Sechs Zentner Koks und sechs Stunden Zeit sind nötig, um das gedrungene Stahlkreuz zur Weißglut zu bringen. Am Samstagabend soll es in der dunklen Salvatorkirche einzige Lichtquelle und Mittelpunkt der Kunstaktion „Kreuz und Licht“ sein.
Bis dahin ist noch viel zu tun. Morgens um elf Uhr baut der Vredener Bildhauer und Aktionskünstler Walter Wittek (69) mit seinen Helfern hinter der alten Stadtkirche den Ofen auf. Der aus Stahlstäben gefertigte Korb wird mit passend geschnittenen Schamottesteinen ausgekleidet. Der Ofen hat am Boden einen Belüftungsschacht, an den ein großes Gebläse angeschlossen wird. Durch dicke Schläuche, die in lanzenförmigen Metallspitzen enden, wird zusätzliche Luft direkt in den glühenden Koks geblasen.
Kreuz wiegt 80 kg
Mit drei Gasbrennern heizen die Männer den Hochofen Marke Eigenbau an. Wittek hat die ganze Zeit über Zuschauer. Viele von ihnen kennen sich aus mit Stahl, erzählen vom der Arbeit in Walz- und Schienenwerk und vom Abstich, der den Himmel rot färbt. Ihre Augen leuchten.
Um zwei Uhr ist die Temperatur so hoch, dass die Luft flimmert. Der ganze Ofen scheint zu tanzen. Das 80 Kilogramm schwere Kreuz wird in die Glut gelegt. „Jetzt muss alles ganz präzise ablaufen“, sagt Wittek, „wenn wir nicht genug Hitze kriegen, stimmt nachher der Effekt nicht, haben wir zu viel, dann schmilzt der Stahl und schießt unten aus dem Ofen raus“.
Der Effekt stimmt
Um kurz vor sechs Uhr abends spricht Martin Winterberg, einer der beiden Pfarrer an der Salvatorkirche vor 200 Besuchern. „Kohle und Stahl haben Duisburg einst reich und stolz gemacht“, sagt er und geht auch auf die sozialen Brennpunkte der klammen Stadt von heute ein. Dann wird es dunkel.
Glühendes Stahlkreuz
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Vier Männer tragen das 1200 Grad heiße Kreuz mit einer mächtigen Zange herein und stellen es auf einem Stahlquader vor dem Altar ab. Der Effekt stimmt. Begleitet von allmählich ruhiger werdender Orgelmusik verändert das Kreuz seine Farbe langsam von weiß über orange zu dunkelrot. Es wird fleckig, außen bildet sich eine undurchsichtige Zunderschicht, die in der Mitte aufreißt und abfällt.
Stahlkreuz bleibt in der Kirche
Im Dunkel der Kirche zerfällt das Publikum in Betrachter und Fotografen. Die einen drängeln um den besten Platz, wollen die Glut im Bild festhalten. Die anderen möchten sie in Ruhe genießen. Leider wissen viele Knipser nicht, wie sie den Blitz an ihrer Kamera ausschalten können. Künstler, Küster und Pfarrer versuchen, das ungebetene Blitzlichtgewitter einzudämmen.
Nach einer halben Stunde beendet ein starker Scheinwerfer die Aktion. „Das war beeindruckend“, sagt eine Besucherin, „ wenn ich die Augen zumache, sehe ich es immer noch leuchten“. Das Stahlkreuz wird in der Salvatorkirche bleiben.
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