzte dagegen Klaus Brüggenwerth, ebenfalls für Fotografie.
Er schildert beim Rundgang, wie an einem dieser schier endlosen Corona-Tage des Daheimbleibens und Abwartens ein Federchen seine Aufmerksamkeit fesselte, das durch die Luft schwebte und sich in Spinnweben verfing. Als es besonders schön funkelte, hat er auf den Auslöser gedrückt. Jetzt zieht ein zartes weißes engelsgleiches Gebilde die Betrachterblicke auf sich – flüchtig, rätselhaft, körperlich.
Stillleben und Aquarellstudien
Daneben: Stillleben und Aquarellstudien, Objekte wie eine luftige Plastik aus leeren Trauben-Verpackungen (Sigrid Neuwinger: „Sonnengeflecht“) oder schwere Steinarbeiten, die Martin Schmitz fertigt. Wie viele andere nutzte auch er die letzten 18 Monate, um an seiner künstlerischen Ausdrucksform zu feilen, berichtet er.
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Weit filigraner ist Will Rumi unterwegs, dessen Gouache-Bilder sich an der Wand gegenüber finden. „Netzwerk“ heißen sie oder „Die Quadratur des Kreises“: akkurate Linien und Elemente, teils gezirkelt, sehr konkret, sehr geometrisch. „Ich liebe die Klarheit“, schwärmt Rumi.
Was machen Superhelden in der Corona-Krise?
Und während man unterwegs weiteren spannenden Corona-Erscheinungen begegnet – etwa einem konfusen, liebevoll gezeichneten „Mitbewohner“ (Angelika Luise Stephan) oder einem langnasigen Figürchen namens „Wahrheit“ (Angela Schäfer) – steht man am Ende doch vor der Hoffnung. Aus einer Ecke schwebt eine Superman-Figur herab, die bei näherer Betrachtung Jesus-Darstellungen ziemlich ähnlich sieht. Na, dann nichts wie los. Dies ist eine gute Zeit für alle Superhelden.