Duisburg-Rahm. 83 Häuser und Wohnungen sollen im Duisburger Süden neben einem Naturschutzgebiet entstehen. Wegen dieser FFH-Gebiete verklagt die EU Deutschland.

Mehr als 100 Seiten umfasst der Umweltbericht der Stadt Duisburg zum geplanten Neubaugebiet Rahmerbuschfeld. Das größte Konfliktpotenzial gibt es mit dem nahe gelegenen Naturschutzgebiet nach der Flora-Fauna-Richtlinie (FFH). Der wird allerdings nur auf neun Seiten thematisiert. Das Fazit der Verwaltung: Das Bauvorhaben sei „unbedenklich“ in Bezug auf das besonders streng geschützte FFH-Gebiet – obwohl dadurch der vorgeschriebene Mindestabstand unterschritten würde.

Naturschutz contra Bauland: Beim Thema Wohnen im Grünen kommt es zwangsläufig immer wieder zu diesem Konflikt. In diesem Fall sieht der Plan vor, ein Landschaftsschutzgebiet zu überbauen. Aber es geht um mehr als die Pflanzen und Tiere auf der Fläche von 4,2 Hektar: Es geht um Naturschutz in europäischen Dimensionen.

EU-Kommission verklagt Deutschland wegen zu wenig Schutz für FFH-Gebiete

FFH-Gebiete sind Teil eines Europa-weiten Netzes von Schutzgebieten mit dem Ziel, seltene und gefährdete Arten sowie deren Lebensräume zu erhalten. Ihre Entwicklung wird von der EU überprüft, es gilt ein Verschlechterungsverbot: Der Zustand eines FFH-Gebietes darf schlimmstenfalls gleich bleiben, eine Verschlechterung ist verboten.

Das Thema hat kürzlich aktuelle Brisanz erhalten: Die EU-Kommission hat Deutschland verklagt – weil hierzulande die FFH-Richtlinie nur unzureichend umgesetzt werde. Im Klartext: Die deutschen Flora-Fauna-Habitate werden schlecht geschützt. Ändert sich das nicht, drohen Deutschland Strafzahlungen; laut Greenpeace „in täglicher Millionenhöhe“.

Rahmerbuschfeld im Duisburger Süden: Häuser, Wohnungen, Supermarkt

Unterdessen sollen mit dem Rahmerbuschfeld bis zu 83 neue Häuser und Wohnungen auf der bisherigen Grünfläche am Ortsrand von Rahm gebaut werden, dazu ein Supermarkt. Der ist den Plänen zufolge zum Teil nur 50 Meter vom Naturschutzgebiet Überanger Mark entfernt – das als FFH-Gebiet ausgewiesen ist. Wegen ihres besonderen Schutzstatus’ gilt für diese Gebiete: Bauliche Anlagen dürfen nur außerhalb einer Pufferzone errichtet werden, mit einem Mindestabstand von 300 Metern.

Es sei denn, eine Verträglichkeitsprüfung bescheinigt dem Bauvorhaben, den Zielen des FFH-Schutzgebietes nicht zu schaden. Auf eine solche Prüfung hat die Untere Naturschutzbehörde bei der Stadt Duisburg gedrängt. Laut Stadt bescheinigt die Prüfung dem Bauprojekt Rahmerbuschfeld trotz der deutlichen Unterschreitung des vorgeschriebenen Abstands zum geschützten FFH-Gebiet die Unbedenklichkeit. Nachlesen lässt sich das noch nicht: Das entsprechende Gutachten wird von der Stadt erst zur nächsten Ratssitzung öffentlich gemacht.

Bebauungsplan Rahmerbuschfeld soll Vorgaben zum Tier- und Naturschutz machen

Ermöglichen sollen die Unbedenklichkeit einige Vorgaben, die in den Bebauungsplan aufgenommen werden sollen. So sollen Pflanzen entlang der östlichen Grenze des Neubaugebiets – also in Richtung der Überanger Mark – einen schädlichen Einfluss auf das Naturschutzgebiet verhindern. Weitere Maßnahmen: „Relevante“ Bäume sollen erhalten, die Beleuchtung im neuen Wohngebiet insekten- und fledermausfreundlich werden, Niederschlagswasser im Baugebiet soll zum Teil versickern, statt in die Kanalisation eingeleitet zu werden.

Laut Umweltgutachten der Stadt leben in der Überanger Mark einige Tierarten, die im Amtsdeutsch „planungsrelevant“ genannt werden: Sie sind so stark gefährdet, dass sie bei der Planung eines Baugebiets berücksichtigt werden müssen. Der Große Abendsegler hat dort ebenso sein Quartier (eine der größten heimischen Fledermausarten) wie die Zwergfledermaus, weswegen insbesondere die Beleuchtung des Supermarktes möglichst störungsfrei für die Tiere gestaltet werden soll.

Im Naturschutzgebiet neben dem Neubaugebiet Rahmerbuschfeld leben 61 Vogelarten

61 Vogelarten wurden im FFH-Gebiet nachgewiesen, darunter 17, die laut Roter Liste in NRW als bestandsgefährdet gelten. An planungsrelevanten Vogelarten, die dort brüten, führt der Umweltbericht Mittelspecht, Schwarzspecht und Waldkauz auf, dazu Waldlaubsänger und Hohltaube. Dass ihre Nester nahe der dortigen Waldwege lägen, zeige, dass die Vögel „bereits an ein vergleichsweise hohes Level an Störungen gewöhnt“ seien. Bei der Bebauung des Rahmerbuschfelds solle aber darauf geachtet werden, sie nicht noch mehr zu stören durch Schadstoffe Licht, Lärm und „optische Störreize“.

Der Waldkauz brütet im FFH-Naturschutzgebiet Überanger Mark. Direkt nebenan sollen auf dem Rahmerbuschfeld im Duisburger Süden 83 neue Häuser und Wohnungen gebaut werden.
Der Waldkauz brütet im FFH-Naturschutzgebiet Überanger Mark. Direkt nebenan sollen auf dem Rahmerbuschfeld im Duisburger Süden 83 neue Häuser und Wohnungen gebaut werden. © dpa | Carsten Rehder

Amphibien, Reptilien und Libellen würden durch das Bauvorhaben Rahmerbuschfeld nicht gestört, solange nur außerhalb der Brutzeit gerodet werde, die Beleuchtung insekten- und fledermausfreundlich gestaltet werde und Baumhöhlen vor einer Rodung auf Nutzung untersucht werden.

Fazit des Umweltberichts: Ein Konflikt mit dem Artenschutz sei durch die geplante Bebauung nicht gegeben, solange ein „ausreichender Abstand“ zwischen Bebauung und FFH-Gebiet eingehalten werde – das sei nach dem Bebauungsplan bereits der Fall.

FFH-RICHTLINIE UND DUISBURGS RAHMERBUSCHFELD: WEITERE QUELLEN

>> STADT DUISBURG ZAHLT 226.000 EURO ÖKOAUSGLEICH FÜR RAHMERBUSCHFELD

  • Das Plangebiet Rahmerbuschfeld ist 4,2 Hektar groß. Davon sollen auch nach der Bebauung etwa 37 Prozent begrünt sein, zum Beispiel durch Gärten.
  • Für die Baumaßnahme soll es eine Ausgleichsmaßnahme „Boden“ geben. Außerdem zahlt die Stadt für die Ökopunkte, die sie so nicht ausgleichen kann. Dieser Ausgleich soll 226.585,50 Euro kosten.