Duisburg-Bruckhausen. Den täglichen Bedarf vor Ort zu decken, ist in Bruckhausen unmöglich. Zwei Urgesteine erzählen, was im Stadtteil Sorge, aber auch Hoffnung macht.

Es mangelt an vielem, vor allem an Infrastruktur: Vielleicht auf keinen Ort in Duisburg trifft die Formulierung „abgehängter Stadtteil“ derart zu, wie auf Bruckhausen. Den Bewohnern ist es nahezu unmöglich, ihren Alltagsbedarf im eigenen Viertel zu decken. Entsprechend desaströs sind die Noten beim Stadtteil-Check dieser Zeitung . Eine 4,65 im Durchschnitt weist Bruckhausen den letzten Platz nicht nur im Duisburger Norden, sondern in der gesamten Stadt zu. Einige besonders schlecht bewertete Kategorien: Einkaufsmöglichkeiten (5,19), medizinische Versorgung (5,28) und Nahverkehr (5,03).

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Und doch gibt es Menschen, die den Stadtteil lieben und gerne dort leben. Dazu gehörte bis vor kurzem Schwester Ulrike Trabold, die Bruckhausen im August nach 33 Jahren verließ – nicht, weil es ihr nicht mehr gefallen hätte, sondern weil sich die 83-jährige Ordensfrau bei Münster zur Ruhe setzt. Dass gerade ältere Menschen es hier schwer haben, hat auch sie in den vergangenen Jahren zunehmend gespürt: „Außer Obst und Gemüse bekommt man hier kaum Lebensmittel, die alte Menschen brauchen“, sagt die Schwester. „Für Besorgungen muss man häufig nach Hamborn oder Beeck fahren.“

Medizinische Versorgung: Der Zahnarzt verließ Bruckhausen als erstes

Dazu kommt der Mangel an Arztpraxen und Apotheken. Dass es den nicht immer gab, daran erinnern sich sowohl Schwester Ulrike als auch auch Susanne Patzelt. Patzelt ist hier ebenfalls ein Urgestein, und das, obwohl sie noch nicht einmal in Bruckhausen wohnt. Umso mehr engagiert sie sich für den Stadteil: Sie leitet nicht nur den Standort der Duisburger Werkkiste, sondern sitzt auch dem Runden Tisch Bruckhausen vor, der seit vielen Jahren an örtlichen Problemen arbeitet und den Menschen durchaus öffentlichkeitswirksam eine Stimme gibt.

„Es fing vor einigen Jahren mit einem Zahnarzt an, der Bruckhausen verlassen hat“, erinnert sich Patzelt. Andere Praxen folgten, ebenso Geschäfte und Bankfilialen. Dabei habe es nicht immer an der Nachfrage gelegen, meint die 61-Jährige: „Ein gutes Beispiel ist die letzte Apotheke. Die hat nicht zugemacht, weil so wenige Menschen kamen, sondern weil es keinen Nachfolger gab.“

Das alles zwingt die Menschen zur Fahrt in die umliegenden Stadtteile – und auch diese gestaltet sich schwierig. Denn der Nahverkehr wurde im Laufe der Jahre ausgedünnt. Dass immerhin die Buslinie 908 wieder zwischen Bruckhausen und Hamborn verkehrt, ist auch ein Verdienst des Runden Tisches: Der Duisburger Nahverkehrsplan sah den Wegfall dieser Verbindung vor, „zu wenige Fahrgäste“, sagte die DVG. Doch dank des Einsatzes von Patzelt und ihren Mitstreitern besteht die Verbindung vorerst weiter.

Ordensschwester ist beeindruckt von Energie und Hilfsbereitschaft der Bruckhauser

Dennoch bleibt es für viele Menschen eine Herausforderung, sich zu versorgen. Manche ältere Anwohner denken deshalb darüber nach, wegzuziehen. So wie Karin Schatan, die erst vor drei Jahren aus Marxloh hergekommen ist. „Man kann kaum noch etwas zu Fuß erledigen“, sagt auch sie. Schatans deutliche Diagnose: „Wir sind abgehängt.“ Nun, mit 76 Jahren, erwägt auch sie einen erneuten Umzug.

Schwester Ulrike Trabold verließ Bruckhausen kürzlich nach 33 Jahren. Den Menschen fühlt sie sich weiter verbunden.
Schwester Ulrike Trabold verließ Bruckhausen kürzlich nach 33 Jahren. Den Menschen fühlt sie sich weiter verbunden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dabei schätzen alle drei das Viertel am Rande der großen Stahlwerkkulisse. „Auf Bruckhausen lasse ich nichts kommen“, sagt Schwester Ulrike Trabold, die sich dessen Bewohnern für immer verbunden fühlen wird. „Viele Menschen hier haben eine unglaubliche Energie, Dinge anzupacken. Sie sagen deutlich, was schlecht ist, reden aber nichts schlecht. Hier jammert niemand“, fügt sie anerkennend hinzu.

Vor allem die Hilfsbereitschaft habe sie immer beeindruckt, betont Trabold, die einst selbst zum Helfen kam, wenn auch nicht im Viertel selbst, sondern in der Gemeinde St. Franziskus am Ostacker. „Ich habe das gerade während der Corona-Pandemie wieder sehr gespürt. Leute haben mir angeboten, vom Einkaufen etwas mitzubringen. Wenn die Nachbarn gegrillt haben, haben sie mir etwas über den Balkon gereicht.“ Auf diese Weise habe sie im Laufe der Jahre unglaublich viel zurückbekommen.

Stadtteilfeste wichtig für die Verständigung mit Südosteuropäern

Dabei haben es viele Bruckhauser wirklich schwer im Leben – wegen fehlender oder prekärer Arbeitsverhältnisse, mangelnder Deutschkenntnisse und anderer sozialer Probleme. Schwester Ulrike ist froh, dass es eine Institution wie die Werkkiste gibt: „Sie stabilisieren den Stadtteil, geben den Menschen hier eine Ordnung.“

Susanne Patzelt arbeitet seit 15 Jahren am Bruckhauser Standort der Duisburger Werkkiste. Sie engagiert sich außerdem beim Runden Tisch Bruckhausen.
Susanne Patzelt arbeitet seit 15 Jahren am Bruckhauser Standort der Duisburger Werkkiste. Sie engagiert sich außerdem beim Runden Tisch Bruckhausen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Susanne Patzelt hofft, dass trotz Pandemie bald auch solche Angebote wieder möglich sind, die über die alltägliche Beratung und Betreuung hinausgehen. „Wir haben für den Stadtteil auch schon häufiger Feste organisiert. So etwas ist ganz wichtig zur Verständigung, gerade für Menschen aus Südosteuropa.“ Zudem schränke der Mangel an Einkaufsmöglichkeiten die Menschen ja auch in sozialer Hinsicht ein: „Das alltägliche Gespräch im Supermarkt, wenn man zufällig ein bekanntes Gesicht trifft, fehlt ganz vielen.“

Dass sich an der Versorgungssituation in Bruckhausen wieder etwas ändert, glaubt Patzelt nicht: „Das widerspräche den Gesetzen der Marktwirtschaft. Man müsste sich selbst helfen, mit einem Tante-Emma-Laden vielleicht.“ Die Werkkiste habe über so etwas bereits nachgedacht, allein die Finanzierung gelang nicht. Ob die Politik dem Stadtteil nicht helfe? Patzelts Antwort ist kurz, aber vielsagend: „Politiker kommen immer gerne zu unseren Veranstaltungen, um sich hier fotografieren zu lassen.“

>>> WERKKISTE IST EIN SOZIALER ANKER IN BRUCKHAUSEN

• Die Duisburger Werkkiste ist in Bruckhausen ein sozialer Anker. Das Angebot reicht vom Mittagstisch für kleines Geld, über die Hilfe bei amtlichen Angelegenheiten bis zur beruflichen Beratung von Jugendlichen und Arbeitslosen.

• Im Runden Tisch Bruckhausen sind viele Institutionen vereint und tauschen sich dort über Probleme und Potenziale des Stadtteils aus, darunter die örtlichen Kitas und Kirchengemeinden, Moscheen, Sportvereine und Jugendzentren.

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