Duisburg-Rahm. 83 Häuser sollen am Rahmerbuschfeld gebaut werden. Jetzt erhebt ein renommierter Gutachter schwere Vorwürfe. Diese Argumente führt er an.

Es ist nicht irgendein Gutachter, den die Bürgerinitiative „Naturerhalt Rahmerbuschfeld“ (BI) engagiert hat, um die dort geplanten gut 80 Häuser nebst Supermarkt zu verhindern. Matthias Schreiber ist bundesweit bekannt: als „Anwalt der Natur“, dessen Gutachten Bauprojekte vor Gericht schon oft gestoppt haben. Unter anderem war er für den BUND in Sachen Hambacher Forst vor Gericht. Die Unterlagen der Stadt Duisburg, die dem Bauvorhaben Rahmerbuschfeld Unbedenklichkeit bescheinigen, kritisiert Schreiber in einer „naturschutzfachlichen Stellungnahme“, die der Redaktion vorliegt, massiv. Das sind seine Argumente.

Stadt Duisburg: Neubaugebiet Rahmerbuschfeld ist „unbedenklich“

„Unbedenklich“: So bewerten die Gutachten im Auftrag der Stadt Duisburg das geplante Neubaugebiet. Einig ist sich Schreiber mit dieser Ansicht nur bei der Vorsilbe: „unvollständig“ und „unzureichend“, so bewertet der Gutachter der BI dasselbe Vorhaben. Jede Seite seines Gutachtens ist ein Frontalangriff gegen die Vorgehensweise der Gutachter, die die Duisburger Verwaltung beauftragt hat.

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Im Kern geht es um die Frage, inwieweit das nahe gelegene FFH-Schutzgebiet „Überanger Mark“ (Flora, Fauna, Habitat) unter dem Bauvorhaben leiden würde und leiden darf. Konkret: dessen tierische Bewohner. Weil FFH-Gebiete besonders streng geschützt sind, ist für Bauvorhaben wie das Rahmerbuschfeld eine sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgesehen. Sie gibt es in drei Stufen: als Voruntersuchung (Stufe I) und als Verträglichkeitsuntersuchung (Stufe II); Stufe III wäre ein Ausnahmeverfahren. Die Stadt hält Stufe I für ausreichend; der Gutachter der Bürgerinitiative Stufe II für nötig.

„Eine Vorstudie dient allein dazu, sicher fehlende und offensichtliche Beeinträchtigungen zu benennen“, führt Schreiber in seinem Gutachten aus. „Kommt die FFH-Voruntersuchung zu dem Ergebnis, dass Beeinträchtigungen möglich sein können, bedarf es einer FFH-Verträglichkeitsuntersuchung und -prüfung.“

Rahmerbuschfeld: „Anwalt der Natur“ hält FFH-Prüfung für zwingend erforderlich

Schreiber stellt heraus: „Die Gutachter gehen sogar selbst davon aus, dass sich Störwirkungen ergeben können“, darunter durch Lärm und Licht. Allerdings werden diese aufgrund empfohlener Maßnahmen als unbedenklich eingestuft. Der Gutachter der Bürgerinitiative verwirft diese Einschätzung: „Die Frage der Erheblichkeit kann erst im Rahmen einer umfassenden FFH-Verträglichkeitsuntersuchung beantwortet werden.“

Eines der Argumente des von der Stadt beauftragten Gutachtens für die Unbedenklichkeit des Bauvorhabens Rahmerbuschfeld lautet: Bebauung und Straßen im Umfeld beeinträchtigten das Schutzgebiet schon jetzt, daran seien die dort lebenden Tiere bereits gewöhnt. Für Schreiber kein Argument: „Von einer Gewöhnung dieser Arten ist keinesfalls auszugehen.“

Im Gegenteil: „Jede weitere zusätzliche Störung kann das Fass zum Überlaufen bringen und ist daher kumulativ zu betrachten.“ Gerade Lärm führe dazu, dass sich zum Beispiel Vögel weniger oft fortpflanzen, also zu einer Verschlechterung gegenüber dem jetzigen Zustand. FFH-Gebiete dürfen sich laut EU nicht verschlechtern.

Gutachter: Rahmerbuschfeld-Bebauung würde 21 Hektar Schutzgebiet stören

Dieses Verschlechterungsverbot kollidiert nach Ansicht von Schreiber mit dem Bauvorhaben. Als Beispiel dient ihm der am Rahmerbuschfeld nachweislich brütende Mittelspecht. Nicht mehr durch Lärm beeinträchtigt werde dieser Vogel erst ab einer Distanz von 400 Metern. „Überträgt man diesen Störradius auf den Geltungsbereich am FFH-Gebiet, so sind für empfindliche Vogelarten erhebliche Störungen auf einer Fläche von circa 21 Hektar des FFH-Gebietes zu verzeichnen.“

Noch lärmempfindlicher seien die ebenfalls am Rahmerbuschfeld nachgewiesenen Vogelarten Waldlaubsänger, Waldkauz und Hohltaube, die erst ab einer Entfernung von über 500 Metern nicht mehr von Lärm gestört würden. Die Folge eines Neubaugebietes Rahmerbuschfeld für das FFH-Schutzgebiet laut Schreiber: „In der Summe sind circa 30 Hektar Fläche des Schutzgebiets durch Störungen betroffen.“ Das entspricht fast zehn Prozent des 327 Hektar umfassenden Areals.

Gutachter der Bürgerinitiative wirft den Gutachten der Stadt schwere Fehler vor

Schreiber moniert weiter: Bei der Beurteilung der FFH-Verträglichkeit würden Tierarten ignoriert. Tatsächlich gehen die von der Stadt bestellten Gutachter davon aus, nur Mittel- und Schwarzspecht seien für die Prüfung relevant. „Unzulässig“, urteilt der von den Gegnern des Bauprojekts beauftragte Schreiber. Feuersalamander zum Beispiel hätten einen Aktionsradius von 500 Metern, für den Kleinen Wasserfrosch seien Wanderungen von bis zu 15 Kilometern bekannt. Amphibien, Reptilien und wirbellose Arten würden nicht berücksichtigt, müssten das aber.

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Das Gutachten für die Bürgerinitiative Rahmerbuschfeld listet noch eine Reihe weiterer Aspekte auf, die dessen Autor als Fehler wertet: Die Erfassung der vorkommenden Vogelarten sei intransparent und lasse erforderliche Bestandskarten vermissen, mögliche Schadstoffeinträge würden nicht untersucht, Grundlage für den Artenschutzbericht sei eine veraltete Rote Liste bedrohter Tierarten aus dem Jahr 2010.

Das Fazit des „Anwalts der Natur“ fällt vernichtend aus: Die städtischen Unterlagen für das Bauprojekt Rahmerbuschfeld seien „unzureichend“ und „in vielfacher Weise grob fehlerhaft“. Auch die geplanten Kompensationsmaßnahmen wie Fledermauskästen lässt Schreiber nicht gelten: Ob sie wirken, sei nach derzeitigem Erkenntnisstand zum Rahmerbuschfeld „reiner Zufall“.

>> DIE BÜROS HINTER DEN GUTACHTEN ZUM RAHMERBUSCHFELD

  • Schreiber Umweltplanung heißt das Büro, das die Bürgerinitiative Naturerhalt Rahmerbuschfeld beauftragt hat. Seit 1991 arbeitet das Büro aus Bramsche bei Osnabrück im Bereich Landschaftsplanung, Arten- und Habitatschutz. Es arbeitet nach eigenen Angaben bundesweit für Kommunen, Landesverwaltungen, Ministerien, Umweltverbände und Stiftungen. Ziel dabei: die „bestmögliche Berücksichtigung von Naturschutzbelangen“. Ein Arbeitsschwerpunkt seit knapp 20 Jahren ist dabei die Tätigkeit als Fachgutachter bei Verfahren vor Verwaltungsgerichten bis hin zum Bundesverwaltungsgericht.
  • Einen gegenteiligen Schwerpunkt setzt das Büro Normann Landschaftsarchitekten, das die Gutachten für die Stadt Duisburg erarbeitet hat. Sitz ist seit 1983 Düsseldorf, der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in NRW. Auftraggeber sind nach eigenen Angaben Kommunen und öffentliche Auftraggeber, Handels- und Industriebetriebe, Verkehrsunternehmen, Bauträger, Projektentwickler. Die Homepage des Büros listet zahlreiche Bauprojekte auf, deren Umsetzung Normann Landschaftsarchitekten begleitet haben.