Duisburg-Hamborn. . Im Mädchenzentrum Mabilda finden Mädchen und junge Frauen Hilfe und Unterstützung bei Alltagsproblemen – aber auch in extremen Lebenssituationen.

Fünf Mädchen schauen am Computer gemeinsam ein Musikvideo – eine von ihnen kommt aus dem Irak, eine ist Deutsche, eine Türkin ist auch dabei, eine Kubanerin und ein Roma-Mädchen. Sie alle schwärmen für Teeniestar Violetta, die auf Spanisch singt. Es ist das Roma-Mädchen, das für die anderen die Texte übersetzt, sie spricht mehrere Sprachen. „Nicht unüblich bei den Roma“, erklärt Petra Kurek.

Die Mitarbeiterin des Mädchentreffs Mabilda in Hamborn könnte viel erzählen: einige kleine und viele große Dramen, Geschichten von zwangsverheirateten Mädchen, von vergewaltigten Mädchen, von geflüchteten Mädchen. Doch sie schildert die Szene vor dem PC. Denn sie illustriert, „wie viel Energie, Wissen und Potenzial sich zeigt, wenn jedes einzelne Mädchen mit seinen Fähigkeiten mal zum Zuge kommen kann“.

Ein Jahr voller neuer Herausforderungen

Um Missverständnissen vorzubeugen: Petra Kurek ist keine Frau, die romantisieren, die schwierige Zustände schönreden möchte: „Es ist natürlich nicht alles weich wie Butter, es hakt und knirscht, aber es funktioniert eben auch einiges. Ich wünschte, das könnten andere auch sehen.“

Wer Petra Kurek und ihrer Kollegin Hatice Güler eine Zeit lang zuhört, in ihre offenen Gesichter schaut, darin so viel Herzlichkeit und Zufriedenheit entdeckt, trotz der ganzen Arbeit, der vielen Probleme, mit denen sie tagtäglich zu tun haben – der kann sich vorstellen, wie und warum Mabilda funktioniert. Und wer dann vor die Tür des kleinen Raumes tritt, in dem auch der besagte Computer steht, wer kleine Mädchen draußen toben sieht, andere bei den Hausaufgaben sitzend, und beobachtet, wie ein älteres Mädchen freudestrahlend von der Eins in der Schule berichtet und Hatice Güler um den Hals fällt – der sieht, wie und warum Mabilda funktioniert.

Das vergangene Jahr hat natürlich auch dem Mabilda-Treff neue Aufgaben und große Herausforderungen gebracht, Stichwort „Flüchtlingskrise“. Während sich die öffentliche Debatte auf das Thema „unbegleitete männliche Flüchtlinge“ stürzte, während „einiges aus dem Ruder lief, was Meinungsbildung und Realitätswahrnehmung angeht“, wie Petra Kurek es formuliert, saßen im Mädchenzentrum junge Frauen, die allein geflohen waren. Auf der Flucht vergewaltigt, zur Prostitution gezwungen – und nun schwanger und auf sich gestellt.

Praktische Unterstützung für junge Flüchtlingsfrauen

Für sie organisierten die Mabilda-Mitarbeiterinnen praktische Unterstützung, fanden eine Krankenschwester, die ehrenamtlich hilft, suchten alternative Wohnmöglichkeiten, weil „das Leben in den Heimen für die Frauen kein Zuckerschlecken ist“. Außerdem kümmerten sie sich um Sprachkurse, Sport- und Gesundheitsangebote und starteten Bastelaktionen mit Flüchtlingskindern. Trotz der „unvorstellbaren Lebensgeschichten“, die sie dabei kennenlernten, ist es ihnen wichtig, „nicht das Drama in den Vordergrund zu stellen – denn hinter jeder Flucht steckt Energie, Kraft und Mut.“

Die Flüchtlingssituation habe ihre Arbeit im vergangenen Jahr stark beeinflusst, sagt Hatice Güler – hinsichtlich der neuen Besucherinnen und der Netzwerkarbeit. Gleichzeitig bemühten sie sich, den Standard für die anderen Mädchen und Frauen zu erhalten, „damit nicht der Eindruck entsteht, eine sei wichtiger als die andere“.

Letztlich scheint es ihnen zu gelingen, die vielen verschiedenen Nationen, Geschichten, Wünsche und Bedürfnisse unter einen Hut, oder besser: unter ein Dach, zu bekommen. Und vielleicht hat Petra Kurek Recht, wenn sie sagt: „Was hier im Kleinen passiert, könnte doch auch im Großen gelingen.“

>>> VERTRAUEN UND ENGE BINDUNGEN


Mit ihrem Stadtteiltreff sind sie bei Mabilda so nah dran wie kaum jemand, an den Schicksalen, Problemen und Sorgen junger Mädchen und Frauen aus dem Duisburger Norden.

Sie bieten vor allem Verlässlichkeit: Hausaufgabenhilfe und ein warmes Mittagessen, Freizeitangebote für möglichst viele Altersgruppen, und das „Frauenfrühstück“. Daneben führen sie Schulprojekte für Mädchen aller Schulformen durch – beispielsweise zu Selbstbehauptung, Cybermobbing und Lebensplanung – und beraten in Konfliktsituationen, auch beim Thema Zwangsheirat.

Die Zusammenarbeit mit der Jungenhilfe hat ebenfalls einen hohen Stellenwert. „Es bedarf des Blickes auf beide Gruppen, wenn wir Geschlechterdemokratie wollen“, sagt Petra Kurek. Das Ziel der Mabilda-Mitarbeiterinnen: „Uns ist wichtig, dass die Mädchen und Frauen hier schöne Situationen erleben, in denen sie sich entspannen können. Was immer geht: Musik und Tanzen. Wir bekommen hier auch regelmäßig etwas vorgesungen“. So entstünden mit der Zeit enge Bindungen. Manchmal kommen Frauen nach Jahren zurück, erzählen von ihrem Lebensweg, davon, was sie geschafft haben. Einige sind sehr früh Mutter geworden, andere haben einen hohen Bildungsstand erreicht. „Jede trifft für sich ihre Entscheidungen – das bewerten wir nicht“, sagt Petra Kurek.

Auch Religion wird im Mädchenzentrum eher als Tradition betrachtet und gelebt: Jede dürfe beten und ihre Religion ausüben, so lange sie nicht versuche, andere zu beeinflussen oder zu bekehren. Zu dieser Art der Religionsfreiheit gehört, dass im Mabilda alle religiösen Feste gefeiert werden – von Ostern bis hin zum Zuckerfest

>>> BERATUNG UND FREIZEITANGEBOTE


Das Mädchenzentrum Mabilda, Kalthoffstraße 73, bietet für Mädchen von 6-18 Jahren unter der Woche ab 12.30 Uhr ein warmes Mittagessen an, sowie Hausaufgabenhilfe von 14 bis 15.30 Uhr.

Zudem gibt es Beratung bei Problemen in Schule, Familie oder Freundeskreis, aber auch bei drohender Zwangsheirat.

Öffnungszeiten: Mo bis Do 9 bis 18 Uhr, Fr 9 bis 14 Uhr. Frauenfrühstück: Fr 9.30 bis 12 Uhr. Weitere Infos und Freizeitangebote: mabilda-duisburg.de