Duisburg. Die Ausstellung „Multispecies futures“ in der Cubus-Kunsthalle in Duisburg zeigt Mensch und Tier in Gemälden und Skulpturen. Warum sie irritiert.
Die Idylle ist fast perfekt: Eine Gruppe von Menschen, Kühen, Katzen und Hühnern sitzt beim gemeinsamen Picknick im Grünen. Angelehnt an das berühmte impressionistische Frühstücksmotiv von Edouard Manet, fast altmeisterlich gemalt von Hartmut Kiewert, aber dennoch verstörend.
Und das hat nicht nur damit zu tun, dass hier zwischen Menschen und Tieren paradiesische Harmonie herrscht, sondern mit dem Hintergrund: Da bröckelt die in einem Tagebau abgesunkene Fleischfabrik mit dem SchriftzugTönnies. Die Botschaft ist klar: Wenn Mensch und Tier gleichberechtigt leben, also Tiere nicht mehr getötet und gegessen werden, wird die Zukunft eine bessere sein.
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Die Ausstellung „Multispecies futures“ in der Cubus-Kunsthalle im Kantpark bringt zur Frage, wie sich die Ausbeutung der Natur durch den Menschen auf die Welt auswirkt, Malerei und Bildhauerei zusammen. Die Bilder des 1980 in Koblenz geborenen Hartmut Kiewert, der in Halle studiert hat und in Leipzig lebt, und die Holzskulpturen des Duisburger Bildhauers Roger Löcherbach.
Der Duisburger Künstler Roger Löcherbach lässt Beuys meucheln
Es sind zwei künstlerische Positionen, die einander in der Ausstellung verstärken. Denn auch Löcherbach, der in Duisburg als Künstler und durch seine Aktionen, vor Publikum aus Holzstämme mit der Kettensäge Skulpturen zu schneiden, bekannt ist, arbeitet oft zum Thema Mensch und Tier. Zu sehen sind Frauen und Männer, sitzend oder stehend, die ein Schwein auf dem Kopf oder Krähen den Schultern tragen.
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Zu den humorvollsten Arbeiten Löcherbachs gehört die „Hasenrache“. Eine für seine sonstigen Maßstäbe kleine und zarte Arbeit, die Joseph Beuys (mit Hut) in einer Badewanne zeigt, gerade frisch gemeuchelt von einem Hasen, dem Tier, das zu den wichtigsten in Beuys’ Kunstkosmos gehört. Und in der Hand hält der Kunstschamane noch Blatt mit einem unvollendeten Satz: Jeder Mensch ist ein...
Vielleicht ist jeder Mensch ein Künstler, bestimmt aber der Mensch die Spezies, die dem Planeten am meisten zu schaffen macht. Hartmut Kiewert beschwört in seinen Bildern einen Gegenentwurf, die Utopie eines grenzenlosen Zusammenlebens von Mensch und Tier. Wie das aussehen würde? Weil die Menschen vegan leben, verfallen Schlacht- und fleischverarbeitende Betriebe, sogar die Hochsitze der Jäger sind gefallen. Nutz-, Haus- und auch Wildtiere würden es sich in der zivilisierten Umgebung gemütlich machen.
Mensch und Tier tummeln sich im Einkaufszentrum
Kiewert malt Kälber auf dem Wohnungsparkett und Schweine im Sessel, Ferkel, die mit Kindern im Sandkasten spielen, Schweine auf einer Kreuzung oder eine Kuh, die am Strand unterm Sonnenschirm liegt. Sogar im Einkaufszentrum tummeln sich Tier und Mensch gemeinsam, begegnen einander auf Augenhöhe. Hört sich komisch an, ist es aber nicht.
Es schleicht sich eher Unbehagen ein. Zum einen ist da der Vorwurf des Veganers: Wie kann der Mensch solche Unterschiede machen zwischen Haus- und Nutztieren? Wie kann er die einen lieben und hätscheln, die anderen aber töten und essen? Andererseits: Seit es Menschen gibt, töten Menschen Tiere und haben aus Wild- Nutztiere gemacht. Es ist eine spannende Ausstellung mit beeindruckend gemalten, verstörenden Bilden und kraftvollen, manchmal augenzwinkernden Skulpturen.
>> AUSSTELLUNGSREIHE „KUNST IM ANTHROPOZÄN“
- Die Ausstellung „Multispecies futures“, die bis zum 28. November bleibt, ist Teil der Themenreihe „Kunst im Anthropozän“.
- Sie hat im August 2021 mit „ReNatur“ begonnen, einer Ausstellung über die Renaturierung von Kohlehalden und anderen Hinterlassenschaften der Industrialisierung.
- Die Cubus-Kunsthalle im Kantpark hat geöffnet mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei, www.cubus-kunsthalle.de