Duisburg. Für Rotlichtviertel in Duisburg sind weiterhin die Lichter aus. Sexkauf verschwindet in der Illegalität. Verstöße in Duisburg nehmen deutlich zu.
Für die Rotlichtviertel in Duisburg sind nach wie vor die Lichter aus: Für Prostituierte gilt ein coronabedingtes Berufsverbot. Während körpernahe Dienstleistungen, etwa Friseure und Masseure, wieder öffnen dürfen, gibt es für die Sex-Branche bisher keine Perspektive für eine Öffnung. Stattdessen rutscht Sexkauf in die Illegalität.
Einen Zug hat der Neumühler Bahnhof schon lange nicht gesehen. Seit 1987 sind die Gleise stillgelegt. Stattdessen ist das alte Bahnhofsgebäude Schauplatz für Erotik, denn seit einem Vierteljahrhundert residiert in dem historischen Backsteingemäuer der alte bizarre Bahnhof (ABB). Ein Schauplatz für die Welt der fesselnden Erotik, der Dominanz und Unterwürfigkeit. Doch seit Corona bleiben Lustträume unerfüllt und – für den Bahnhof ein Déjà-vu – ist der Verkehr eingestellt.
rostitution in Duisburg: Alter bizarrer Bahnhof in Duisburg plant gerichtliches Eilverfahren
„Wir haben keine Einnahmen und leben von Ersparnissen“, sagt Master André, der das Marketing beim ABB leitet. Er ist auch Sexarbeiter und das männliche Gegenstück zu einer Domina. Regelmäßig mietet er eines der dutzenden Themenzimmer im Bahnhof, die an Prostituierte vermietet werden. Atmosphärisch pendeln die Räume dabei zwischen Sinnlichkeit und knallharter Bestrafung.
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Die Betreiber des ABB wollen nun gerichtlich in einem Eilverfahren gegen die Corona-Verordnung des Landes NRW vorgehen, um sexuelle Dienstleistungen im Bereich Domina ohne Geschlechtsverkehr wieder anbieten zu können. Das Verwaltungsgericht in Berlin hatte einem ähnlichen Antrag stattgegeben.
Prekäre Situation für Sexarbeiterinnen
Die Situation bedrückt vor allem Sexarbeiterinnen, die am Dienstag zahlreich nach Duisburg gekommen sind. Nicht, um zu arbeiten: Sie erheben ihre Stimmen gegen das Berufsverbot und die für sie prekäre Situation.
So wie Bibi Drall. „Ich lebe von Ersparnissen und bekomme Arbeitslosengeld.“ Sie sitzt in einem Zimmer, das komplett mit Spiegeln bedeckt ist, die ihre Rundungen von allen Seiten zeigen. Seit 15 Jahren arbeitet sie in der Branche, hat sich nach einer Pflegeausbildung nach eigener Aussage bewusst für die Sexarbeit entschieden. Nun wird ihr die Lebensgrundlage genommen.
In einem anderen Raum mit unzähligen Perücken und High Heels für Rollenspiele wartet die 23 Jahre alte Escort-Dame Lou Violenzia. Vor Corona hat sie Haus- und Hotelbesuche gemacht. Trotz Krisenzeit und Arbeitsverbot wird von Stammkunden Kontakt gesucht, den sie aber ablehne. Stattdessen verkauft sie eigene Bilder und Videos. „Ich bekomme zum Glück auch Unterhalt von meinen Eltern“, sagt sie über ihre finanzielle Situation.
Grenzüberschreitungen aus der Not heraus – Weg in die Illegalität
Dass Kollegen aus der Not heraus und trotz Verbot arbeiten, ist für die beiden Sexarbeiterinnen nachvollziehbar. „Um den Kühlschrank zu füllen und nicht auf der Straße zu landen“, sagt Bibi Drall. Dass sich die Situation nach vier Monaten zugespitzt hat, weiß auch Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD). „Viele arbeiten, weil sie müssen.“ Das Verbot dränge sie aber nun in die Illegalität.
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In Duisburg belegen Zahlen, dass es weiterhin bezahlten Sex in der Stadt gibt. Waren es bis Anfang Mai lediglich vier Fälle illegal weitergeführter Prostitution, die das Ordnungsamt festgestellt hatte, stieg die Zahl bis Ende Juli deutlich auf circa 25 Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung an. „Das Prostitutionsgewerbe scheint sich illegal in Wohnungen zu verlagern“, teilt ein Sprecher der Stadt mit.
Prostitution in Duisburg: Kontakt per Internet
Kontakt zu Prostituierten bekommen Männer etwa über Anzeigenportale im Internet. Dort werden diskret Sex-Dienstleistungen gegen Geld angeboten. Alleine am Montag waren auf einer Plattform, zwischen ausrangierten Möbeln und Kleidung, 53 Kontaktanzeigen aus Duisburg aktiv. Werden die Frauen erwischt, droht ihnen aufgrund des Berufsverbotes laut Stadt ein Bußgeld in Höhe von 5000 Euro.
Mit jedem Verbotstag werden illegale Strukturen stärker etabliert, so Weber. „Wir waren als Branche auf einem guten Weg, Strukturen zu schaffen, die gute Bedingungen bieten.“ Das werde nun wieder umgekehrt. So werden etwa ungewollte Zuhälterstrukturen bei der Vermittlung gestärkt.
Schwingt bei Verbot moralische Bewertung der Politik mit?
Auch um ein Abrutschen in die Illegalität zu verhindern, hatte der Berufsverband frühzeitig ein Hygienekonzept erstellt. Dieses umfasst Regelungen für Arbeiten in Terminwohnungen oder auf dem Straßenstrich. So sollen etwa durchgängig Mund-Nase-Bedeckungen getragen – orale Praktiken sind tabu – und zwecks Rückverfolgung von Infektionsketten Kundendaten erfasst werden.
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Erhört wurde der Verband aber bisher nicht. Von Seiten der Politik werde, so kritisiert Weber, scheinbar nicht zugetraut, dass eine Branche, die maßgeblich für die Vermeidung von Geschlechtskrankheiten besonders mit Hygiene- und Schutzmaßnahmen vertraut ist, Corona-Regeln konsequent einzuhalten.
Weber glaubt auch, dass beim jetzigen Beharren der Politik auf das coronabedingte Verbot die moralische Bewertung der Sexarbeit mitschwingt. „Das hat nicht mehr nur mit Corona zu tun“, glaubt Weber, gerade weil Nachbarländer, etwa Niederlande oder Österreich, Sexarbeit wieder erlauben. Wie lange das Berufsverbot in NRW weiter besteht, ist unklar. Illegale Sexarbeit kann es aber scheinbar nicht verhindern.