Duisburg. Marianne Intveen-Lindner aus Duisburg erlebte den Bombenkrieg in Kaßlerfeld: 14 Tote im Keller des Nachbarhauses, Blindgänger als Spielgerät und Beschuss bei Kriegsende.

„Ich bin auf die Knie gefallen vor unserem Haus“, erinnert sich Marianne Intveen-Lindner an den 14. Oktober 1944. „Vorsicht, Blindgänger“, stand handschriftlich an der Tür und ein Hinweis von der Familie: „Wir wohnen Angerstraße 10.“ Und eben nicht mehr an der heimischen Klemensstraße in Kaßlerfeld.

„Ich bin aber doch noch rein und habe ein paar Sachen von mir geholt“, berichtet Intveen-Lindner vom Tag nach dem schwersten Luftangriff auf Duisburg. Alle Wohnungstüren hätten offen gestanden im Haus, das ohne Bewohner war. Den Ausgebombten sei anderweitig Wohnraum zugewiesen worden, oft bei völlig unbekannten Menschen.

Schlimmer getroffen hatte es das Nachbarhaus, wo 14 Menschen im Keller den Tod gefunden hatten nach den drei Angriffswellen der alliierten Bomberflotten. Was von den Leichen gefunden wurde, habe man in einer Zinkwanne gesammelt. „Es war ganz entsetzlich“, sagt Intveen-Lindner noch heute spürbar bewegt.

Blindgänger zerschlug vier Etagen und zwei Klaviere

Im ganzen Viertel habe es zerstörte Häuser gegeben, überall lagen Tote, eine Brotfabrik war völlig ausgebrannt: „Das war eigentlich der schlimmste Angriff“, sagt die Kaßlerfelderin, die damals 17 Jahre alt war.

Tod und Zerstörung nicht nur dieses Tages haben sich ihr auch nach 70 Jahren noch fest eingeprägt, Namen, Details, schlimme Geschichten. Etwa von dem zehn- oder elfjährigen Jungen, den die Mutter suchte, der es aber nicht in den Bunker geschafft hatte. Nachdem die Sirenen Entwarnung gegeben hatten und die Bunkertüren vom Luftschutzwart wieder geöffnet wurden, suchte die Frau weiter und fand in den Trümmern Fuß und Schuh ihres Kindes.

Duisburg in Trümmern

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In einem weiteren Haus in der Nachbarschaft hatte ein Blindgänger vier Etagen und zwei Klaviere durchschlagen, um letztlich – ohne weiteren Schaden anzurichten – im Keller zu landen. Der Sprengkörper wurde von einem speziellen Kommando geborgen und lag nach Intveen-Lindners Erinnerung dann noch zwei oder drei Wochen bis zur Entschärfung ohne weitere Sicherheitsvorkehrungen an der Straße, wo Kinder darauf herumkletterten und -tobten – ein nicht ungefährliches Spielgerät.

Über die Ruhr ging es nur noch über Holzplanken

Aber nicht nur aus Luft kam die Gefahr in diesen schlimmen Zeiten. Gegen Kriegsende waren am Weidenweg noch Barrikaden errichtet worden, „damit keine Panzer durchkommen“, berichtet die Kaßlerfelderin von ihren Erlebnissen auf dem Weg zur Arbeit in der Nähe des Tausendfensterhauses in Ruhrort.

An der Ruhrorter Straße sei sie sogar beschossen worden: „Der Feind war schon in Neuenkamp.“ Aber die Jugendlichen von damals waren auf solche Vorfälle vorbereitet: „Flach auf den Boden legen – das hatten wir gelernt.“

Die Brücke über die Ruhr war längst gesprengt worden, hinüber ging’s nur noch auf schmalen Holzplanken, Halt bei der Kletterpartie boten nur Seile, die an dem Behelfsübergang gespannt waren. Auf der Ruhr selbst verkehrte damals auch ein Nachen, aber der sei damals den älteren Menschen vorbehalten gewesen, sagt Intveen-Lindner.

Ständige Angst gehörte Jahre zum Alltag

Allabendlich habe man sich vorbereitet auf die nächtlichen Alarmmeldungen, bunkergerecht gekleidet auf die Sirenen gewartet. Erklang das auf- und abschwellende Heulen, „rannten wir in den Bunker“. Bis dann der Tag kam, der so war wie kein anderer seit 1939: „Auf einmal hieß es: der Krieg ist aus.“ Die Nachricht machte die Runde in Kaßlerfeld wie in allen anderen Teilen der Stadt. Intveen-Lindner zu ihrer damaligen Stimmungslage: „Das war wie ein hoher Feiertag.“

Und ganz konkret bedeutete das nach Bomben und Beschuss vor allem eines: „Man konnte wieder auf die Straße gehen“ – ohne die ständige Angst, die über Jahre zum Alltag gehörte.