Duisburg. Wegen hoher Inzidenz fielen in Duisburg zuletzt viele politische Sitzungen aus. Werden die Interessen der Bezirke noch ausreichend vertreten?

Was der Duisburger Rat in seiner Sitzung am Montag beschließt, wirkt weit in die Bezirke hinein: So enthält das Straßen- und Wegekonzept Baumaßnahmen im ganzen Stadtgebiet, der Kindergartenbedarfsplan regelt das Betreuungsangebot in den Ortsteilen. Üblicherweise können Bezirksvertreter zu solchen Themen vorher Stellung nehmen und ihre örtliche Expertise einbringen. Doch wegen hoher Inzidenzwerte fielen zuletzt viele Sitzungen aus.

Im Januar wurden alle sieben Bezirksvertretungen (BV) abgesagt, im März dann auch die verschobenen Sitzungen in Walsum, Hamborn und Rheinhausen. Zu hoch war den Bezirksbürgermeistern das Risiko, jeweils 17 Abgeordnete plus Ratsleute zusammenkommen zu lassen und obendrein die Öffentlichkeit einzuladen. Im Nordbezirk Walsum wird nun erstmals Kritik an dieser Vorgehensweise laut – die örtliche CDU bemängelt die aktuell praktizierte Entscheidungsfindung per Dringlichkeitsbeschluss.

Bezirksbürgermeister entscheiden, ob Sitzungen stattfinden

„Es müssen Beratungen über bezirksrelevante Dinge möglich sein, bevor diese endgültig entschieden werden“, teilt der Fraktionsvorsitzende Björn Pollmer mit. Gerade den Kindergartenbedarfsplan halten die Christdemokraten für nicht befriedigend für Walsum. Die Drucksache bringt eine neue Kita an der Römerstraße ins Spiel – „nach unserer Ansicht eignet sich diese jedoch nicht als Standort“, so Pollmer. Die Römerstraße sei mit dem Nahverkehr schlecht zu erreichen und eigne sich grundsätzlich eher für Wohnbebauung oder Gewerbe.

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Wenn die Bezirksvertretung dieses Thema öffentlich diskutiert – aktuell ist der 27. April als nächster BV-Termin vorgesehen – wird der Rat den Bedarfsplan bereits abgesegnet haben. „Uns ist klar, dass die Gesundheit aller gewährleistet werden muss“, betont Pollmer. Doch auf die praktischen Erfahrungen der Bezirkspolitiker dürfe nicht verzichtet werden.

Über das Stattfinden der Sitzungen entscheiden die Bezirksbürgermeister. „Es gibt Richtwerte, ab denen wir sie nur durchführen sollen, wenn unaufschiebbare Entscheidungen anstehen“, erklärt Walsums Ortsvorsteher Georg Salomon (SPD). Unaufschiebbare Entscheidungen können er und seine Kollegen in den übrigen Bezirken aber auch per Dringlichkeitsbeschluss treffen – im Duisburger Norden wurden zuletzt zum Beispiel Sanierungsmaßnahmen an Schulen so in die Wege geleitet.

Forderungen: Politische Sitzungen in Duisburg streamen

Einen Dringlichkeitsbeschluss unterschreibt auf Bezirksebene neben dem Bürgermeister ein Vertreter einer weiteren Fraktion – üblicherweise der zweitgrößten in der BV. In Walsum ist das die Fraktion von Junges Duisburg; die CDU, von der die jüngste Kritik ausgeht, ist dort also voll in der Opposition. Bürgermeister Salomon weist darauf hin, dass alle Fraktionen ihre Themen und damit die Belange des Bezirks weiterhin über Anfragen in die Verwaltung einbringen können: „Die werden ja trotzdem bearbeitet und dann schriftlich beantwortet.“

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Über Walsum und Duisburg hinaus ist seit der Pandemie der Ruf lauter geworden, politische Sitzungen per Video stattfinden zu lassen. Dabei setzt jedoch die Gemeindeordnung des Landes Grenzen. „Die Gemeindeordnung NRW lässt aufgrund des fehlenden Öffentlichkeitsgrundsatzes aktuell keine digitalen Gremiensitzungen zu“, erklärt die Stadt Duisburg auf Nachfrage.

So kommt es auf die Initiative Einzelner an. Eine Düsseldorfer Bezirksbürgermeisterin lud Anfang des Jahres nach dem Ausfall der BV-Sitzung erstmals zu einer interfraktionellen Videorunde ein. In diesem Rahmen konnten Baugenehmigungen und andere Bezirksangelegenheiten von allen Mitgliedern des Parlaments diskutiert werden.

Hohe Infektionszahlen: BV Walsum könnte Ende April erneut ausfallen

In Duisburg berief auch Hamborns Bezirksbürgermeisterin Martina Herrmann (SPD) zuletzt solche interfraktionellen Runden ein, ging dabei aber etwas anders vor: Die virtuellen Treffen fanden themenbezogen statt, eines etwa zur Drogenszene in Alt-Hamborn, ein weiteres zum geplanten Gesundheitszentrum in Röttgersbach. Auch Experten abseits der Politik nahmen teil; so ähnelten diese Konferenzen mehr einem „Runden Tisch“, als dass sie der Entscheidungsfindung dienten.

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Schon vor der Pandemie forderte Junges Duisburg, Gremiensitzungen wie in manch anderer Stadt per Video ins Netz zu übertragen. Das allein würde zwar nicht im Sinne der Gemeindeordnung den Öffentlichkeitsgrundsatz erfüllen, nach Ansicht des Wählerbündnisses aber die Transparenz der Politik erhöhen. Einen entsprechenden Antrag, zumindest Ratssitzungen zu streamen, lehnte jedoch zuletzt im Juni 2020 eine Mehrheit aus SPD und CDU ab – „ein Armutszeugnis für eine ,Smart City’“, bemängelte Junges Duisburg.

Ob die Walsumer BV-Sitzung am 27. April stattfindet, will Bürgermeister Georg Salomon jetzt noch nicht entscheiden. Angesichts der wieder deutlich gestiegenen Inzidenz (Walsum zuletzt 147,2; Gesamt-Duisburg über 200) sei er aber skeptisch, ob man das Risiko eingehen könne: „Eine herausragende Dringlichkeit sehe ich auf der Tagesordnung aktuell nicht.“

>>DUISBURGER GREMIEN MÜSSEN NACHTRÄGLICH GENEHMIGEN

• Dass die März-Sitzung der BV Walsum ausfiel, lag nicht allein an den Infektionszahlen. Der ursprüngliche Termin Mitte des Monats musste zunächst verschoben werden, weil am vorgesehenen Tagungsort – der Stadthalle Walsum – ein Schnelltestzentrum errichtet wurde. Die Sitzung sollte dann eine Woche später im Duisburger Rathaus in der Innenstadt durchgeführt werden. Weil dann aber die Inzidenz binnen weniger Tage stark anstieg, zog Georg Salomon – wie seine Kolleginnen in Hamborn und Rheinhausen – erneut die Notbremse.

• Fallen Sitzungen des Rates, der Ausschüsse oder der Bezirksvertretungen aus, müssen die in der Zwischenzeit erwirkten Dringlichkeitsbeschlüsse bei nächster Gelegenheit von der Mehrheit des jeweils zuständigen Gremiums genehmigt werden. Das geschieht meist nur noch fürs Protokoll, denn oft wurden dann bereits Bauaufträge vergeben oder vergleichbare Entscheidungen getroffen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.