Duisburg-Marxloh. Schrittweise sollen Schulen wieder öffnen. Bis dahin unterrichten die Lehrer des Duisburger Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums weiter von zu Hause.
Die Hausaufgaben schreibt niemand mehr an die Tafel oder an das Smartboard. Es gibt auch keinen Lehrer mehr, der die Fragen der Schüler im persönlichen Gespräch beantwortet. Stattdessen schicken Lehrkräfte die Aufgaben per Mail an die Schüler zu Hause und stehen für Fragen im Chat zur Verfügung. Auch am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium hat das Coronavirus den Alltag komplett auf den Kopf gestellt.
“Mussten den Schülern bewusst machen, dass sie keine Ferien haben“
„Wir hatten Glück im Unglück“, sagt Lehrerin Sarah Spieß, als sie auf die vergangenen Wochen zurückblickt. „Bei uns lernen die Schüler schon in der fünften Klasse den richtigen Umgang mit dem Schulserver, E-Mails zu schreiben und Dokumente hochzuladen.“ Das Gymnasium in Marxloh ist eine sogenannte Talentschule und wird vom NRW-Bildungsministerium gefördert. Auch bei der Digitalisierung.
Trotzdem gab es in der ersten Woche nach Schulschließung Probleme. „Die erste Woche war total chaotisch. Wir mussten den Schülern auch erst einmal bewusst machen, dass sie keine Ferien haben“, so die 37-Jährige. Täglich hätten die Lehrer versucht, Aufgaben an die Schüler zu verschicken und deren Fragen zügig zu beantworten. „Bei meinen vier Kursen gab es eine Flut an Emails“, berichtet die Deutsch- und Kunstlehrerin. Auch überforderte Eltern meldeten sich bei ihr. „Für Familien mit mehreren Kindern war das nicht machbar. Nicht jeder hat für jedes Kind einen Computer zu Hause.“
Struktur in den Alltag der Duisburger Schüler bringen
Nach einer Woche wurden Anpassungen vorgenommen. „Uns war es wichtig, den Tag der Schüler zu strukturieren“, erklärt Sarah Spieß. So wurden die Aufgaben bis neun Uhr hochgeladen, bis halb elf konnten Schüler Fragen stellen und um 14 Uhr sollten die Aufgaben zurückgeschickt werden.
Kreativ müssen alle Beteiligten weiterhin sein. So werden Seiten aus vergessenen Büchern, die etwa noch im Spind liegen, abfotografiert und per Handy verschickt. Zuhause haben Familien Computerzeiten für die Kinder ausgemacht. Den Schulserver können die Jugendlichen teilweise auch am Handy nutzen. Und über eine Messenger-Funktion des Servers, von der bis vor kurzem nicht alle Lehrkräfte wussten, wurden Gruppen erstellt. Dort können Schüler mit ihren Lehrern chatten und Fragen müssen nicht mehrfach einzeln beantwortet werden.
Auch die Eltern beteiligen sich am etwas anderen Schulalltag. „Ich habe mit meinen Kindern Mathe gelernt und musste bei technischen Problemen helfen. Zum Beispiel, wie ein PDF-Dokument verkleinert werden kann“, berichtet Vater Metin Akdemir. „Meistens war das auf den letzten Drücker“, lacht er. Seine drei Kinder besuchen allesamt das Marxloher Gymnasium. Zu Hause ist entsprechend viel los. „In der Schule bestimmt der Gong den Rhythmus, aber zu Hause denkt man, man ist flexibler“, so der Familienvater.
Lehrer und Schüler vermissen persönlichen Kontakt
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Sein Sohn Kiyan kann dies bestätigen: „Zu Hause ist es komisch und man lenkt sich schnell ab“, sagt der Fünftklässler. Nicht nur seine Freunde fehlen ihm. „In der Schule können wir direkt die Lehrer fragen, wenn wir etwas nicht verstehen. Hier habe ich manchmal etwas im Internet nachgeschaut“, weiß sich der Elfjährige zu helfen. „Die Kinder hatten den ganzen Tag das Handy in der Hand und haben auf neue Nachrichten gewartet“, berichtet Metin Akdemir. Der Soziologe sieht noch ein anderes Problem beim Homeschooling: „Die Schüler können sich nicht durch eine mündliche Mitarbeit verbessern und schriftliche Noten ausgleichen. Die digitalen Aspekte sind kein Ersatz für den Unterricht, sondern lediglich eine Ergänzung.“
Auch Lehrerin Sarah Spieß fehlt der persönliche Kontakt zu ihren Schülern sehr. Denn nicht nur für fachliche Fragen der Schüler steht sie sonst bereit. Auch für Sorgen und Ängste will die Lehrerin da sein. „Ein persönliches Gespräch ist dann viel besser als ein Austausch im Messenger“, sagt sie. „Mein Job ist in den vergangenen Wochen auf das reduziert, was ich daran nicht mag: Korrigieren und Aufgaben stellen.“
Nebenbei muss sich Spieß noch um ihren dreijährigen Sohn zu Hause kümmern. „Die Fragen der Schüler habe ich teilweise im Kinderzimmer beantwortet. Ich hätte gerne noch mehr reingesteckt, aber das war einfach nicht möglich“, so die Lehrerin, die sich auch fürs Homeoffice jeden Tag so anzieht, als würde es in die Schule gehen.
Schule will digitale Angebote in Zukunft stärker nutzen
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Jetzt, nach Ende der Osterferien, soll schrittweise der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden.
Der Jahrgang 12 darf ab dem 23. April wieder in die Schule. Anfang nächster Woche plant das Kollegium, wie die Vorschriften eingehalten werden können.
„Momentan wissen wir noch nicht, wie wir Schule mit Abstandsregeln durchführen sollen“, sagt Schulleiter Holger Rinn, „wir müssen unter anderem neue Stundenpläne erstellen und Gruppen einteilen“. Der Distanzunterricht bleibt für die anderen Klassen weiterhin bestehen.
Auch das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium sucht Schutzmasken für Schüler und Lehrer für die Pausen auf dem Schulhof. Da Schutzmasken auf dem Markt knapp sind, ist man dankbar für genähte Masken.
Eine Evaluation soll in den kommenden Tagen die Erfahrungen zusammenfassen. Etwas Positives nehmen die Lehrer aus den bisherigen Wochen mit: „Wir werden unseren Schulserver mehr nutzen“, meint Sarah Spieß. „Zum Beispiel können Lehrer ihre Schüler so beim Vertretungsunterricht erreichen“, erklärt Holger Rinn.