Duisburg. . Der Stahlkonzern Thyssen-Krupp Steel führt an seinen Standorten Duisburg, Bochum, Dortmund, Finnentrop und Siegen die 31-Stunden-Woche bei Lohnverzicht ein. Darauf haben sich Unternehmen und Betriebsrat verständigt. Der „Tarifvertrag Zukunft“ soll verhindern, dass 1300 Arbeitsplätze abgebaut und Kurzarbeit eingeführt wird.
Das klingt paradiesisch, hat aber einen ernsten Hintergrund: Rund 14.500 Mitarbeiter des Stahlkonzerns Thyssen-Krupp Steel Europe reduzieren ihre Wochenarbeitszeit von 34 auf 31 Stunden, bekommen aber 32 Stunden bezahlt. Nach Angaben des Betriebsrats können durch den Verzicht 1300 angedrohte Kündigungen verhindert werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2020 ausgeschlossen.
Von dem Sanierungstarifvertrag sind die Thyssen-Krupp-Steel-Standorte in Duisburg, Bochum, Dortmund, Finnentrop und Siegen betroffen. Er tritt rückwirkend zum 1. Oktober in Kraft. Die endgültige Umstellung der Schichtpläne auf die 31-Stunden-Woche soll aber erst zum 1. Januar 2015 erfolgen. Um ihre Arbeitsplätze und alle Produktionsaggregate zu sichern, verzichten die Mitarbeiter nach Einschätzung von Dieter Lieske, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Duisburg/Dinslaken, im Schnitt auf 4,5 bis fünf Prozent ihrer Löhne und Gehälter. Aber auch Thyssen-Krupp Steel selbst steuert einen finanziellen Beitrag dazu. Der Konzern bezahlt 32 Stunden, obwohl nur 31 Stunden gearbeitet werden.
„Mehr geht aber auch nicht“
„Mehr geht aber auch nicht bei den Kollegen“, sagt Lieske im Hinblick auf den Einkommensverzicht. Auf Entlastung können sich die Beschäftigten ab 1. Mai 2015 einstellen, wenn die nächste Tariferhöhung von vier Prozent in der Stahlindustrie ins Haus steht. „Das wird den Verlust in etwa ausgleichen“, erklärt der Gewerkschaftssekretär. Ohne den Sanierungstarifvertrag wäre das Tarifplus allerdings oben drauf gekommen.
Die Belegschaft hat den Gehaltstarif akzeptiert. Nach Angaben von Konzern-Gesamtbetriebsratschef Wilhelm Segerath wurde vereinbart, dass nach der Arbeitszeitverkürzung alle „nicht weniger als 93 Prozent des letzten Nettolohns“ erhalten. „Das ist ein Stück gelebte Solidarität und allemal besser als Stellenabbau oder Kurzarbeit“, sagt er.
Nicht weniger als 93 Prozent
Mit der 31-Stunden-Woche reagiert Thyssen-Krupp Steel auf eine Reihe von Faktoren, die das Stahlgeschäft schwächen. Mit dem Bau des Werks in Brasilien hat der Konzern viel Geld verloren. Die Stahlbranche steckt weltweit in einer Absatzkrise. Die Preise, die die Erzeuger am Markt erzielen können, befinden sich derzeit im Keller. Dafür sind die Rohstoffpreise etwa für Erz gestiegen.
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Nach Einschätzung von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite verschafft der „Tarifvertrag Zukunft“ Thyssen-Krupp Steel die nötige Flexibilität in der Stahlbranche, die traditionell großen Konjunkturschwankungen ausgesetzt ist. „Wir können jederzeit mit der Arbeitszeit wieder nach oben gehen – wir haben ja die Menschen“, sagt Gesamtbetriebsratsvorsitzender Günter Back. Das ist aber auch nur deshalb möglich, weil nach den 15-monatigen Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern nicht nur die Arbeitsplätze gesichert wurden, sondern auch der Fortbestand aller Kernaggregate, die für die Stahlproduktion gebraucht werden. In Rede stand etwa, aufgrund der Flaute einen Hochofen in Duisburg abzuschalten. Das hätte laut Betriebsrat das Aus für 4500 Arbeitsplätze bedeutet.
„Die Arbeit geht, die Köpfe bleiben“
„Die Arbeit geht, die Köpfe bleiben“, bringt Gewerkschafter Lieske die Strategie auf den Punkt. Bleiben können vor allem auch ältere Beschäftigte, die bei einem Arbeitsplatzabbau als erste Abfindungsangebote erhalten und bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in den Betrieben gefehlt hätten.
„Wir sind überzeugt, eine tragfähige Lösung zur Sicherung der Beschäftigung in den kommenden Jahren zu haben“, sagt Thomas Schlenz, Arbeitsdirektor bei Thyssen-Krupp Steel. Betriebsrat und IG Metall fordern jetzt allerdings auch Investitionen.
Die 31-Stunden-Woche bei Thyssen-Krupp Steel gilt seit dem 1. Oktober. Der Tarifvertrag sieht vor, dass die Arbeitszeit ab dem 1. Oktober 2018 wieder schrittweise verlängert wird. Im Geschäftsjahr 2020/21 sollen die Beschäftigten wieder 35 Stunden pro Woche arbeiten.