Duisburg-Marxloh. Das Marxloher Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium ist nun „Schule ohne Rassismus“. Warum das für Schüler und Lehrer eine wichtige Selbstverpflichtung ist.
Viele Jugendliche aus Marxloh haben bereits in ihrem Alltag Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus gemacht. Auf die rund 800 Schülerinnen und Schüler des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums treffe das definitiv zu, wie Schulleiter Holger Rinn erzählt. „Das passiert ihnen außerhalb der Schule, außerhalb von Marxloh alltäglich“, so Rinn weiter. Nicht zuletzt, weil gut 90 Prozent von ihnen einen Migrationshintergrund haben.
Daher habe sich an dem Gymnasium die Integration als immer stärkere Herausforderung herauskristallisiert, sei aber bislang gut gemeistert worden. Jetzt rückt sie noch stärker in den Fokus, denn das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium ist neuerdings eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Der offizielle Beitritt zu diesem Netzwerk ist jetzt mit einem öffentlichen Festakt in der Aula gefeiert worden.
Marxloher Gymnasium will verstärkt rassistische Strukturen aufdecken und bekämpfen
„Es gibt keine rassismusfreien Räume in unserer Gesellschaft, denn er ist systemisch verankert“, will Lehrerin Aynur Bayrak-Kücük den Namen des Netzwerks und die Aufschrift auf dem künftigen Schild am Gebäude nicht missverstanden wissen. Vielmehr sei die neue Mitgliedschaft Ausdruck dafür, dass man eine „rassismuskritische Schule“ sein wolle mit aktiven, engagierten Antirassisten, die „noch bessere Vorbilder“ werden wollen.
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Eine Selbstverpflichtung, noch couragierter gegen Diskriminierung vorzugehen, sieht auch Schülersprecherin Sila Ergün, die wie alle ihre Mitschüler darum weiß, wie sehr „rassistische Aussagen und Taten verletzen“. Sie ist überzeugt davon, dass die verschiedenen Kulturen, die in Duisburg, in Marxloh und am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium aufeinandertreffen, eine Bereicherung sind und die Konflikte, die dieses Zusammenleben birgt, erfolgreich überwunden werden können, „wenn wir weiter zusammenhalten“.
Die Duisburger Journalistin Asli Sevindim mahnt Unvoreingenommenheit an
Damit meint sich jedoch nicht nur die Schulgemeinschaft, sondern auch deren breites Netzwerk im Stadtbezirk, zu dem etwa das Mädchenzentrum Mabilda zählt, das Jugend- und Kulturzentrum Kiebitz oder den Verein Jungs e.V. Die ehemalige Elly-Schülerin Asli Sevindim, die als Journalistin bekannt wurde und derzeit Abteilungsleiterin im Landesintegrationsministerium ist, begleitet jetzt ihre frühere Schule als Patin im Kampf gegen Rassismus. „Dieses Land gibt uns allen ein Versprechen: Du kannst so sein, wie du willst.“ Ungeachtet der Herkunft, Religion oder wen man liebt. Doch Rassismus bedrohe dieses große Versprechen und zerstöre die Gesellschaft.
Daher ermutigte sie die Schülerinnen und Schüler, sichtbar und laut zu sein, alles andere sei „nicht akzeptabel“. Denn die Jugendlichen seien „heute die Gesichter dieser Schule“ und würden feststellen, dass ihnen „ganz viele Menschen zuhören“, wenn sie über Rassismuserfahrungen sprechen. Zudem mahnt Sevindim Unvoreingenommenheit an, insbesondere wenn man nicht weiß, wie es ist, mit schwarzer Haut oder mit Kippa durch Duisburgs Straßen zu gehen oder in der Straßenbahn mit Kopftuch zu sitzen. Zumal oft Wort gegen Wort stehe, wenn Betroffene sich gegen Rassismus wehren wollen.
Doch die neue Schulpatin Asli Sevindim macht sich keine Sorgen wegen der Jugendlichen an ihrem Gymnasium, sieht sie doch dort und in Marxloh viele „Kampfgenossen“ gegen Rassismus.
„Schule ohne Rassismus“ soll in Marxloh engagiert gelebt werden
Schulleiter Holger Rinn blickt ebenso zuversichtlich in die Zukunft und spricht voller Stolz über seine Schüler und Lehrer, die bereits „mit viel Wärme und Verständnis miteinander umgehen“. Ohnehin lebe die Schulgemeinschaft bereits viel von dem vor, was eine „Schule ohne Rassismus“ fördern soll. „Gewaltsame Auseinandersetzungen haben wir nicht“, betont er, doch es gebe auch stille Konflikte, wenn etwa ein Mädchen nicht zu einer Party eingeladen wird, weil es eine andere Religion hat.
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„Wir müssen die Strukturen von Rassismus aufdecken“, gibt Rinn als Ziel vor. Dieser Prozess, der vor allem im Unterricht („unserem Kerngeschäft“) geschehen soll, werde spannend, laufe aber sicher nicht ohne Schwierigkeiten und kritische Diskussionen. Auch Aktionstage wird es künftig geben, an denen die gesamte Schulgemeinschaft beteiligt wird. Eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu sein, soll in Marxloh weit mehr bedeuten, als ein entsprechendes Schild am Gebäude hängen zu haben.
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Dass dies am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium tatsächlich so sein wird, machen neben engagierten Schülern, Lehrern und Eltern auch viele Mitstreiter aus dem Stadtbezirk glaubhaft, die alle zum Festakt in die Aula gekommen sind und sich dem Kampf gegen Diskriminierung verschrieben haben.
>> DREI JAHRE GEWARTET AUF DEN TITEL „SCHULE OHNE RASSISMUS“
● Drei Jahre lang dauerte es, bis das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium seit dem Antrag dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ beitrat. Schuld ist die Corona-Pandemie, die eine öffentliche Feier verhinderte.
● Dass es Strukturen gibt, die Rassismus befördern und bekämpft werden müssen, ist laut Rinn „in Duisburg-Marxloh nicht anders als in Essen-Bredeney“.
● Grußworte gehalten haben beim Festakt auch die Antisemitismusbeauftragte von NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und Bürgermeister Volker Mosblech. Den Titel verliehen hat Julia Rombeck vom Kommunalen Integrationszentrum Duisburg.
● Ein Film und ein Kabarettstück machten verschiedene Formen von Rassismus und seine Auswirkungen auf Betroffene deutlich.