Duisburg-Marxloh. Unternehmen müssen sich stärker anstrengen, um Azubis zu gewinnen. Dabei hilft die IHK und wendet sich an Schuler aus dem Duisburger Norden.
Duisburger Unternehmen müssen sich immer mehr anstrengen, um ihre offenen Ausbildungsplätze zu besetzen – und seit der Corona-Pandemie hat sich dieses Problem noch verstärkt. Das beobachtet die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK) und berichtet von einem deutlich gestiegenen Hilfebedarf der Firmen. „Immer mehr Unternehmen melden sich bei uns“, sagt Laura Göddert von der Niederrheinischen IHK. Besonders gefragt sind aktuell laut der Referentin Schule-Wirtschaft Kooperationen mit Schulen, und inzwischen gehen sogar viele Führungskräfte selbst zu den Jugendlichen, um für ihre Firmen zu werben.
Zu den Möglichkeiten zählt das Berufsorientierungs- und Sprachcamp, das Laura Göddert für die IHK in den Osterferien organisiert hat. 26 Gesamtschüler aus Marxloh und Walsum haben freiwillig daran teilgenommen, um Anregungen für ihre berufliche Zukunft zu sammeln – und das mit Erfolg.
Duisburger Schüler finden ihren Traumberuf mithilfe der IHK
„Ich hatte vorher noch keine Idee, was ich in Zukunft machen wollte“, sagt 14-jährige Lavinia Stoffel, die wie alle Campteilnehmer die achte Klasse besucht und zu den besseren Schülern ihres Jahrgangs gehört. Durch ein Planspiel mit Studenten der Uni Duisburg-Essen hat sich die Vierlindenerin eingehend mit dem Beruf der Bankkauffrau auseinandergesetzt und so ihren Traumberuf gefunden. Nun weiß sie, dass sie die Hochschulreife braucht, um ihr Karriereziel zu erreichen. „Ich bin gut in der Schule, aber jetzt werde ich mich noch mehr anstrengen“, sagt Lavinia – und hat sich auch schon um ein passendes Praktikum bemüht.
Genauso positiv schätzt die Marxloherin Fanka Mihaylova ihre Teilnahme am Feriencamp ein. „Ich möchte Medizin studieren“, sagt die 14-jährige Schülerin. Zu diesem Wunsch habe ihr der Kontakt zu Helios-Mitarbeitern verholfen. „Jetzt bin ich mir sicher: Ich kenne meinen Weg“, sagt sie, „und ich werde ihn gehen.“
Für die beteiligten Firmen, die etwa Werksführungen angeboten oder Auszubildende mit den Gesamtschülern zusammengebracht haben, hat sich das Camp ebenfalls gelohnt. „Wir können uns nicht mehr still zurücklehnen, bis der beste Bewerber sich für uns entscheidet“, sagt Ausbildungsleiterin Stefanie Jansen von der Collin-Gruppe mit Hauptsitz in Kaßlerfeld. Das Unternehmen verdient sein Geld mit Gerätetechnik.
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Längst, so Jansen weiter, sei es zwischen Arbeitgebern und potenziellen Mitarbeitern zu einem gegenseitigen Bewerben gekommen. So verweist sie auf einen Jugendlichen, der beim Vorstellungsgespräch bereits vier unterschriftsreife Ausbildungsverträge zu Hause hatte – und sich letztlich doch für die Collin-Gruppe entschieden habe.
Wettbewerb um künftige Fachkräfte: Was macht Unternehmen für Jugendliche interessant?
Unternehmen müssen die Zeichen der Zeit erkennen und für Jugendliche viel sichtbarer sein, betont Camp-Organisatorin Laura Göddert. Vielen Duisburger Firmen sei das gelungen. Sie gehen in die Schulen, zu Berufsorientierungsmessen und für Events mit Azubi-Speeddating gibt es bei der IHK inzwischen lange Wartelisten. Zudem bemühen sie sich jetzt früher als sonst, die Jugendlichen kennenzulernen. Interessant sind für sie längst die Achtklässler, um sie in der neunten Klasse für ein Schülerbetriebspraktikum – und später für eine Ausbildung – gewinnen zu können.
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Ausschlaggebend sei aber nicht nur, dass der Firmenname bei potenziellen Nachwuchskräften bekannt ist, betont Göddert, die Arbeitgeber müssten auch einiges mehr bieten als noch vor wenigen Jahren. Unternehmen mit einem Tarifvertrag haben demnach einen Vorteil und Jugendliche schauen jetzt auch auf ein angenehmes Arbeitsklima und auf Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft, auch durch Aktivitäten in der Freizeit.
Im Wettbewerb um gute Köpfe und gute Hände sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, von übertariflichem Lohn über mehr Urlaub bis zu Dienstwagen, die Azubis auch privat nutzen dürfen. Bei jüngeren Auszubildenden und auch bei den Gesamtschülern im Berufsorientierungscamp, so die Organisatorin, „kommt sehr gut an“, wenn ein Unternehmen iPads stellt.
Firmen sehen viele „ungeschliffene Diamanten“ im Duisburger Norden
Außerdem überzeugten die 26 Gesamtschüler im Camp die beteiligten Firmen. „Ich habe lange nicht mehr so eine interessierte und motivierte Truppe gesehen“, schwärmt die Betriebswirtschaftlerin Hannah Eul aus dem Collin-Ausbildungsteam geradezu von den Jugendlichen. Bei der Werksbesichtigung seien sie hellwach gewesen und hätten viele aufgeweckte Fragen gestellt. Außerdem haben sie Eul bei der Abschlussfeier des Camps in Marxloh mit Umarmungen begrüßt.
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Der Duisburger Norden sei trotz seines schlechten Rufs, finden Hannah Eul und ihre Chefin Stefanie Jansen, eine „Fundgrube“ mit vielen „ungeschliffenen Diamanten, die nur etwas Motivation und Stärkung brauchen“. So ist dann auch längst vor Ende der Abschlussfeier klar, dass alle Jungen und Mädchen aus dem Berufsorientierungs- und Sprachcamp im nächsten Schuljahr für ein Schülerbetriebspraktikum bei den beteiligten Firmen willkommen sind – und vielleicht später dort ihre Karriere beginnen.
>> IHK-Projekt soll Jugendliche stärken
- Das Berufsorientierungs- und Sprachcamp ist Teil des Duisburger Schulmodells. Dieses Projekt der Niederrheinischen IHK stärkt die Jugendlichen und wird von Unternehmern unterstützt, unter anderem von der Collin KG, von dem Logistiker Havi und den Helios-Kliniken. Weitere Kooperationspartner sind unter anderem die Stadt Duisburg, die Uni Duisburg-Essen, das Mädchenzentrum Mabilda und Jungs e.V.
- Das Camp fand bereits zum sechsten Mal statt. Die Teilnehmer sind Schülerinnen und Schüler aus den achten Klassen der Gesamtschule Walsum und der Herbert-Grillo-Gesamtschule.