Duisburg. Duisburgs IHK-Präsident Schaurte-Küppers warnt wegen maroder Brücken vor einem Verkehrskollaps und fordert Zuwanderung gegen Fachkräftemangel.
Duisburg ist das einzig verbliebene industrielle Herz des Ruhrgebiets. Der Neubau der A40-Brücke über den Rhein, der jahrelange Umbau des Autobahnkreuzes Kaiserberg und jetzt auch noch die Teilsperrung der Uerdinger Brücke führen zu massiven Verkehrsbehinderungen. Werner Schaurte-Küppers, der neue Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer, fordert rasches Handeln und erklärt im Interview, was am Stahlstandort Duisburg auf dem Spiel steht und wie der Arbeitskräftemangel in den Unternehmen gelindert werden kann.
Die Uerdinger Brücke ist marode, das Autobahnkreuz Kaiserberg wird für Jahre zur Baustelle und die Fertigstellung der A40-Brücke Neuenkamp steht erst noch bevor. Droht Duisburg der Verkehrskollaps?
Werner Schaurte-Küppers: Ja. Wir müssen auf unsere Kernindustrie achten. Unsere Stahl- und Chemiewerke, aber auch der Duisburger Hafen müssen erreichbar bleiben. Die Uerdinger Brücke ist ein wesentlicher Verkehrsknotenpunkt, über den täglich 22.000 Autos fahren. Auf eine neue Verbindung können wir nicht zwölf Jahre und mehr warten.
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Wie kann aus Ihrer Sicht schnell Abhilfe geleistet werden?
Schaurte-Küppers: Wir brauchen dringend eine Brückenkonferenz für Duisburg und angrenzende Städte. Ich bitte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer dringend, die Beseitigung der Nadelöhre Uerdinger Brücke und Kreuz Kaiserberg zur Chefsache zu machen. So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen.
In Duisburg haben sich zahlreiche chinesische Unternehmen angesiedelt. Der Hafen ist Drehscheibe für den Zugverkehr von und nach China. Sehen Sie die Gefahr einer zu großen Abhängigkeit der Ruhrwirtschaft von China?
Schaurte-Küppers: Es ist ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Region, dass die bedeutende Handelsroute Seidenstraße in Duisburg endet. Große Seehäfen wie Rotterdam machen kein Hehl daraus, dass sie an diesen Verkehren interessiert sind. Die Bedrohung durch China ist da und wir müssen natürlich auch auf Taiwan blicken. Politisch sind wir deshalb in Hab-Acht-Stellung. Ich glaube aber, dass die wirtschaftlichen Beziehungen und Ansiedlungen hier im Westen so gut durchmischt sind, dass die Abhängigkeiten nicht zu groß werden.
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Thyssenkrupp will in Duisburg künftig grünen Stahl produzieren. Sind Sie zuversichtlich, dass Ihre Stadt der größte Stahlstandort Europas bleibt?
Schaurte-Küppers: Die Transformation von Koks auf Wasserstoff wird die Stahlindustrie nicht allein schaffen. Die NRW-Landesregierung hat bereits 700 Millionen Euro zugesagt. Jetzt muss auch die Bundesregierung helfen. Dafür muss Thyssenkrupp Steel die Stahlsparte zukunftsträchtig aufstellen. Jeder fünfte Arbeitsplatz in Duisburg hängt von der Stahlindustrie ab. Bundesweit wären Hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet, wenn die Transformation in Duisburg schiefgehen würde. Wenn die Transformation hier gelingt, werden wir Blaupause für andere energieintensive Industrien, die den Wohlstand in Deutschland sichern. Daher lohnen die öffentlichen Investitionen.
Ist Deutschland ausreichend für die Energiewende gerüstet?
Schaurte-Küppers: Es ist ein großer Fehler, Strom teuer aus dem Ausland einzukaufen. Wir brauchen Strom aus Atomkraft und Kohle, bis es echte Alternativen gibt. Auch Fracking zur Gasförderung im eigenen Land müssen wir als Übergangslösung prüfen. Mir fehlt die Vorstellung, wie Deutschland sonst seinen Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen decken will.
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Die Industrie- und Handelskammern klagen seit Jahren über einen Fachkräftemangel, der sich inzwischen zu einem Arbeitskräftemangel ausgewachsen hat. Wie kann das Problem gelöst werden?
Schaurte-Küppers: Wir brauchen ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Zuallererst brauchen wir eine gezielte Zuwanderung. Ohne Menschen aus dem Ausland werden wir es in unseren Unternehmen nicht schaffen, die vielen offenen Stellen zu besetzen. Gastarbeiter haben uns schon einmal im Bergbau und in den Stahlwerken geholfen. Die meisten von ihnen, ihre Kinder und Enkel sind Deutsche geworden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Berufsabschlüsse hier anerkannt werden. Dafür setzen wir uns ein und beraten geflüchtete Menschen, welche Dokumente nötig sind.
Wie beurteilen Sie die Chancen von ukrainischen Kriegsflüchtlingen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt?
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Schaurte-Küppers: Die Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern ist nur sehr langsam angelaufen. Am Anfang des Kriegs hatten sie noch die Hoffnung, schnell wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Doch der Krieg scheint sehr viel länger zu dauern, als erwartet. Deshalb schwindet die Hoffnung auf rasche Rückkehr. Wir als IHK bieten zum Beispiel gezielt Beratungsnachmittage an, um diesen Menschen zu helfen. Oft fehlen Unterlagen, die sie bei der Flucht nicht mitgenommen haben. Die meisten von ihnen sind sehr gut ausgebildet. Wir als Unternehmer sind gefragt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und zu helfen, wo wir können.