Duisburg. . Die Deutsche Rentenversicherung appelliert, sich regelmäßig und rechtzeitig um den Rentenverlauf zu kümmern.
„Das Thema Altersarmut begleitet uns, seit wir die Beratungsstelle 1997 eröffnet haben“, sagt Sabine Koniecny, Sachgebietsleiterin bei der Deutschen Rentenversicherung in Duisburg. Aktuell ist die Debatte wieder befeuert durch neue Studien und Pläne der Parteien sowie dem Horrorszenario, dass 2030 Millionen Arbeitnehmer von Sozialhilfe abhängig sind: die heute Vierzigjährigen.
In Duisburg werden nach letzten Prognosen des Amtes für Soziales und Wohnen im Jahr 2027 knapp 100.000 Personen 65 Jahre und älter sein, also in Rente. Zum Vergleich: Die Gesamteinwohnerzahl liegt dann bei 446.545 Bürgern.
Koniecny hat schon alle emotionalen Facetten erlebt: Trauer und Entsetzen, gefasste Wut, große Enttäuschung, aber auch Erleichterung und Aufatmen. Der Weg zu ihr fällt ohnehin vielen nicht leicht: „Behördenangst“ nennt sie das. Was fatal ist: „Wer sich erst kurz vor der Rente kümmert, kann Pech haben, wenn Unterlagen fehlen, weil die Aufbewahrungsfristen bei Kassen verstrichen, ehemalige Arbeitgeber insolvent sein können“, mahnt die Expertin. Kaum etwas werde automatisch gespeichert, kein Schulabschluss, keine Geburt.
Grundsicherung
Der geringste Rentenanspruch liegt bei 20 Euro brutto, im Schnitt erhalten Männer in NRW 1105 Euro, Frauen 533 Euro, aber ein Drittel von ihnen kommt durch Hinterbliebenenrenten auf 1082 Euro. Um der versteckten Altersarmut zu begegnen, informiert die Versicherung alle, die unter dem Schwellenwert von 741,69 Euro liegen. Ihnen steht eine Grundsicherung zu, um wenigstens auf Hartz-IV-Niveau zu kommen. „Im Unterschied zur Sozialhilfe werden dabei die Kinder nicht belangt“, betont Koniecnzy. In Duisburg beziehen 6341 Menschen Grundsicherung, davon sind 4005 über 65 Jahre alt und davon beziehen wiederum 2907 bereits eine Rente. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass über die Hälfte der Bezugsberechtigten aus Scham auf das Geld verzichten.
Die IG Bau sieht die Bauarbeiter in Gefahr: „Kaum ein Maurer, Dachdecker oder Gerüstbauer in Duisburg erreicht die reguläre Rentenaltersgrenze. Der körperliche Verschleiß im Job ist zu groß. Die meisten schaffen es nicht einmal, bis 60 Jahre zu arbeiten. Und dann droht vor dem Erreichen der Altersrente der soziale Abstieg oder sogar Armut“, sagt der Bezirksvorsitzende Friedhelm Bierkant. Die Anhebung des Rentenalters auf 67 verschlimmere die Situation.
Beim Selbstversuch der WAZ reichte der Personalausweis für eine Kontrolle. Mein nächster Besuch ist 2017 fällig. Weil dann meine Kinder mindestens zehn Jahre alt sind, muss ich einen Antrag für die „Kinder-Berücksichtigungszeiten“ stellen. Gut zu wissen.
Vier Duisburger in der Beratungsstelle
Zwei Monate hat sich Gerrit Antons um seinen kleinen Sohn Steffen gekümmert. Er will Lücken in seinem Rentenverlauf vermeiden und hörte, dass Elternzeiten standardmäßig den Frauen gutgeschrieben werden. Deshalb ist er mit allen Unterlagen gekommen und will sich einen aktuellen Verlauf ausstellen lassen. „Aber wir beschäftigen uns ohnehin mit dem Thema“, erzählt der 40-Jährige. „Wir haben zwar auch privat vorgesorgt, aber man muss ja wachsam sein“, erklärt er. Was ihn verunsichert, ist wie viel das Geld später noch wert ist - und wie sich seine Ansprüche im Alter verändern werden.
Herb enttäuscht ist Hans Ludwig Esser. Der 56-jährige Kraftfahrer würde gern mit 60 Jahren in Rente gehen. „Der Beruf ist stressig, das Be- und Entladen geht auf die Knochen“, beschreibt er. Seinen Urlaub nutzt er, um sich ausrechnen zu lassen, was ihn der frühe Berufsausstieg kosten würde: „Eine Menge! Statt 1600 würde ich nur knapp 1000 Euro bekommen“, erzählt er ernüchtert und muss sich jetzt überlegen, ob er bis 65 durchhalten will oder ob er dann mit einem 400-Euro- Job dazuverdienen will. Seinen Lebensstandard würde er gern aufrecht erhalten. „Das spornt mich an, wieder Lotto zu spielen.
Margret Cremers geht am 1. Oktober in Rente. Bis dahin stehen nur noch zwei Arbeitstage aus. 23 Jahre arbeitete sie Teilzeit als Kassiererin, erzog vorher zwei Kinder. Die Rentenansprüche sind nicht sehr hoch, aber eine Witwenrente kommt hinzu. Große Sprünge sind nicht möglich. Auf 400-Euro-Basis könnte sie in ihrem alten Job weitermachen. Das würde sie finanziell flexibel machen - „und ich komm unter Leute“, sagt die 64-Jährige. Bei der Beratung war sie, um auf Nummer Sicher zu gehen. Rentenabzüge will sie mit der Nebenbeschäftigung nicht riskieren. Und? „Es klappt, am 1. Oktober fang ich an.“
Meike Czernik ist zum ersten Mal in ihrem Leben in der Beratung. Die 37-Jährige hat einen ganzen Korb voller Unterlagen dabei, inklusive der Schulzeugnisse, denn weder Schulabschluss noch die Ausbildung noch die zwei Kinder sind im Rentenversicherungsverlauf aufgetaucht. Der Hauptgrund ist allerdings die Trennung vom Ehepartner. Jetzt muss alles auseinandergedröselt werden. Blauäugig sei sie in Sachen Rente allerdings nicht: „Wir haben privat vorgesorgt mit Riester und einer Versicherung. Und wenn die Kinder größer sind, kann ich noch 30 Jahre arbeiten und einzahlen.“