Duisburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog es viele Hauptstädter nach Duisburg. 1952 schlossen sie sich zum Verein „Bund der Berliner“ zusammen, Sonja Franke und Ursula Bode sind heute die beiden einzigen Mitglieder.
Das Album mit den zahlreichen Schwarz-Weiß-Bildern, Einladungskarten und Zeitungsausschnitten ist ein Dokument der Zeit- und Stadtgeschichte. Es erzählt die Geschichte der Berliner in Duisburg nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum „Bund der Berliner e.V.“ schlossen sie sich 1952 zusammen. Die Geschichten und Anekdoten, die Sonja Franke (88) und Ursula Bode (89) berichten können, würden locker ein ganzes Buch füllen. Sie sind die letzten beiden Mitglieder der „Berolina“, die in der Nachkriegszeit ein Teil des Duisburger Lebens war.
„Wir sind vom Verein der schäbige Rest“, schmunzeln die Damen, die auch nach mehr als einem halben Jahrhundert in Duisburg noch unüberhörbar Berliner sind. Geblieben ist auch die Liebe zur Stadt, die sie verlassen mussten. „Uns fehlt die Berliner Luft“, sagen die Huckingerinnen.
Flucht vor Arbeitslosigkeit
Exemplarisch stehen die Geschichten ihres Lebens für die etwa 150 Berliner, die es nach Kriegsende nach Duisburg verschlug. Von Ursula Bode, die fast bis zum Kriegsende im Hotel Adlon arbeitete. An die Begegnungen mit dem Hotelier Louis Adlon erinnert sie sich noch heute. „Ein stattlicher Mann.“ Kurz vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen trafen Bomben ihr Haus in Kreuzberg. „Nach dem Krieg gab es viel Arbeitslosigkeit in Berlin“, berichtet sie, „als wir heirateten, hatten wir beide keine Arbeit.“ Mindestens 100 Bewerbungen schrieb ihr Mann Eberhard, 1952 schließlich stellte die Stadt Duisburg den Vermessungstechniker ein. „Der erste Protestant in der Verwaltung“, erinnert sie sich, „die Konfession war damals noch ein wichtiges Thema“.
Aus Adlershof, nach dem Krieg in der sowjetischen Zone Berlins, stammt Sonja Franke. „Ich war Sprecherin meiner Abteilung im Kabelwerk, wo ich arbeitete“, berichtet sie. In der Folge der Streiks des 17. Juni 1953 wurde sie festgenommen. Auf 18 Monate Haft lautete das Urteil für die damals junge Mutter eines fünfjährigen Sohnes. Als sie nach einem Jahr entlassen wurde, „wollte ich dort nicht mehr leben“, sagt sie. Kofferweise schaffte sie zunächst Habseligkeiten über die Sektorengrenze zu einer Cousine nach Charlottenburg, reist 1957 aus nach Duisburg wo ihr Mann Günter Arbeit als Kranführer bei Mannesmann fand.
„DIe Leute brauchten sich nicht mehr“
Seit der Gründung des Bundes der Duisburger Berliner waren da schon fünf Jahre vergangen. Das Hotel Prinzregent an der Universitätsstraße, 1978 abgerissen, war lange Treffpunkt und Zentrum des Vereinslebens. Dessen Höhepunkt: der Besuch des regierenden Bürgermeisters Willy Brandt, der zur Einweihung der Berliner Brücke (A 59) nach Duisburg kam. „Es gab die Stammtischrunden, Skatclubs, gemeinsame Fahrten. Und es wurde viel gefeiert“, berichtet Sonja Franke.
Schon Anfang der 1970er Jahre „fing es aber an zu bröckeln“, sagt Ursula Bode, deren Mann Eberhard lange mit dem Vorsitzenden Heinz Seidel den Verein führte. „Der Wohlstand kam, die Leute brauchten sich nicht mehr.“ Nachwuchs fand sich nicht mehr in der nächsten Generation – viele waren zwar noch geborene Berliner, aber als Duisburger aufgewachsen.
Einmal im Jahr reist Sonja Franke noch nach Berlin, die Gesundheit von Ursula Bode erlaubt die Reise nicht mehr. Das Hotel Adlon hat sie aber wiedergesehen. 1997 war das am Tag nach der Wiedereröffnung. Percy Adlon, der Enkel „ihres“ Direktors, traf sie dabei zufällig und ging mit ihm durchs Haus. Am nächsten Montag feiert Ursula Bode ab 11 Uhr ihren 90. Geburtstag im „Jagdhaus Tannenhof“ am Broicher Waldweg im Uhlenhorst. Dann wird sie die Geschichte bestimmt noch mal erzählen. Diese und ganz viele anderen von den Duisburger Berlinern.