Duisburg. Das Image der Stadt Duisburg gehört nach wie vor nicht zu den besten aller Ruhrgebietsstädte. Der Chef der Duisburger Marketing Gesellschaft Uwe Gerste spricht im Interview über die städtischen Werbe-Potenziale und die städtischen Internetauftritte sowie über den Sinn von Image-Kampagnen.

Das Image steht nach wie vor nicht zum Besten. Wenn die Stadt das ändern will, muss sie den Blick auf ihre Stärken richten, ein klares Bild und die Ziele nach außen vermitteln. Eigenwerbung im besten Sinne also, um wie gewünscht Firmen und junge Familien anzulocken. Eine tragende Rolle fällt dabei der Marketing-Gesellschaft zu. Doch die steht vor einer Umstrukturierung — auch an ihrer Spitze: Nach einem entsprechenden Beschluss des Rates hat jetzt der Aufsichtsrat der Duisburg Marketing-Gesellschaft (DMG) den Vertrag von Geschäftsführer Uwe Gerste gekündigt. Die NRZ hat mit dem obersten Stadtwerber über seine Zukunft, die der Gesellschaft sowie über Möglichkeiten und Grenzen der Stadt-Werbung gesprochen.

Herr Gerste, was machen Sie am 16. August 2015?

Uwe Gerste: Das weiß ich nicht und diese Frage stellt sich für mich auch nicht. Ich habe einen Vertrag bis zum 15. August 2015 und den werde ich mit ganzer Kraft erfüllen.

Sind Sie nicht zumindest ein wenig enttäuscht, dass nicht einmal ihre eigene Partei gegen die Kündigung gestimmt hat?

Gerste: Begeisterung für die Behandlung dieses Punktes um 23 Uhr in einer denkwürdigen Ratssitzung ohne eine Wortmeldung der CDU wird man kaum erwarten können. Es gab aber zwei Beschlüsse im Rat: Einmal die „vorsorgliche“ Kündigung, um vor einer denkbaren Umstrukturierung der DMG sich alle Optionen offenzuhalten. Zum zweiten aber auch den Antrag der CDU an den Rat, das längst überfällige Prüfergebnis zur DMG hinsichtlich denkbarer Umstrukturierungen bis zum Jahresende endgültig vorzulegen. Beides wurde einstimmig behandelt und steht in direktem Zusammenhang. Ich bin schon lange nicht mehr in Führungspositionen der CDU aktiv, aber weiterhin Mitglied. Ich finde, dafür muss man sich nicht schämen. Genauso wenig wie die vielen Geschäftsführer-Kollegen im Konzern Stadt, die Mitglied anderer Parteien sind. Enttäuschter war ich über die Information über die „vorsorgliche“ Kündigung über die Zeitung statt ein persönliches Gespräch.

Hoffen Sie, dass Ihr Vertrag dann verlängert wird?

Gerste: Für meine Vertragssituation gilt: Es hängt immer von zwei Seiten ab, ob es eine weitere Zusammenarbeit gibt oder nicht. Wichtig ist jedoch die Einhaltung des durch den Rat vorgegebenen Zeitplans. Zurzeit herrscht Unsicherheit bei unseren Geschäftspartnern und Sponsoren über die Zukunft der DMG und das ist nicht der ideale Boden für erfolgreiche Projektentwicklung. Die Situation belastet auch unsere Mitarbeiter.

Was machen Sie, wenn keine Vertragsverlängerung zustande kommt?

Gerste: Wenn meine Tätigkeit bei der DMG enden sollte, werde ich mich neu orientieren. Das passiert anderen Menschen auch. Und ich bin hoffnungsvoll genug, dass ich auch bei einem Ausscheiden eine bessere Perspektive finden werde als das ehemalige Gebag-Vorstandsmitglied, das jetzt nach eigener Angabe von einem 400-Euro-Job leben muss.

Lässt sich das Stadtmarketing denn besser organisieren?

Gerste: Die Stadtmarketing-Gesellschaften sind in den Städten höchst unterschiedlich aufgestellt. Eine Gemeinsamkeit liegt sicherlich in der Förderung des Tourismus. Den „Stein der Weisen“ hat noch keiner gefunden. Wir sind nur eine von vielen im Marketing der Stadt tätigen Institutionen, auch wenn der Gesellschaftsname anderes suggeriert. Alle verfügen über eigene Budgets und Personal. Ich glaube eher an klare Aufgabenabgrenzung und koordiniertes Vorgehen, als zu versuchen, alle Marketing-Budgets zusammenzuführen.

Was gibt die Stadt denn insgesamt aus, um für sich zu werben?

Gerste: Eine Aufstellung über den Gesamtaufwand für Marketing im Konzern Stadt besteht leider nicht. Als DMG werben wir deshalb innerhalb des Konzerns stark für Kooperationsprojekte. Das kann noch optimiert werden, um knappe Ressourcen zu bündeln. Marketing hat eine inhaltliche und eine finanzielle Dimension. Die finanziellen Ressourcen sind knapp und werden sich kurz- und mittelfristig wohl kaum verbessern. Für die DMG gilt: Das Budget gibt der Gesellschafter vor, wir haben es zu verplanen und dann auch einzuhalten. Das ist uns immer gelungen, auch wenn es manchmal inhaltlich schmerzhafter Entscheidungen bedurfte. Die Inhalte, Sinnzusammenhänge und auch Vorschläge für die zukünftige Rolle der DMG haben wir bereits vor Jahren intensiv erarbeitet und in unseren Gremien zustimmend beraten. Die Ergebnisse wurden Ende 2011 ausführlich dokumentiert und natürlich auch dem Gesellschafter Stadt zur Verfügung gestellt.

Warum es schwierig ist, ganzheitlich für eine „familienfreundliche Stadt“ zu werben 

Marketing ist doch immer auch eine Definitionsfrage. Wie lautet ihre Definition?

Gerste: Im theoretischen Ansatz versuchen Städte im Rahmen von Programmen Austauschvorgänge mit ausgewählten Märkten und Zielgruppen zu bewirken. Dabei hat aber eine Marketinggesellschaft – nicht nur in Duisburg – auf wesentliche Marketing-Instrumente, insbesondere den Kern des Marketings, die Produktpolitik, keinen oder geringen Einfluss. Das ist Aufgabe der Verwaltung und der Politik.Genauso haben wir auf die Preispolitik der Stadt, beispielsweise städtische Gebühren, keinen Einfluss. Gerade in finanzschwachen Kommunen wie Duisburg ist es deshalb besonders schwer, Ziele der Kommune wie z.B. eine „familienfreundliche Stadt“ ganzheitlich zu verfolgen, wenn damit zusammenhängende Festlegungen, wie z.B. Kindergartengebühren, eher haushaltsrechtlichen Vorgaben unterliegen als einem marketingorientierten Ansatz.

Das Ziel von Stadt-Marketing in Duisburg lautet also…?

Gerste: Wenn die Stadt ihre wirtschaftlichen Probleme lösen will, muss sie potenzielle Besucher und auch ansiedlungswillige Unternehmen als Zielgruppen erkennen, für die Stadt begeistern und die bisherige Bevölkerung und Unternehmen vom Verbleib in der Stadt überzeugen. Das braucht auch Budgets. Ähnlich wie die Wirtschaftsförderung sind wir in vielen Bereichen häufig Berater und Vernetzer zwischen Dritten. Der Marketingansatz funktioniert auch in Duisburg am besten, wenn Akteure ein abgegrenztes Gesamtprojekt steuern können, gegebenenfalls sogar über das Flächenmanagement.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Gerste: Duisport ist doch eine solche Erfolgsgeschichte, weil der Hafen auch selbst die Flächen in der Hand hat und sie ganzheitlich vermarkten kann. Dort sind viele Unternehmen angesiedelt worden und Arbeitsplätze entstanden. Der Innenhafen ist bundesweit ein Beispiel, wie sich alte Hafenflächen revitalisieren lassen. Das hat auch so gut funktioniert, weil die damalige Innenhafengesellschaft alle städtischen Flächen zur Vermarktung übertragen bekam. So etwas ist uns als DMG auch mit dem Landschaftspark Duisburg-Nord gelungen, der dieses Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Dort haben wir alles in der Hand, das funktioniert nachhaltig und dauerhaft.Nichts ist so prägend für Duisburg wie die Industriekultur. Geben Sie doch mal Duisburg bei der Google-Bildersuche ein. Sie erhalten als erstes zahlreiche Motive aus dem Landschaftspark.

Apropos Internetseite: Duisburg.de ist Behörden-lastig und wird doch sicher nicht besonders viele Touristen anlocken.

Gerste: Das mag sein. Aber wer bei Google den Stadtnamen und Begriffe wie „Veranstaltungen“, „Tourismus“ oder „Hotel“ eingibt, bekommt auf der ersten Seite unser Freizeitportal angezeigt und landet dann meistens auf duisburgnonstop.de. Wir sind für Touristen die erste Anlaufstelle, das zeigen auch die Zahlen. Unsere Seite haben im Juli 150.000 Besucher aufgerufen, das sind rund 5000 pro Tag. Zudem gibt es von der offiziellen Stadtseite einige Verlinkungen.

Wer aber zum Beispiel koeln.de eingibt, landet auf einer bunten Seite, die vorwiegend Touristen anspricht. Als Top-Thema verlost dort eine Brauerei sogar Bierfässer. Ist Duisburg da zu bieder?

Gerste: Städte gehen mit ihren Internetauftritten völlig unterschiedlich um. Es ist eben die Frage, wie man die Prioritäten setzt. In Köln findet man die Rathausseite unter stadt-koeln.de. Hamburg unterteilt sein Stadt-Portal für Hamburger, Besucher und in die Kategorie Politisches. Andere Städte verfahren wie wir, Essen trennt jetzt ganz aktuell den Bereich Freizeit und Tourismus von Essen.de ab und startet ein eigenes Tourismus-Portal.

Wäre nicht ein Internet-Portal sinnvoller als zwei unabhängige?

Gerste: Ich halte wenig davon, die beiden Seiten in Duisburg.de und duisburgnonstop.de zusammenzulegen. Der Inhalt wäre dann nur noch schwerer überschaubar. Spannender wäre der Kölner Ansatz, die Internetadresse duisburg.de der DMG für ihre Freizeit- und Tourismus-Inhalte zu überlassen und ein Bürgerserviceportal analog stadt-koeln.de in Duisburg zu etablieren. Denn natürlich denken Auswärtige zuerst an die Stadtnamendomain, um sich zu informieren. Im Unterschied zur Stadt können wir als GmbH auch kostenpflichtige Medialeistung anbieten und machen das auch jetzt schon.

Ist Marketing immer ein Verlustgeschäft, weil sich die Wirkung am Ende schlecht in konkrete Zahlen fassen lässt?

Gerste: In keinem Privatunternehmen würde man Marketing-Aufwand als frei disponibel oder komplett verzichtbar ansehen.Marketing ist Bestandteil jeglicher Unternehmensplanung, um die Produkte am Markt überhaupt erfolgreich zu positionieren. Es gibt sowohl Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Effekten am Standort durch den Betrieb unserer Veranstaltungsstätten als auch zu den durch den Tourismus ausgelösten wirtschaftlichen Effekten und Umwegrentabilitäten in der Stadt. Von einem „Verlustgeschäft“ kann man da kaum sprechen.

Es stimmt zwar, dass wir Millionen als Verlustausgleich erhalten. Diese Finanzmittel sind jedoch nicht frei verfügbar, sondern weitgehend gebunden.Die Stadt hat der Marketing-Gesellschaft einige kostenträchtige Aufgaben übertragen, in erster Linie die Mercatorhalle. Die Mercatorhalle, wenn sie denn wieder komplett geöffnet ist, macht zwei Drittel unseres Verlustes aus. Das liegt daran, dass wir im Rahmen eines Untermietvertrages auch sämtliche Miet- Betriebs- und Nebenkosten der von der Stadt geschlossenen Hauptverträge abwickeln. Für die Stadt ist dies gemäß dem Konzept aus dem Jahr 2005 durch die Spielbankabgabe gegenfinanziert.

Würden wir die über 5 Mio. Euro Spielbankabgabe bei der DMG direkt einnehmen, würde wahrscheinlich niemand von einer „teuren“ Marketing-Gesellschaft sprechen. Wir hätten das Jahr 2013 sogar mit Gewinn abgeschlossen. Seit 2005 haben wir vielfältige Maßnahmen getroffen, um Projekte wirtschaftlich zu verbessern oder neue Projekte zu refinanzieren. Zum Beispiel bei den vier Festivals im Jahr, für die das Budget wesentlich niedriger liegt als bei der Übernahme 2003, trotz gestiegener Personal- und Sachkosten. Damals haben sich neun Mitarbeiter um die Organisation gekümmert, heute sind es fünf. Deshalb bin ich stolz darauf, dass wir mit einem kleineren Team die Festivals in mindestens gleicher Qualität und höheren Besucherzahlen durchführen. Das bedarf hoch engagierter Mitarbeiter und einer entsprechenden Steuerung.

„Arm aber sexy“: Darf Duisburg mit seinen Problemen kokettieren? 

Duisburg verzeichnet neue Rekorde bei den Übernachtungszahlen. Woher kommt das?

Gerste: Die Übernachtungszahlen sind seit 2007 um 40 Prozent gestiegen. Das ist sicherlich nicht alleine der Verdienst der DMG, aber wir haben einen Anteil. Der Großteil der Besucher ist Geschäftstourismus, aber auch der Anteil der Freizeit- und Tagestouristen ist nicht unerheblich. Neu hinzu kommt der Fernbusmarkt. Hier sagen Prognosen eine Vervierfachung des Volumens bis 2016 voraus. Deshalb hoffe ich auf eine möglichst schnelle und mit Priorität verfolgte Realisierung des neuen Fernbusbahnhofs.

Die Leute müssen dann aber auch in Duisburg aussteigen und nicht nur in den Fernbus einsteigen.

Gerste: Das tun sie auch, Sie werden sich wundern. Anbieter von Fernbuslinien haben bereits bei uns nach Filmmaterial gefragt, das sie in den Bussen zeigen können.

Duisburg hat in den letzten Jahren jede Menge überregionaler Negativ-Schlagzeilen produziert. Würde der Stadt nicht eine Image-Kampagne gut tun?

Gerste: Ich glaube nicht, dass wir nur mit schönen Bildern das Image verbessern können, unabhängig von der fehlenden Finanzierung. Wir müssen hart an unseren Problemen arbeiten. Ich vergleiche das mit der Elchtest-Nummer bei der A-Klasse von Mercedes. Statt mit Ablenkung auf andere Produkte wie die schöne E-Klasse zu verweisen oder mit zusätzlichem Aufwand Kampagnen zu starten, hat das Unternehmen das einzig Richtige getan und das Produkt durch die Arbeit der Ingenieure wieder in Ordnung gebracht. Erst dann machten zusätzliche Marketing-Aktivitäten Sinn, um das Vertrauen in die Marke und den Absatz der A-Klasse wieder zu steigern. Den Ansatz, Probleme mit Kampagnen zu übertünchen, halte ich für falsch. Eine kluge Krisenkommunikation war bei Mercedes damals natürlich auch notwendig.

Auf die Stadt übertragen stellt sich doch die Frage: Wann ist denn das Produkt Duisburg wieder in Ordnung?

Gerste: Es gibt einige Problemstellungen, die inzwischen gelöst sind. Das Stadtfenster ist fast fertig, das Stahlgerüst neben der Küppersmühle ist verschwunden, das Landesarchiv ist eröffnet, auch bei der Mercatorhalle gibt es Fortschritte. An anderen Dingen muss man sicher noch arbeiten. Aber ich würde sagen: Mehrere schwierige Klippen sind umschifft. Und erzielte Verbesserungen dürfen nicht gefährdet werden. Das Aushängeschild aller Städte ist und bleibt die Innenstadt. Auch hier hat sich im letzten Jahrzehnt viel zum Positiven verändert. Solche Entwicklungen muss man weiter stärken. Und sich deshalb auch die Frage stellen, ob man es sich wirklich leisten kann, die Brunnen auf der Einkaufsmeile stillzulegen, um Betriebskosten zu sparen. Oder ob es sinnvoll ist, regelmäßige Reinigungen der Überdachung oder den Austausch von kaputtem Pflaster wirklich als „freiwillige Leistungen“ zu definieren. Wenn wir positive Wahrnehmung und Imageverbesserung erzielen wollen, können wir derartige Maßnahmen nicht nach der jeweiligen Haushaltslage entscheiden. Ich halte dies eher für Pflichtaufgaben, die zwingend sind, wenn man positive Effekte erzielen will. Knappe finanzielle Ressourcen erfordern eben auch konzeptionelle Prioritätensetzung.

Die finanziellen Probleme werden die Stadt ja noch Jahrzehnte beschäftigen. Darf es sich Duisburg denn erlauben, mit seinen Problemen zu kokettieren? So wie Berlin mit dem Spruch „Arm aber sexy“?

Gerste: Das war ja keine Werbekampagne, sondern ein Zitat des Regierenden Bürgermeisters. Es war aber eine für das Image Berlins positive Aussage. Jedenfalls muss man offen und authentisch damit umgehen, wenn eine Stadt Probleme hat. Es ist wichtig,Transparenz zu zeigen und sich keinesfalls überzogen darstellen. Duisburg ist nicht überall klassisch schön, aber ganz sicher spannend und kontrastreich. Mercedes hat in seiner Kampagne nach der Verbesserung der A-Klasse auch mit dem Elch „gespielt“. Marketing darf und muss auch frech sein, im kommunalen Bereich ist dies jedoch nur mit starker politischer Unterstützung möglich.