Duisburg. Das Duisburger Mädchenzentrum Mabilda ist über die Stadtgrenzen bekannt. Sein Erfolg dauert seit 30 Jahren an. Dennoch könnte er jederzeit enden.
Das kleine Mädchenzentrum Mabilda ist weit über Duisburgs Stadtgrenzen bekannt und besteht bereits seit 30 Jahren. Ohne Angela Merkel wäre es wohl nie 1992 eröffnet worden. Die damalige Bundesministerin für Frauen und Familie hatte dem Trägerverein Mabilda die allererste Förderung zugesagt. Das war der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Trotzdem muss die Einrichtung um ihren Fortbestand zittern.
Zunächst in Marxloh beheimatet, sitzt das Mädchenzentrum inzwischen in Obermarxloh an der Kalthoffstraße 73. „Uns ging und geht es immer um die Stärkung von Frauen und Mädchen“, erklärt Einrichtungsleiterin Lea Cerny. Herzstück ist der offene Treff für Mädchen zwischen sechs und 18 Jahren. Dieses freiwillige, außerschulische Angebot soll den Besucherinnen vor allem Spaß machen. Ob beim Basteln, Yoga, Gartenprojekten oder Bewegungsangeboten. Gerade jetzt, in den Nachwehen von Corona, nehmen die Kinder und Jugendlichen diese niederschwelligen Angebote verstärkt an.
Mädchenzentrum Mabilda will seit 30 Jahren traditionelle Rollenklischees aufbrechen
Meist sind es Mädchen mit Migrationshintergrund, so Cerny, die bei Mabilda erleben sollen, dass sie traditionelle Rollenklischees auflösen können. „Wir fördern ihre Interessen und zeigen ihnen, dass Frauen auch Mathematik toll finden oder Astronautin werden können.“ Gerade Fußball sei bei den Teenagerinnen aus dem Duisburger Norden „super beliebt“, befeuert durch die Frauen-Europameisterschaft im Sommer.
Neben Freizeitangeboten und Ausflügen leistet Mabilda aber noch viel mehr, wie Gründungsmitglied Hatice-Fatma Güler erzählt: „Wenn Mädchen und Frauen Hilfe brauchen, sind wir da.“ Das kann Stress in der Familie oder in der Schule, Unterstützung bei Behördenschreiben, gegen Cybermobbing oder ein offenes Ohr bei Liebeskummer sein. Zusätzlich ist das Zentrum auch eine Beratungsstelle gegen Zwangsheirat.
Große Widerstände und Anfeindungen in der Anfangszeit
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Seit der Gründungszeit in den 90ern seien schon viele Hindernisse abgebaut worden, sagt Güler und erinnert sich, wie sie und ihre Mitstreiterinnen früher regelrechte Kämpfe führen mussten, dass Interessierte überhaupt die offenen Angebote wahrnehmen durften.
Sie berichtet von Drohanrufen, wüsten Beleidigungen auf offener Straße und zerkratzten Autos. Das alles habe sich deutlich gebessert. Durften früher viele Mädchen mit strengen muslimischen oder christlichen Eltern außerhalb der Schule kaum etwas unternehmen, seien sie inzwischen viel stärker und selbstbewusster. Und das Vertrauen in Mabilda und den gleichnamigen Trägerverein teils größer als in die Behörden. Vor allem in der muslimischen Community, weiß Güler, gelten die Mitarbeiterinnen als Google-Ersatz. „Alle rufen hier an, wenn sie etwas wissen wollen.“
Bildungsarbeit ist die wohl wichtigste Säule des Duisburger Vereins
Die Bildungsarbeit ist jedoch die wohl wichtigste Säule des Vereins Mabilda („Maedchenbildungsarbeit e.V.“). Die jungen Besucherinnen werden, so Mitarbeiterin Hatice Dagdas, nicht nur auf Demokratie und politische Bildung vorbereitet. Der Verein organisiert außerdem mit der Stadt Duisburg Sprachcamps für Grundschülerinnen. Zusätzlich werden Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen oder Erzieherinnen im Bereich der Selbstbehauptung zu Multiplikatorinnen ausgebildet. Sie wollen Mädchen etwa vermitteln, welche Rechte sie haben und wie man Grenzen setzt und sich gegen andere behauptet.
„Erfolge sind zwar schwer messbar“, so Dagdas, „aber Mädchen kommen seit Jahrzehnten hierher, sind jetzt selbst Mütter und schicken ihre Töchter vorbei. Viele haben tolle Berufe ergriffen, studieren oder machen Abitur.“ Sie seien Vorbilder für andere Kinder und Jugendliche.
Bis zu 40 Mädchen schauen seit 1992 unter der Woche täglich bei Lea Cerny und ihrem Team aus Hauptamtlichen und Ehrenamtlern vorbei. Oft bringen Jugendliche ihre Schwestern oder Schulfreundinnen mit. Für sie besteht kein Zweifel, dass das Zentrum eine Erfolgsgeschichte ist und künftig auch bleibt.
Neuer Standort im künftigen „Neumühl-Quartier“ geplant
„Unser Traum ist, dass wir uns vergrößern“, sagt Cerny. Denn die ehemalige Hausmeisterwohnung mit 65 Quadratmetern und Garten, die der Verein 1997 bezogen hat, ist für die zahlreichen Angebote längst zu klein. Derzeit verfolgt der Verein die Idee, sein Mädchenzentrum in das geplante „Neumühl-Quartier“ auf dem Grundstück des ehemaligen St.-Barbara-Hospitals zu verlegen. Mit dem Investor Harfid hat sich Mabilda darüber bereits im Juni ausgetauscht.
Jedoch liegt ein Damoklesschwert über dem Projekt, das die Erfolgsgeschichte von Mabilda auch nach 30 Jahren noch jäh zu beenden droht. „Wir müssen jedes Jahr zittern, ob der Antrag auf Fördergeld wieder bewilligt wird“, sagt Hatice Dagdas. Nur mit Spenden und mit den Mitgliedsbeiträgen lassen sich demnach das Mädchenzentrum und die sonstige Bildungsarbeit nicht finanzieren.
Bislang gibt es aber laut Lea Cerny noch kein Anzeichen dafür, dass die Förderung durch das Land NRW und durch die Stadt Duisburg plötzlich eingestellt wird. Nicht zuletzt deshalb herrschte bei der Feier des runden Geburtstags kürzlich gute Stimmung. „Wir sind und bleiben ein sicherer Hafen für Mädchen und Frauen“, betont Chefin Lea Cerny. Das will Mabilda auch für die nächsten 30 Jahre bleiben – mindestens.
>> ANERKANNTER TRÄGER DER JUGENDARBEIT
● Der 1991 gegründete Verein Mabilda e.V. (Maedchenbildungsarbeit) sieht sich als „Tochter der Frauenbewegung“ und als „Partnerin der Jungenarbeit“.
● Er ist ein anerkannter freier Träger der Jugendarbeit, der getragen wird durch neun Vorständlerinnen, drei Hauptamtliche, viele Honorarkräfte und durch ehrenamtliche Mitstreiterinnen.
● Weitere Infos zum Verein, zum Mädchenzentrum und zu den Angeboten gibt es auf www.mabilda-duisburg.de