Duisburg. Der Duisburger Burak Yılmaz ist überregional für sein Engagement gegen Antisemitismus bekannt. In seinem ersten Buch erzählt er seine Geschichte.

Seit rund zwölf Jahren engagiert sich der Duisburger Pädagoge Burak Yılmaz gegen Antisemitismus und Rassismus, ist dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden und unlängst mit der Mercator-Ehrennadel. In seinem bundesweit beachteten ersten Buch „Ehrensache – Kämpfen gegen Judenhass“ berichtet er über seine eigenen Erfahrungen aus dem Duisburger Norden und wie es dazu kam, dass er mit muslimischen Jugendlichen Gedenkstättenfahrten ins Vernichtungslager Auschwitz unternahm.

„Wir müssen Rassismus und Antisemitismus als ganze Gesellschaft bekämpfen“, sagt der 34-Jährige im Gespräch mit der Redaktion. Aus seiner langjährigen Arbeit als freiberuflicher Pädagoge wisse er, dass beide Phänomene zusammenwirken und „in ihrer Wirkmächtigkeit unsere Demokratie bedrohen“. Diesen Standpunkt macht er auch in seinem Buch deutlich.

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Darin erzählt er seine eigene private und berufliche Geschichte, vom Aufwachsen in einer türkisch-kurdischen Familie in Obermarxloh der 90er Jahre über die Schulzeit als einziger Moslem im katholischen Abtei-Gymnasium bis zu seiner Fassungslosigkeit nach dem rechtsradikalen Anschlag von Hanau 2020.

Duisburger Buchautor kämpft gegen Judenhass und Rassismus

Judenhass hat er demnach erstmals als Jugendlicher in der Koranschule kennengelernt, später auch in alteingesessenen Duisburger Familien. Den Beginn seines Engagements bildet jedoch 2009 ein Schlüsselerlebnis als Mitarbeiter im Neumühler Jugendzentrum Einstein: Muslimische Jugendliche, aufgepeitscht von einer Anti-Israel-Demonstration, provozieren mit dem Hitlergruß. Nach ihrem schnellen Rausschmiss rufen sie Yılmaz zu: „Wir sind Antisemiten. Daran kannst du nichts ändern.“ Das will er nicht hinnehmen – und sein Sachbuch ist ein Baustein, mit dem er diese Jugendlichen nachhaltig widerlegen will.

Als Abschluss eines Antirassismus-Projekts an der Leibniz-Gesamtschule in Duisburg-Hamborn las Burak Yılmaz Jugendlichen im vergangenen Dezember aus seinem Buch vor.
Als Abschluss eines Antirassismus-Projekts an der Leibniz-Gesamtschule in Duisburg-Hamborn las Burak Yılmaz Jugendlichen im vergangenen Dezember aus seinem Buch vor. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Der Duisburger zeichnet ein facettenreiches Bild seiner Heimatstadt und seiner pädagogischen Arbeit, schildert auf 229 Seiten und in neun Kapiteln viel Alltagsrassismus und die Frustration darüber. Dass Angehörige seiner Generation, die Enkel türkischer Gastarbeiter, automatisch nur Empfehlungen für die Hauptschule erhielten oder dass sie trotz deutschem Pass weder Mietwohnungen noch Jobs bekamen.

Deutscher, Kurde oder Türke? „Ich bin Duisburger“

Mit seinem bundesweit beachteten ersten Buch hat sich der Duisburger Autor Burak Yılmaz einen Traum erfüllt.
Mit seinem bundesweit beachteten ersten Buch hat sich der Duisburger Autor Burak Yılmaz einen Traum erfüllt. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

So ist auch die Identitätsfrage zentral für seine Lebensgeschichte. Ist er Deutscher, Kurde oder Türke? „Ich bin Duisburger, und Duisburger haben mich geprägt“, sagt Burak Yılmaz jetzt in einer Bäckerei am Hamborner Altmarkt, wo er in seiner Jugend viel Zeit verbrachte, und erinnert sich an das Gefühlschaos, dass er empfand, als er 2012 erstmals mit muslimischen Jugendlichen nach Auschwitz fuhr. Dort, in der Gedenkstätte, wurden sie ganz selbstverständlich als Deutsche wahrgenommen, während ihnen das in Duisburg immer abgesprochen wurde, weil sie palästinensische, arabische oder türkische Wurzeln hatten.

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Zudem seien die Teilnehmer allein aufgrund dieser Bildungsfahrt von ihren Familien oder der muslimischen Community als Verräter und Zionisten beschimpft worden. Nicht zuletzt deshalb fordert er, in den Schulen viel mehr über Antisemitismus aufzuklären und Biografie-Arbeit zu betreiben. Er möchte Familiengeschichten als Ressource verstehen und lokale Auseinandersetzung mit der NS-Zeit zu einem Kernelements des Unterrichts machen.

Deutsche Erinnerungskultur erweitern

Dabei dürfe man aber nicht die Perspektive migrantischer Familien vergessen, weshalb der Obermarxloher eine Erweiterung der deutschen Erinnerungskultur für nötig hält. Natürlich haben Duisburgerinnen und Duisburger mit Migrationsgeschichte meist keinen Großvater, der SS-Offizier oder NSDAP-Mitglied war, aber auch ihnen will Yılmaz Zugänge schaffen und ermöglichen, die Erinnerungskultur aktiv mitzugestalten. Denn nur so fühle man sich von ihr angesprochen. Diesen Ansatz setzte er etwa mit einem Projekt um, bei dem muslimische Jugendliche auf Spurensuche jüdischer Geschichte in Marxloh gingen.

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Er sieht jedoch auch Museen, Stadtarchive sowie Bildungs- und Kultureinrichtungen in Duisburg und in anderen deutschen Städten in der Pflicht – auch über die Erinnerung an den Holocaust hinaus. „Warum tauchen die Gastarbeiter in unserer Stadtgeschichte nicht auf? Wir müssen migrantische Geschichten strukturell verankern“, so Yılmaz.

Ohnehin sind für ihn Bildung und Teilhabe die Basis für den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus, ob in Duisburg und oder international. Er wünscht sich ein Zusammenleben auf Augenhöhe „unabhängig von Herkunft, Klasse und Geschlecht“, in dem die Trennlinie nicht länger zwischen Mehrheit und Minderheit verläuft, zwischen Duisburgern mit und ohne Migrationshintergrund, sondern zwischen Demokraten und Antidemokraten. „Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das in Zukunft möglich ist“, und genauso hoffnungsvoll endet sein Buch – nicht jedoch sein Engagement.

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● Burak Yılmaz, „Ehrensache – Kämpfen gegen Judenhass“, Broschiert, Suhrkamp-Verlag, 229 Seiten, ISBN: 978-3-518-47171-5; 16,95 Euro.

● Derzeit ist Burak Yılmaz auf Lesetournee in Norddeutschland, plant aber noch weitere Termine und möchte sein Buch gerne erneut in Duisburg vorstellen. Terminanfragen sind willkommen über seine Webseite www.burak-yilmaz.de. Dort finden sich auch Informationen zu seinen weiteren Projekten.