Duisburg-Marxloh. Nach dem Tod eines Obdachlosen im Marxloher Petershof mehren sich im Stadtteil die Stimmen, die von der Stadt neue Hilfsangebote fordern.

Beim Mittagstisch für Bedürftige hat sich Pater Oliver Potschien gerade eine Portion Reibekuchen geholt, da nimmt er auch einen Brief entgegen. Es ist die Krankenhausrechnung für einen Obdachlosen, der kürzlich auf der Intensivstation behandelt wurde. Der Mann hatte den Petershof als Adresse angegeben. „70.000 Euro hat das gekostet“, sagt ihm der Priester und beide lachen. Dabei ist niemanden beim Mittagstisch danach zumute. Sie trauern um Marius, der am Sonntag tot in einem Schlafcontainer gefunden wurde . Pater Oliver hat wegen des Todesfalls die Stadt Duisburg scharf kritisiert. Er und seine Mitstreiter untermauern die Forderung nach Konsequenzen .

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„Ich bin froh, dass endlich das Eingeständnis da ist, dass es Leute gibt, die durchs Raster fallen“, sagt der Pfarrer von St. Peter. Dennoch glaubt er nicht, dass der Todesfall einen Weckruf bedeutet. Dafür höre er von der Stadt zu häufig, dass die Obdachlosen vom Petershof einfach keine Hilfe annehmen wollten. „Dann ist eben das Angebot falsch“, betont Pater Oliver. Diese Aussage will er nicht als Kritik am Engagement für Bedürftige verstanden wissen, „aber es gibt eine Lücke, und die Leute landen dann hier auf dem Kirchplatz“. Die Angebote des Petershofs, ob Armenspeisung, Kleiderkammer, Krankenversorgung oder die Notschlafplätze sind für Pater Oliver alternativlos. Denn: „Ich lasse niemanden auf der Straße liegen.“

Angebote im Petershof werden von vielen Obdachlosen angenommen

Sylvia Brennemann, Pater Oliver und Claus Krönke (von rechts) wollen die Situation der Obdachlosen in Marxloh und im Rest von Duisburg verbessern.
Sylvia Brennemann, Pater Oliver und Claus Krönke (von rechts) wollen die Situation der Obdachlosen in Marxloh und im Rest von Duisburg verbessern. © Lars Fröhlich

Dafür ist ihm und seinem Team die 40-jährige Daniela sehr dankbar. Sie gehört zu den Obdachlosen, die der Petershof unterstützt. „Marius war einfach nur nett“, erinnert sie an den Verstorbenen. Zwar fühle sie sich unwohl dabei, nach dessen Tod im selben Container zu übernachten, „aber das ist besser, als auf der Straße zu schlafen“. Lieber hätte sie eine Wohnung, erzählt sie, und das Diakoniewerk habe auch etwas für sie gefunden. Jedoch scheitert der Einzug an ihrer Alkoholkrankheit. „Ich muss vorher einen Entzug machen, aber das ist schwer, das schaffe ich nicht allein.“

Pater Oliver kennt viele ähnliche Geschichten. „Ich habe noch niemanden erlebt, der sich dazu entschieden hat, obdachlos zu sein“, fasst er zusammen. Daher sieht er die Stadt in der Pflicht, den Obdachlosen zu helfen und ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen. „Man muss sich um sie kümmern.“ Das sieht auch Sylvia Brennemann so, die sich als Krankenschwester beim Petershof engagiert. Dass regelmäßig Bedürftige zu den Schlafcontainern kommen, sieht sie als Beleg, dass sie sehr wohl Hilfe annehmen, diese müsse nur möglichst niederschwellig sein.

„Stark im Norden“: SPD Marxloh will Teil der 50 Millionen Euro verwenden

„Viele sind in einem ganz schlimmen gesundheitlichen Zustand, und wir können nicht richtig helfen“, sagt Brennemann. Der Kirchvorraum, der im Winter noch Schlafsaal mit Pritschen war, ist nun zu einer notdürftigen Krankenstation umfunktioniert, in der Ehrenamtler Wunden säubern und Verbände wechseln können. „Sie werden immer wieder vom Notarzt ins Krankenhaus gefahren und unversorgt zurückgeschickt.“

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Von Annette Kalscheur, Martin Ahlers, Oliver Kühn

Darin sieht Claus Krönke von der SPD einen Systemfehler. „Die Situation ist total verfahren. Wir brauchen eine europaweite Krankenversicherung“, sagt der Marxloher Sozialdemokrat und fordert, dass den Obdachlosen im Duisburger Norden unkompliziert und niederschwellig geholfen wird. Dazu müsse man Teile der für Marxloh und Alt-Hamborn bewilligten 50 Millionen Euro verwenden. „Es geht um 50 Menschen, es ist beschämend, dass wir das seit Jahren nicht hinkriegen.“

Pater Oliver: „In einem Container zu schlafen, das ist kein würdiges Leben“

Daher lautet eine Forderung: „Da wo’s wehtut, muss die ganze Power hin. Mitten in die Brennpunkte wie die Hagedornstraße.“ Dort müssten die Stadt und karitative Organisationen vertreten sein und „nicht nur in der Innenstadt, in Neumühl oder Mündelheim“. Ebenso wichtig finden er und sein SPD-Ortsverein aber, dass sich die Stadt Duisburg nicht zu sehr von hübschen Hochglanzbroschüren beeindrucken lässt, wenn sie Fördergelder an karitative Organisationen vergibt. „Es wird viel beraten, aber kaum geholfen“, kritisiert Krönke. Deshalb verlange die SPD Marxloh von der Stadt für Fördergelder „eine Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen“. Auch Land und Bund sollten dies in Marxloh besser kontrollieren.

So sollen die Schlafcontainer und die Krankenversorgung am Petershof endlich überflüssig werden. „In einem Container zu schlafen, das ist kein würdiges Leben“, sagt Pater Oliver. Genau dort sieht auch Sylvia Brennemann ein großes Problem: „Wir brauchen in Marxloh nicht mehr Polizei, wir brauchen mehr Menschenwürde.“