Duisburg. Beim Via-Verkehrsverbund der Städte Duisburg, Mülheim und Essen gibt es wieder so viele ungelöste Fragen, dass Essen nun die Kooperation in Frage stellt und prüfen lassen will. DVG-Chef Marcus Wittig sieht zwar vor allem beim Personal Reformbedarf, jedoch nicht allein zu Lasten Duisburgs.
Im gemeinsamen Verkehrsverbund „Via“ der Städte Duisburg (DVG), Essen (EVAG) und Mülheim (MVG) kriselt es mal wieder gehörig. Schwelender Streit, ungelöste Fragen, Kirchturmdenken und Kostendruck gipfelten jetzt sogar in einem Aufsichtsratsbeschluss der Essener, die Kooperation auf den Prüfstand zu stellen.
„Via hat sich als Kooperationsmodell bewährt“, kommentiert Duisburgs DVG-Vorstandsvorsitzender Marcus Wittig die Diskussion in den Nachbarstädten und mahnt zugleich zur Gelassenheit: „Es besteht kein Grund, Einzelfragen so hochzuspielen, dass gleich die Kooperation grundsätzlich in Frage gestellt wird.“ Es sei normal, „einzelne Konstruktionen „regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen“.
Personalzuordnung als Konfliktursprung
Hintergrund der Konflikte sind Fragen der Personalzuordnung, weitere Kooperationsmöglichkeiten und der Reformdruck, unter dem aus Duisburger Sicht vor allem die Essener EVAG steht. Die „notwendigen Diskussionen“ begründet Wittig mit den unterschiedlichen Ausgangssituationen in den Mutterhäusern der Via. In Duisburg etwa seien der Personalbereich und andere Steuerungsbereiche der DVG bereits seit Jahren in der Stadtwerke-Holding DVV verankert. Das sparte schon Millionen. In Essen hingegen seien die Töchter der Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) autonom aufgestellt, also auch die EVAG.
Mit gewissem Misstrauen blickt Duisburg seinerseits nach Essen und will sich nicht den schwarzen Peter als vermeintlicher Blockade-Partner zuschieben lassen, wenn sich die EVAG über die Via und zu Lasten der kleineren Partner MVG und DVG reformieren will. Zudem fällt auch in Duisburg auf, dass die neuerlichen Vorstöße aus dem Essener EVAG-Verdi-Lager kommen.
DVG will nicht draufzahlen
„Wir können in Via nicht Strukturen einnehmen, die dann einem Partner nutzen, bei einem anderen aber ein Erfolgsmodell auf den Kopf stellen. Soviel kann ich in Via gar nicht einsparen, wie ich durch die in Duisburg etablierten Synergieeffekte der Holding verlieren würde. Das ist keine Frage von Leidenschaft, sondern eine Frage der Mathematik“, erklärt Wittig. Daraus jedoch ein Kirchturmdenken abzuleiten, hält der DVG-Vorstandsvorsitzende für einen Fehler. Heißt indirekt: Die DVG hat ihre Hausaufgaben gemacht und will nicht draufzahlen. „Meine Vorstellung von Kooperation geht dahin, dass man auch aushalten muss, wenn unterschiedliche Meinungen vertreten werden.“
Die Geschäftsführung der Via, so Wittig, sei im Juni vom Via-Aufsichtsrat beauftragt worden, weitere Entwicklungsoptionen bis Ende des Jahres zu skizzieren. „Unsere Erwartungshaltung ist, dass dabei die Vor- und Nachteile verschiedener Varianten nüchtern betrachtet werden. Misstöne, egal aus welcher Richtung, sind da überflüssig und der Sache nicht dienlich“, so der DVV-Chef weiter. Für ihn ist unumstritten, dass die DVG an der Kooperation festhalten wird. „Alle Beteiligten sind sich doch darüber einig, dass die gemeinsame Tochtergesellschaft dazu beitragen soll, Kosten in den Muttergesellschaften zu reduzieren. Darauf müssen wir uns fokussieren.“ Nur so könnten die Kommunen den öffentlichen Nahverkehr in seiner Qualität erhalten.
„Besser abwickeln?“ - So sieht es Mülheim
Streit entfacht sich insbesondere an der Frage, wie das Personalwesen künftig organisiert wird. Auch die Schaffung und Besetzung eines Arbeitsdirektor-Postens wird mit harten Bandagen gekämpft.
Dr. Hendrik Dönnebrink, Chef der Mülheimer Beteiligungsholding, sieht das Projekt ebenfalls in Gefahr: „Wenn es bleibt, wie es ist, und man sich nicht auf das Wesentliche konzentriert, Kosten zu sparen und die Qualität zu verbessern, ist es besser, Via abzuwickeln.“ So weit denkt Mülheims Kämmerer Uwe Bonan nicht. Wegen der Finanzierungsprobleme im ÖPNV sei es wichtig, über die Kooperation Synergien zu erzielen. Über dies, so die Bündelung von Werkstätten und den städteübergreifenden Personaleinsatz, sei nun endlich vorrangig zu diskutieren, nicht „über Posten“. Ein Scheitern von Via, so Bonan, wolle wohl niemand. „Dann haben wir die Privatisierungsdiskussion wieder im Haus.“
Klaus-Peter Wandelenus, MVG-Geschäftsführer und Via-Vorstand, sieht den Verbund nicht am Ende, die Debatte sei „hochgespielt“. Die Kooperation kritisch auf den Prüfstand zu stellen, wie jetzt in Essen initiiert, sei doch normal. 6,5 von 13,5 Millionen Euro strukturellem Einsparziel bis zum Jahr 2020 seien gehoben. Weitergehende Maßnahmen seien nun mal, auch wegen der Mitbestimmung, schwieriger umzusetzen.
„Was bringt uns das?“ - So sieht es Essen
Seit geraumer Zeit knirscht es mächtig im Getriebe. Nun kommt der Motor vollends ins Stocken: Die Evag stellt „Via“ auf den Prüfstand. „Es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen und zu fragen: Was bringt uns das?“, formuliert Lothar Grüll, Geschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und frisch gewählter stellvertretender Vorsitzender des Evag-Aufsichtsrates. Alles deutet derzeit daraufhin, dass das ambitionierte Projekt auf halber Strecke liegen bleibt. Via sollte als Blaupause dienen für eine städteübergreifende Zusammenarbeit im Revier.
Doch Ernüchterung hat sich breit gemacht. Gemeinsame Aufsichtsratssitzungen bei „Via“ beschreiben Teilnehmer so: „Es herrscht Gefrierschranktemperatur.“ Doch nicht nur Verdi-Mann Grüll beschleicht längst das Gefühl, dass es so recht nicht vorwärts geht auf dem gemeinsamen Weg. Das gelte insbesondere für den Overhead, die Verwaltung also. Dies ist auch strukturellen Problemen geschuldet, die bis heute nicht gelöst sind. So hat die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) ihr Personalmanagement - anders als die Evag - ihrer städtischen Holding übertragen, was eine einheitliche Personalstrategie bei „Via“ erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. „Die Duisburger machen ihr eigenes Ding“, klagt Grüll. Inzwischen soll auch die Mülheimer MVG erwägen, wieder gleiches zu tun.
Bei der DVG stehen alle Räder still