Duisburg-Bruckhausen. Für die Aufforstung auf dem Friedhof Ostacker musste die Stadt Duisburg kämpfen. Der Wald erhöht die Lebensqualität, doch es gibt auch Kritik.
Ein neuer Wald entsteht gerade auf dem alten Friedhof Ostacker. Im Schatten des Hochofens und neben der A 42 hat die Stadt Duisburg seit Februar fast 21.000 Baumsetzlinge und Sträucher gepflanzt. Die Reihengräber auf dem einstigen Friedhofsgelände sind längst abgelaufen und eingeebnet, bestattet wird nur noch auf der anderen Seite des Ostackerwegs. Dieser Wald soll den Duisburger Norden grüner machen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Doch beinahe wäre es gar nicht dazu gekommen.
„Dafür habe ich hart gekämpft“, sagt Stadtförster Stefan Jeschke. Der Wald, der auf fast 42.000 Quadratmetern in Bruckhausen wächst, ist ein Ausgleich der Bundesrepublik für den Neubau der Rheinbrücke Neuenkamp und für den Kahlschlag durch den A 40-Ausbau zwischen Neuenkamp und Homberg. Die für die Autobahnarbeiten zuständige Deges GmbH wollte die Ersatzbäume eigentlich in der Gegend von Mönchengladbach pflanzen. Das jedoch haben Jeschke und die Stadtverwaltung mithilfe der Bezirksregierung in Düsseldorf verhindert und durften stattdessen das ehemalige Friedhofsgelände umwandeln.
Der neue Wald soll in den nächsten 200 Jahren dem Klimawandel trotzen
Das ist ein Projekt, bei dem Stefan Jeschke bis zu 200 Jahre in die Zukunft blickt, ein Großteil der nun gepflanzten Bäumchen soll so lange leben. Dafür muss der Wald am Ostackerweg natürlich auch zukunftsfähig sein. „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für die Menschheit“, ist der Förster überzeugt und setzt daher schon jahrelang auf Mischwälder statt auf Monokulturen. Für das Gelände in Bruckhausen hat er vor allem heimische Laubbaumarten eingekauft, die Trockenheit oder Schatten gut vertragen: Viele Traubeneichen sind darunter, Buchen und die weißblühende Vogelkirsche. Aber auch Wildäpfel und -beeren und die trockenresistente Schwarznuss, die ursprünglich aus Amerika stammt.
Obgleich auf dem früheren Friedhofsareal neben Mülleimern und Wasserbecken auch etliche Bäume entfernt wurden, ließ die Stadt gut zwei Drittel stehen, die teils als botanische Besonderheiten gelten – wie die chinesischen Urweltmammutbäume, die dort seit den Sechzigerjahren stehen. Bis die Setzlinge und neuen Sträucher groß und dicht gewachsen sind, werden zwar noch Jahrzehnte vergehen. Schon innerhalb von zwei, drei Jahren, sagt Förster Jeschke, könne man allerdings hautnah viele Veränderungen erleben. Wie es dann aussehen könnte, lasse sich etwa am 2017 gepflanzten Wald in Wehofen am Eickelkamp beobachten. Dort haben sich viele Insekten, Vögel und sogar ein Fuchs angesiedelt.
Die Bäume erhöhen die Lebensqualität und speichern viel Kohlendioxid
Doch auch die Menschen im Duisburger Norden sollen am Ostackerwald einen großen Nutzen haben, wie Stefan Jeschke erläutert: „Wald erhöht die Lebensqualität.“ Er strahle Ruhe aus, helfe den Menschen sich wohlzufühlen und sei unerlässlich für eine Stadt, die wachsen will. In jedem Fall sieht der Förster darin eine Aufwertung für den Stadtteil. Zumal es inmitten großgewachsener Bäume gut zwei oder drei Grad kälter ist als in einem urbanen Asphaltdschungel. Außerdem speichern sie Kohlendioxid, in einigen Jahrzehnten sollen es rund 80 Tonnen jährlich sein.
Google- Die bestbewerteten Ausflugsziele im Norden Duisburgs Zwar begrüßt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) diese Maßnahme, übt aber auch Kritik: „Wenn Bäume gefällt werden, können sie nicht einfach ersetzt werden“, sagt Dr. Johannes Meßer von der Duisburger Kreisgruppe und verweist auf den Kahlschlag für den A 40-Ausbau. Bis die Setzlinge am Ostacker etwa bei der CO2-Bilanz dieser Bäume aufschließen, müsse erst ein halbes Jahrhundert vergehen. „Wir sind keinen Meter weitergekommen, sondern immer noch im Minus“, resümiert daher der BUND-Fachmann. Mehr noch: „Wir haben sehr, sehr viele Waldflächen verloren, und jeden Winter verlieren wir mehr.“
Das Wäldchen lockt bereits Spaziergänger und Jogger
Indes freuen sich die Duisburger bereits über die zigtausenden Setzlinge und spazierten jüngst bei Frühlingswetter durch die neuentstehende Natur vor ihrer Haustür. Dabei ließen sie sich auch nicht davon abhalten, dass derzeit noch die Autobahn lauter ist als das Vogelgezwitscher und dass noch Bagger auf dem Gelände fahren. „Hier ist jetzt ein kleiner Ansturm“, freut sich Jeschke über Spaziergänger und Jogger aus den vergangenen Wochen. Dabei sind die Arbeiten wohl erst im Laufe des Monats abgeschlossen. Aktuell fehlen noch vereinzelt Verbissschutz und Zäune, damit keine Karnickel die Rinde der Bäumchen anfressen. Der Asphaltweg durchs Gelände soll auch noch ausgebessert und durch Sitzbänke ergänzt werden.
Für dieses Langzeitprojekt hat Stefan Jeschke aber noch viele Ideen. So will er im Herbst mit Anwohnern zusätzlich Esskastanie und Walnuss pflanzen und möchte künftig Waldführungen für Kinder anbieten, die dabei auch seltene Baumarten wie den Speierling bestaunen können. „Das wird ganz spannend, wie sich die Fläche hier entwickelt.“
>> DUISBURGS WÄLDER SIND INSGESAMT 2500 HEKTAR GROSS
● Die Fläche in Bruckhausen ist stadtweit die vierte frühere Friedhofsfläche, die in einen Wald umgewandelt wurde. Mit gut 42.000 qm ist sie die größte. 250.000 Euro hat der Bund für die aktuelle Umwandlung bereit gestellt.
● Nicht alle Gräber sind dort abgelaufen und eingeebnet. Vier Grabstätten verbleiben im neuen Wald.
● Insgesamt hat Duisburg gut 2500 Hektar Wald, das sind rund elf Prozent der Stadtfläche. „Da sind die vier Hektar am Ostacker keine kleine Waldfläche“, so Stadtförster Stefan Jeschke.
● Geht es nach den städtischen Wirtschaftsbetrieben, soll sie nicht die letzte Friedhofsfläche sein, die zu Wald wird. So verweist eine Sprecherin auf ein verändertes Bestattungsverhalten, das etwa auf Urnen statt auf Reihengräber setzt, wodurch Friedhöfe weniger Platz benötigen als früher.
● Aktuell plant die Stadt Duisburg jedoch keinen weiteren neuen Wald auf einem einstigen Friedhof.