Duisburg/Oberhausen.
Muss die Stadt wegen der Müllverbrennungsanlagen Millionen bezahlen, die sich nicht hat? Muss der Gebührenzahler tiefer in die Tasche greifen für die Müllentsorgung? Thomas Patermann, Chef der Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD), hat versucht, die anstehende Neuordnung bei den Müllöfen zu erklären.
Was ist das Problem?
Um die Jahrtausendwende hatte die Gemeinschafts-müllverbrennungsanlage in Oberhausen wegen Minderauslastung und hohem Investitionsbedarf rund eine halbe Milliarde Schulden angehäuft. Mit Rethmann, heute Remondis, wurde ein privater Partner gefunden, der 49 % der Anlage übernahm. 35,8 % gehören seither Duisburg, der Rest Oberhausen.
Zwischen den Städten und der GMVA wurde ein Entsorgungsvertrag geschlossen mit festgeschriebenen Verbrennungspreisen von zunächst 150 bis 170, ab 2011 dann 257 Euro pro Tonne bis 2020. Und es wurde eine Umschuldung mit einer Bank vereinbart, die ebenfalls bis 2020 läuft und mit etwa 140 Euro pro Tonne der Verbrennungskosten bedient wird. Diese Zahlung garantieren die beiden Städte. Das heißt: 224 Mio Euro sind derzeit noch offen, der Duisburger Anteil liegt bei rund 151 Mio Euro.
Also weiter abzahlen?
Im Prinzip ja, aber inzwischen haben Verwaltungsrichter diverse Kritikpunkte an der gängigen Verbrennungskostenfestsetzung gefunden, mit der Folge, dass die festgelegten Preise nicht mehr zu halten waren. Wirtschaftsprüfer hatten einen Tonnenpreis von 174 Euro ermittelt, das war dem Verwaltungsgericht Düsseldorf zu viel. Gerügt wurde unter anderem eine zu hohe Kapazität der Anlage und dass Energieerlöse für Strom und Fernwärme nicht gebührenmindernd angerechnet wurden.
Ist das rechtskräftig?
Nein, ist es nicht. Es gibt eine Berufung gegen früherer Entscheidungen, eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts kann 2014 fallen oder auch erst 2015.
Und bis dahin?
Bis dahin ist aus Sicht der Wirtschaftsbetriebe nicht sicher, ob die bisherige Gebührenkalkulation zu halten sein wird. Sollte das bisherige Verbrennungsentgelt nach Einschätzung der Münsteraner Richter zu hoch sein, geht man bei WBD von einer Rückzahlung an die Gebührenzahler für die Jahre ab 2011 aus. Das Geld müsste dann von der GMVA zurückgefordert werden. Je nach Gebührenkalkulation des Gerichts fielen Summen zwischen 18 und 58 Mio Euro an.
GmbH & Co KG übernimmt 2014 die Entsorgungsverträge
Könnte die GMVA zahlen?
Davon ist eher nicht auszugehen. Es drohe die Insolvenz, stellte Patermann gestern klar.
Die Folgen für die Stadt?
Die Städte müssten die 224 Mio Euro weiter abbezahlen, sind aufgrund der Haushaltslage dazu aber nicht in der Lage – wenn nicht noch weiter Leistungen gekürzt werden sollen. Rund 200 Arbeitsplätze gingen verloren und jährlich 25 Mio Euro Auftragsvolumen für Zulieferer in der Umgebung.
Was ändert die Neuordnung?
Zum 1. Januar 2014 übernimmt eine GmbH & Co KG die Entsorgungsverträge von Duisburg und Oberhausen. Sie beauftragt die GMVA mit der Müllverbrennung. Und zwar rechtssicher, so Patermann. Das Risiko, bei Gericht zu unterliegen, hätte nur Folgen bis 2013, nicht aber darüber hinaus.
Sorge um Auslastung
Wer älter ist als 50 Jahre, hat ihn vielleicht noch in der Nase: den Geruch schwelender Müllkippen irgendwo in der Landschaft. Das war einmal Stand der Entsorgungstechnik und völlig legal. Besserung versprachen Müllverbrennungsanlagen, wie sie in den 60er und 70er Jahren verstärkt entstanden - so auch die GMVA Niederrhein in Oberhausen durch Umbau des Kraftwerks der Zeche Concordia.
1972 wird dort der erste Müll verbrannt. In den Folgejahren wird immer wieder kräftig investiert, vor allem in Umweltschutztechnik wie etwa die Rauchgasreinigung. Sorge bereitet in den 90er Jahren die mangelnde Auslastung der teuren Anlage, weil private Entsorger nach wie vor Deponien betreiben – ökologisch bedenklich, aber billig. Ende des letzten Jahrtausends war mit Rethmann ein Partner gefunden, der nicht nur Geld mitbrachte, sondern auch Müllmengen für eine bessere Auslastung.
Wie sieht die Zukunft aus?
Wenn der Rat am 11. November „ja“ sagt zur Neuordnung der GMVA-Konstruktion, ist nach Einschätzung der WBD-Führung die Müllverbrennung gesichert und auch die Abzahlung der Schulen aus der Zeit um 2000/ 2001 – ohne Belastung des städtischen Haushaltes.
Wird’s teurer für die Bürger?
Zum 1. Januar 2014 sollen die Verbrennungskosten von zur Zeit 174,37 auf 159,80 Euro pro Tonne gesenkt werden. Dadurch sinken die privaten Entsorgungskosten: die Grundgebühr für die Müllabfuhr um 2,6 %, die Leistungsgebühr um 0,9 %. Bedeutet laut Wirtschaftsbetrieben pro durchschnittlichem Duisburger Haushalt eine Einsparung von fünf bis zehn Euro – pro Jahr wohlgemerkt.
Reicht das für die GMVA?
Patermann geht davon aus, dass 140 bis 160 Euro pro Tonne nötig sind, um die Bankschulden bis 2020 abzubauen. Für die Müllverbrennung in Oberhausen bedeutet das aber, dass sie sich überwiegend durch Erträge finanzieren muss aus der Verbrennung von Müll dritter Anlieferer, also nicht durch Duisburger und Oberhausener Müll. Ob die Müllverbrennung langfristig zu sichern ist, kommt auf Entwicklungen der Zukunft an. Experten gehen aus von sinkenden Müllmengen, unter anderem durch die Einführung von Bio-Tonnen ab 2015. Und die Strompreise purzeln sowieso.