Duisburg-Marxloh. Das Mädchenteam des SV Rhenania Hamborn gilt als Vorzeigeprojekt für Integration durch Fußball. Die Teenager kämpfen gegen viele Vorurteile.

Seine Mitglieder sollen beim SV Rhenania Hamborn nicht nur fitter werden, der Marxloher Verein will seinen Sportlern auch eine Perspektive schaffen, indem er sie bei der Integration unterstützt. Als ein Aushängeschild dieser Bemühungen gilt eine Fußballmannschaft aus jungen Migrantinnen. Beim Training an der Warbruckstraße zeigt sich, dass für die Teenager jedoch vieles ganz selbstverständlich ist, wofür andere sie loben.

Spaß gehört beim Training in Duisburg-Marxloh dazu – natürlich auch beim Gruppenbild.
Spaß gehört beim Training in Duisburg-Marxloh dazu – natürlich auch beim Gruppenbild. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Ich bin nicht nur Trainer, ich habe auch einen Bildungs- und einen Entwicklungsauftrag“, sagt Tarek Abd El Ruhman und lässt die Mädels sich warm machen. Gekonnt dribbeln sie mit den Fußbällen und spielen sich in Kleingruppen gekonnt Pässe hin und her. Rote Staubwolken begleiten jede einzelne Bewegung auf dem Ascheplatz. Der 50-jährige Trainer ist merklich stolz auf seine U 17-Kickerinnen, die aus einem bunten Kulturenmix entstammen. Ihre Familien haben zum Beispiel türkische, arabische, polnische oder kroatische Wurzeln. Und doch sind sie zu einem Team zusammengewachsen. „Ihr Mannschaftsgeist ist ganz toll“, lobt Abd El Ruhman, „ob es regnet, kalt ist oder sie in einer riesigen Aschewolke stehen, sie spielen einfach weiter und haben Spaß dabei.“ Sogar zwei verletzte Spielerinnen sind jetzt gekommen, um ihre Kameradinnen beim Training anzufeuern.

Längst nicht alle Duisburger Familien wollen ihre Töchter Fußball spielen lassen

Dass Teenager aus dem Duisburger Norden überhaupt Fußball spielen dürfen, sei längst nicht für alle Familien selbstverständlich, so der Trainer. „Manche Eltern glauben, dass Fußballerinnen später keinen Ehemann finden, weil sie O-Beine bekommen oder weil ihnen zu große Muskeln wachsen.“ Ganz zu schweigen, dass konservative Eltern oft missbilligten, dass ihre Töchter in knappen Trikots und kurzen Hosen spielen oder dass Jungsmannschaften zeitgleich trainieren. „Manchmal erziehe ich die Eltern also gleich mit“, sagt Abd El Ruhman.

Schranken sollen Marxloher Sportvereinen gegen Müll helfenDoch die Rhenania-Kickerinnen würden durch den Fußball viel Selbstvertrauen gewinnen und angespornt werden, sich Ziele zu setzen, sie mit Disziplin zu erreichen – und sich später eine Karriere aufzubauen.

Aus hohen Niederlagen gegen bessere Jungs haben die Kickerinnen Ehrgeiz entwickelt

„Wir haben uns in der letzten Saison sehr gestärkt“, bestätigt die Mannschaftskapitänin Alina Marslani. Damals haben die Mädchen in der C-Jugend noch gegen Jungs gespielt – und diese waren meist stärker, schneller und haben auch besser gespielt. Doch selbst hohe Niederlagen haben die 15-Jährige und ihre Mannschaft als Lektion genommen und daraus Ehrgeiz entwickelt, besser zu werden als die Jungs – inklusive Gewichte stemmen in der Muckibude. „Unsere Messlatte ist hoch“, bestätigt Alina. Jetzt in der Kreisliga, wo sie altersbedingt nur noch gegen andere Mädels spielen dürfen, gelten sie dadurch als Aufstiegsfavoriten.

Auch bei Liebeskummer hilft die Mannschaftskapitänin

Siegen, siegen, siegen und letztlich in die Bezirksliga aufsteigen, das will die gesamte Mannschaft. Deshalb soll in der neuen Saison, die Ende Oktober beginnt, die Leistung im Vordergrund stehen. „Wir alle lieben unsere Sportart, so haben wir zusammengefunden“, sagt Alina. „Ich bin nicht nur der Kapitän auf dem Feld, die anderen vertrauen mir.“ Sie sind Freundinnen und so sprechen sie mit ihr nicht nur über Fußball, „auch über Liebeskummer und alles Mögliche“.

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Damit alle gut als Team funktionieren, müssen sie sich aber nicht nur vertrauen, sondern vor allem akzeptieren. „Wir heißen alle willkommen, egal welche Hautfarbe oder Haarfarbe sie haben. Wir haben Spaß und sind wie eine Familie“, sagt Mislina Köşger. Nur sollten Neulinge diesmal bitte keine Anfängerinnen sein, schränkt die 14-Jährige ein, sondern beim Leistungsniveau des Aufstiegsaspiranten mithalten können.

Regelmäßige Beschimpfungen und Vorurteile bei Spielen

Dass eine Migrantinnen-Fußballmannschaft selbst im bunten Duisburg noch immer eine Ausnahme ist, bekommen die Marxloher Spielerinnen jedoch regelmäßig bei Spielen in der Stadt und der Region zu spüren. Als Türkenmannschaft werden sie beschimpft, berichten Trainer und Spielerinnen, und gelten durch ihr körperbetontes Spiel als „südländische Heißsporne“.

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Ein Mädchen aus Ghana mit schwarzer Hautfarbe müsse aber die meisten Vorurteile ertragen und werde „besonders oft blöd angemacht“, bedauert Tarek Abd El Ruhman. Er beschreibt die Spielerin als groß mit athletischem Körperbau und starken Oberschenkeln. „Wenn sie zur Grätsche ansetzt, haben viele Angst.“

Wird aber eine Spielerin von Gegnern oder Zuschauern angegangen, stellen sich die anderen bewusst hinter sie, auch das stärkt den Mannschaftsgeist.

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Tatsächlich wollen die Rhenania-Mädels alle Beschimpfungen und Vorurteile abperlen lassen und alle Lügen strafen, die sie ihres Migrationshintergrunds wegen für Hitzköpfe halten, erzählt Trainertochter und Mitspielerin Ayesha Abd El Ruhman. Ärgerlich seien die Vorurteile natürlich trotzdem, räumt die 13-Jährige ein.

Die gemeinsame Leidenschaft überwindet ganz nebenbei kulturelle Unterschiede

Doch am meisten trifft die Mädchen die Behauptung, sie könnten nicht richtig Fußball spielen, weil das ein Männersport sei. „Wer uns auf dem Platz sieht, der hat danach keine Vorurteile mehr“, betont Ayesha selbstbewusst. Denn Fußball ist ihre gemeinsame Leidenschaft, mit der sie ganz nebenbei kulturelle Unterschiede überwinden – und das sogar so erfolgreich, dass nun auch eine Fußballerin ohne Migrationshintergrund zur Mannschaft und zum Freundeskreis gehört.

>> SV RHENANIA HAMBORN BIETET VIELE INTEGRATIONSPROJEKTE AN

  • „Unser Verein war schon immer um Integration bemüht“, sagt der Vorsitzende Cafer Kaya. Seit 2003 ist der SV Rhenanina Hamborn ein Stützpunktverein für das Programm „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes.
  • Zudem sei seit 2007 die soziale Integration von Mädchen ein Schwerpunkt, woraus die „Kicking Girls“ hervorgingen, Arbeitsgemeinschaften an Grundschulen. Teilnehmerinnen bildeten vor Jahren die Mannschaft aus Migrantenmädchen.
  • Neben Sport als Triebfeder der Integration setzt der Verein, bei Jungen und Mädchen, auch auf schulische Leistung und bietet seinen Mitgliedern daher auch Hausaufgabenhilfe an.
  • Weitere Informationen auf www.rhenania-hamborn.de/