Duisburg. Der Tanz aus Argentinien gewinnt auch in Duisburg immer mehr Anhänger. Mit Martin Sieverding und Norbert Heuser wollen zwei Tanzlehrer den Tango nicht nur weiter salonfähig machen, sondern auch das Gegenteil: ihn auf die Straße bringen. Bereits jetzt gibt es ein Tanzparkett der besonderen Art am Innenhafen.

Tango - damit verbinden viele nicht mehr als einen eingestaubten, steifen Standardtanz, der in kitschigen Salons getanzt wird. Doch dass der Tango seit den 90er Jahren einen regelrechten Boom erlebt und längst aus den Hafenvierteln der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires hinüber ins Ruhrgebiet geschwappt ist, wissen die wenigsten. Tango ist mehr als nur Geigen und hemmungslose Leidenschaft, das bezeugen Martin Sieverding und Norbert Heuser, beide Tangolehrer aus Duisburg.

Martin Sieverding besuchte seine erste Tanzstunde in Wuppertal, reiste fortan zu verschiedenen Workshops und nach Buenos Aires, wo er bis zu zehn Stunden täglich tanzte. Er unterrichtet inzwischen im gesamten Ruhrgebiet und in seinem Tanzhaus in Homberg. Norbert Heuser kam vor zehn Jahren zufällig vom Stepptanz auf den Tango.

„Der Tango ist mal schnell, mal langsam, mal akzentuiert, mal schwebend, die Bewegungen sind allerdings immer subtil“, sagt Tanzlehrer Martin Sieverding.
„Der Tango ist mal schnell, mal langsam, mal akzentuiert, mal schwebend, die Bewegungen sind allerdings immer subtil“, sagt Tanzlehrer Martin Sieverding. © WAZFotoPool

Inzwischen engagiert er in seinem „Studio N“ in Neudorf zwei Tanzpaare, die regelmäßig unterrichten. „Die Tangoszene in Duisburg hat sich in den letzten fünf Jahren sehr zersiedelt. Man könnte fast von einem Überangebot sprechen“, berichtet er. Im Gegensatz zur Tangohochburg Köln sei Duisburg durch die Lage in der Metropolregion eine Pendlerstadt. Studenten und Schichtarbeiter zum Beispiel könnten regelmäßige Tanzstunden selten wahrnehmen. Daher gibt es im Studio N nun ein 10er Karten System, bei dem man nur die Stunden zahlt, an denen man tatsächlich teilnimmt.

„Milonga“ im Garten der Erinnerung

Etwas ganz Besonderes für die Duisburger Szene ist die Open-Air „Milonga“, die jeden Samstag im Duisburger Innenhafen stattfindet. Hierfür reisen sogar Tänzer aus Köln oder den Niederlanden an. Als außergewöhnliche Tanzkulisse dienen der Garten der Erinnerung und der Innenhafen, der die modernen Gebäude auf der anderen Seite spiegelt. Es wird getanzt, erzählt und entspannt. Elke Harborth, die drei bis vier Mal wöchentlich trainiert, kommt aus Essen und wirbelt spontan mit einem Junggesellen im Wikingerkostüm über die Fläche. Gäste sind hier jederzeit willkommen, das merkt man schnell.

Tanzlehrer hoffen auf Nachwuchs

Norbert Heuser und Martin Sieverding bedauern gleichermaßen, dass es immer noch schwierig ist, sich außerhalb von Tanzsalons zu bewegen und den Tango auf die Straße zu holen. GEMA-Gebühren und Genehmigungen der Stadt erschweren die Verbreitung der Tanzszene, die so wichtig für die kulturelle Vielfalt Duisburgs ist.

Beide Lehrer hoffen auf ein jüngeres Publikum. Norbert Heuser hat dazu Kontakt mit der Uni aufgenommen. Starten werden die Hochschulsportkurse am Standort Duisburg bereits im kommenden Wintersemester. Informationen zu Kursen bei Martin Sieverding unter www.tango-emocion.de und von Norbert Heuser unter www.studion.de.

Mit dem klassischen Tango-Tanz aus Südamerika wurde im Laufe der Jahre viel experimentiert, traditionelle Codes wurden aufgebrochen. So ist zum Beispiel der Neotango entstanden, der zu elektronischen Rhythmen getanzt wird. Darüber hinaus sind die einzelnen Bewegungen des Paartanzes weicher und spontaner geworden. „Der Tango ist mal schnell, mal langsam, mal akzentuiert, mal schwebend, die Bewegungen sind allerdings immer subtil“, sagt Martin Sieverding.

Paare teilen Momente

So verschieden die Tanzstile des Tango sind, so auch seine Tänzer. Die Tangoneulinge sind in der Regel zwischen 30 und 60 Jahre alt. Von der Studentin über den RTL-Moderator bis zum 87-Jährigen reicht das Tangofieber. Der Duisburger Christian Schlettig kam durch die Musik zum Tanz, Tanzpartnerin Uta Sanders lernte den Tango beim Wochenendprogramm einer Rückenklinik kennen. Manche Schüler haben lateinamerikanische Wurzeln, aber auch viele Duisburger, die aus Kulturen mit Folklore-Tradition stammen, interessieren sich für den innigen Paartanz.

„Beim Tango teilen zwei Menschen Momente - ohne Verbindlichkeit“, so beschreibt Sieverding das Besondere am Tangotanzen. Unterschiede zwischen dem deutschen Tango und dem melancholischen Tanz in Argentinien gibt es im Grunde nicht, doch die enge Tanz-„Umarmung“ und die stolze Körperhaltung falle den lateinamerikanischen Machomännern oft leichter. „In Buenos Aires käme auch nie eine Frau auf die Idee, einen Mann mündlich zum Tanz aufzufordern, das funktioniert da allein über Blickkontakt“, weiß Martin Sieverding.