Duisburg-Marxloh. Pater Oliver hilft in Marxloh Obdachlosen bedingungslos. Der Stadt Duisburg fehle ein Konzept für den Umgang mit ihnen. Das fordert er jetzt ein.
Die Gemeinde St. Peter und der Petershof in Marxloh sind bekannt dafür, Notleidenden pragmatisch und bedingungslos zu helfen. Als etwa Obdachlose kamen, die im Winter auf der Straße zu erfrieren drohten, ließ man sie zunächst in der Kirche übernachten. Inzwischen sind davor Schlafcontainer aufgestellt. Die Gemeinde wird weiterhin helfen, denn für Betroffene sind einige der Angebote überlebenswichtig. Zum Regelfall sollen sie aber nicht werden. Daher fordert Pater Oliver Potschien ein städtisches Konzept für diese Obdachlosen. Doch im Rathaus sieht man, anders als der Priester, kein Versäumnis.
„In Containern zu schlafen, das ist kein würdiges Leben“, sagt der Ordensbruder der Prämonstratenser. Daher pocht er auf ein Konzept für einen angemessenen, menschlichen und zeitgemäßen Umgang mit Obdachlosen. Dass dieses fehle, stellen er und Schwester Ursula aus der Leitung des Petershofs „mit einer gewissen Fassungslosigkeit“ fest. Denn dieses Versäumnis sei für viele Betroffene lebensbedrohlich – aktuell mehr als zuvor.
Vier Forderungen sollen Obdachlosen ein würdiges Leben ermöglichen
Das Konzept sollte ihrer Ansicht nach vier Punkte sicherstellen: eine angemessene Unterkunft für jeden, ohne dass sie wegen Alkohol- und Drogensucht oder deren Folgen verweigert wird. Für jeden muss es etwas zu essen geben – unabhängig von Gabenzäunen, Pfandflaschensammlungen oder das Durchwühlen von Müllcontainern. Für jeden muss warme Kleidung vorhanden sein. Außerdem muss für jeden Duisburger der Zugang zu einem Arzt möglich sein. Darunter versteht der Pater ausdrücklich keine Priester, die in Pfarrhäusern Verbände wechseln oder Vereine, die mit ausrangierten Krankenwagen auf öffentliche Plätze fahren, um Kranke im Nieselregen zu behandeln.
Dass sich viele Initiativen um ihre Mitmenschen kümmern und dass viele Duisburger sich mit Engagement oder Spenden daran beteiligen, solle sich künftig ja gar nicht ändern. Doch Pater Oliver betont: „Ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept bleibt dies alles nur Flickwerk.“
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Sozialdezernent verweist auf ein bestehendes Präventionskonzept
Sozialdezernent Thomas Krützberg (SPD) widerspricht der Behauptung aus Marxloh, die Verwaltung habe kein Konzept für den angemessenen Umgang mit Obdachlosen. So habe sich die Stadt Duisburg bereits vor vielen Jahren konzeptionell neu aufgestellt, um Obdach- und Wohnungslosigkeit zu vermeiden und zu beseitigen. Dabei halte sie sich strikt an gesetzliche Vorhaben und erfülle damit existenzielle Grundbedürfnisse der Betroffenen. „Diese Konzeption hat einen stark präventiv ausgeprägten Charakter und sieht eine dauerhafte Beherbergung in Obdachloseneinrichtungen nicht mehr vor“, fährt Krützberg fort. „Primäres Ziel hierbei ist eine bedarfsgerechte Versorgung des Personenkreises, bevorzugt im eigenen Wohnraum.“ Allerdings nehmen diese Hilfe nicht alle an. „Bewusst entscheiden sich Einzelne für einen Verbleib auf der Straße“, so der Sozialdezernent.
Diakoniewerk sieht Duisburg gut aufgestellt
Duisburg habe tatsächlich ein sehr gutes Präventionskonzept gegen Obdachlosigkeit, findet Roland Meier, der Fachbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe beim Diakoniewerk.
Er teilt auch die im Rathaus herrschende Meinung, dass alle Menschen wohnfähig sind – es sei nur eine individuelle Frage, wie viel Hilfe dafür nötig sei.
Dennoch werden einige Menschen nicht von dieser Obdachlosenhilfe erreicht, darunter etwa gescheiterte polnische Arbeitsmigranten ohne Rechtsansprüche und Zugang zu Sozialsystemen. „Wir brauchen ein Konzept für alle, die wir nicht erreichen.“ Und dieses müsse die Stadt gemeinsam mit den Hilfsvereinen erarbeiten.
Zudem schätzt Roland Meier, dass stadtweit weit unter 100 Menschen auf der Straße leben. Das sei relativ wenig im Vergleich zu rund 1300 Beratungen der Wohnungslosenhilfe, die das Diakoniewerk jährlich durchführt.
Daher könne der Bedarf an Unterstützung vereinzelt nicht oder nur mangelhaft sichergestellt werden. „Allein durch die öffentliche Hand ist hier Abhilfe in ausreichendem Maße nicht möglich“, räumt Krützberg ein und bedankt sich bei Initiativen, Vereinen und Institutionen „für ihr aufopferndes Engagement“.
Suchtkranke leben nicht freiwillig auf der Parkbank
Damit mache es sich die Stadt zu einfach, findet Pater Oliver: „Ein Suchtkranker, und unter den Obdachlosen sind eben viele davon betroffen, entscheidet sich nicht bewusst gegen Hilfe oder lebt lieber freiwillig auf der Parkbank.“ Wer an die Kirchentür klopft, der habe keine Alternative, betonte unlängst Schwester Ursula. Regelmäßig übernachten gut ein Dutzend Obdachlose in den Containern. „Sie stecken bis zur Halskrause in der Sucht“, so die Geistliche. Das schließe die Leute von städtischen Not- und Sammelunterkünften aus. Eine ist das Hotel Salm in Marxloh. „Das ist eine Bruchbude“, kritisiert der Ordensbruder, es sei rattenverseucht und dort komme es oft zu Gewalt. Man könne das Hotel Salm also nicht ernsthaft als Teil eines funktionierenden Konzepts sehen.
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„Viele Menschen fallen durch das städtische Raster“, stellt der Pfarrer von St. Peter fest, „und für sie alle müssen wir vernünftig sorgen.“ Zunächst müsse die Stadt Duisburg sich jedoch eingestehen, dass die Betroffenen eben nicht nur Einzelfälle sind. „Ich sehe sie ja hier jeden Tag“, sagt er. Bis zu 16 Schlafplätze haben die Container vor der Kirche.
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Pater Oliver will gemeinsam mit dem Sozialamt Lösungen für Betroffene finden
„In der Fachabteilung sind sie alle guten Willens“, lobt aber der Priester das Sozialamt und wünscht sich die Stadtverwaltung weiterhin als Partner. „Für unsere Obdachlosen gibt es keine einfachen Lösungen, aber natürlich gibt es Lösungen.“ Um diese zu finden, bietet er an, mit den städtischen Fachleuten die Köpfe zusammen zu stecken. Damit vielleicht bald die provisorischen Schlafcontainer vor der Kirche an der Mittelstraße in Marxloh nicht mehr gebraucht werden.