Duisburg-Walsum. Bei einer Razzia der Stadt Duisburg soll eine illegale Sexparty gesprengt worden sein. Um ihre Kneipe zu retten, spricht jetzt die Beschuldigte.

Die Brunnenstube in Walsum ist seit rund einem Monat dicht. Ein Siegel verklebt das Türschloss, seitdem die Stadt Duisburg dort eine Razzia durchführte. Sie will damit eine illegale Gruppensex-Veranstaltung beendet haben. Die Prostituierte Natalie Schäfer, die die Gaststätte an der Friedrich-Ebert-Straße seit diesem Frühjahr mit ihrem Lebensgefährten führt, sieht sich zu Unrecht beschuldigt.

Die Geschichte der Sexparty erzählt sie ganz anders als die Stadtverwaltung. „In unserer Kneipe gab es keine Sexparty, es ist gar nichts passiert“, betont Natalie Schäfer, die eigentlich anders heißt, aber ihren echten Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Sie schildert die Ereignisse am Sonntagnachmittag, 22. August, dem Tag der Razzia, so: Tatsächlich hat sie als angemeldete Prostituierte auf einer einschlägigen Webseite im branchentypischen Jargon eine Veranstaltung in Duisburg mit Gruppensex annonciert und dort für Interessenten die Nummer ihres Diensthandys hinterlegt.

Seit der Razzia des Ordnungsamts ist die Walsumer Brunnenstube von der Stadt Duisburg versiegelt. Nach Einbrüchen wurde das Siegel erneuert.
Seit der Razzia des Ordnungsamts ist die Walsumer Brunnenstube von der Stadt Duisburg versiegelt. Nach Einbrüchen wurde das Siegel erneuert. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Für Gruppensex meldet sich auch inkognito ein Mitarbeiter des Ordnungsamts

Gemeldet hätten sich fünf Männer, mit denen die 32-Jährige demnach in ihren Geschäftsräumen an der Schulstraße gewerblichen Geschlechtsverkehr haben wollte. Doch es zeichnete sich ab, dass nicht alle Freier pünktlich sein würden. Dass sich die Männer vielleicht einzeln in dem Haus zum Gruppensex durchfragten, habe sie verhindern wollen und ihnen daher vorgeschlagen, sich zunächst in der nahe gelegenen Brunnenstube zu treffen.

Die Kneipe hatte neuerdings sonntags Ruhetag. Eine Mitarbeiterin putzte dort, schenkte aber den Männern schließlich Getränke aus, weil sie nicht nur als Putzfrau, sondern auch als Kellnerin angestellt ist.

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Als der fünfte Freier die Brunnenstube erreichte, habe das Ordnungsamt umgehend mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Razzia begonnen. Denn der mutmaßlich letzte Interessent am Gruppensex war aus dem Rathaus und ermittelte inkognito. „Die Kneipe war nur unser Treffpunkt, um dann zu meinen Geschäftsräumen weiterzugehen“, betont Natalie Schäfer, doch die städtischen Mitarbeiter hätten darauf bestanden, eine illegale Sexparty vorgefunden und beendet zu haben.

Die Beschuldigte legt Kameraaufnahmen zur Entlastung vor

Davon könne jedoch gar keine Rede sein, versichert die Walsumerin, die sich zu Unrecht „wie eine Kriminelle“ behandelt fühlt. „Es gab keine Gangbang-Party. Niemand wurde mit heruntergelassenen Hosen erwischt. Ich war nicht nackt, auch die Männer waren alle angezogen.“ Nicht einmal Liebkosungen habe es gegeben – das zeigen Aufnahmen einer Überwachungskamera, die dieser Redaktion vorliegen. Ohnehin wäre der Geschlechtsverkehr, so Schäfer, erst später an der Schulstraße passiert.

Dieses Filmmaterial belegt außerdem, dass die Razzia völlig ruhig und höflich ablief. Seither ist die Eingangstür zur Gaststätte versiegelt. Da ein Freier nur einen abgelaufenen Corona-Test vorzeigen konnte und auch die Kellnerin keinen gültigen 3G-Nachweis dabei hatte, drohen den beiden nun Bußgelder.

Die Stadt droht wegen „erheblicher Verstöße“ mit einer Strafe bis zu 10.000 Euro

Schlimmer könnten die Konsequenzen aber für Natalie Schäfer werden. Die Stadt Duisburg legt ihr nicht nur „erhebliche Verstöße“ gegen die Corona-Schutzverordnung, sondern auch gegen das Prostituiertenschutzgesetz zur Last. Zudem prüft sie aktuell, ob sie Schäfers Lebensgefährten die Gaststättenkonzession entziehen kann. Das Paar müsse „aufgrund der verschiedenen Verstöße“, heißt es aus dem Rathaus weiter, mit einer Strafe bis zu 10.000 Euro rechnen.

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Nicht nur beruflich, auch privat spürt die junge Frau aus Aldenrade jedoch die Auswirkungen der Razzia, seitdem die Stadt die Öffentlichkeit über die mutmaßliche Sexparty informierte. So habe sie jetzt in zahlreichen Gaststätten, Kneipen und Restaurants in ihrer Nachbarschaft Hausverbot, werde nicht mehr von Nachbarn gegrüßt und im Internet wüst beschimpft.

„Ich habe mich ein paar Tage nicht mehr aus dem Haus getraut“, sagte sie und ist froh, dass ihre beiden Kinder im Teenageralter nicht auch so behandelt oder beleidigt werden. Inzwischen, circa einen Monat später, normalisiere sich die Situation immerhin allmählich. Doch die Version des Ordnungsamts, sie habe in ihrer Kneipe zum Gruppensex eingeladen, verfestige sich. Deshalb hat sie sich an diese Redaktion gewandt, damit ihre Schilderung derjenigen aus dem Rathaus entgegengesetzt werden kann.

Die Stadt Duisburg sieht den Vorwurf der verbotenen Sexparty als erwiesen an

Die Verwaltung sieht es jedoch als erwiesen an, dass das Ordnungsamt eine verbotene Sexparty in der Brunnenstube beendet habe. „Es handelte sich zweifelsfrei um eine illegale Prostitutionsveranstaltung, da die Gaststätte mit eindeutigen Utensilien bestückt war“, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels.

Tatsächlich steht ein Bett im Hinterzimmer, dem Büro, bestätigt Natalie Schäfer. Sie und ihr Lebenspartner würden darin ab und an nach anstrengenden Kneipenschichten übernachten. In dem Hinterzimmer habe das Amt auch Kondome, Gleitgel und Taschentücher aus einem Schrank hervorgekramt. Das alles seien aber Privatbestände, beteuert die 32-Jährige.

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Unabhängig davon sei die Veranstaltung in jedem Fall rechtswidrig gewesen, führt Hiedels weiter aus. So müssten Prostitutionsveranstaltungen nach dem Gesetz (§20 ProstSchG) grundsätzlich vier Wochen vorher bei den Behörden angemeldet sein. „Eine entsprechende Anzeige ist nicht erfolgt“, so der Stadtsprecher. Zudem sei aktuell eine Gruppensex-Party verboten und „daher generell nicht genehmigungsfähig“.

Ein Anwalt soll jetzt die Brunnenstube retten

Inzwischen hat Natalie Schäfer einen Anwalt eingeschaltet, weil sie sich gegen die Vorwürfe aus dem Rathaus weiter wehren möchte. Ein Gericht wird wohl darüber entscheiden müssen, ob tatsächlich eine illegale Sexparty stattgefunden hat und ob die Kneipe zurecht vom Ordnungsamt versiegelt wurde.

„Das Wichtigste für mich ist jetzt die Brunnenstube. Damit habe ich mir mit meinem Freund einen Traum erfüllt“, sagt die junge Frau. Die Mieten für die Gaststätte sind weiterhin fällig. „Meine Kneipe gebe ich um nichts in der Welt auf.“ Zumindest nicht kampflos.

Hauptberuflich will sie weiterhin als angemeldete Prostituierte arbeiten, habe allerdings jetzt ihre Geschäftsräume gewechselt. Ihre Stammkunden halten ihr die Treue, „aber ich biete erstmal keine Gangbang-Partys mehr an, das soll mir alles eine große Lehre sein“.

>> POLIZEI DUISBURG ERMITTELT NACH ZWEI EINBRÜCHEN IN DIE BRUNNENSTUBE

● Seitdem die Brunnenstube von der Stadt Duisburg versiegelt wurde, ist in die Gaststätte an der Friedrich-Ebert-Straße noch im August bereits zweimal eingebrochen worden. Derzeit laufen noch die Ermittlungen, wie Polizeisprecherin Julia Schindler bestätigt.

Aufnahmen eines der Einbrüche zeigen zwei vermummte Täter. „Die müssen sich dort sehr, sehr gut ausgekannt haben“, sagt Betreiberin Natalie Schäfer. Sie haben unter anderem versucht, die beiden Glücksspielautomaten aufzubrechen.