Duisburg. Wer ist für die Planungspleite an der Duisburger Bahnhofsplatte verantwortlich? Wer haftet für die Steuergeld-Verschwendung? Und warum zahlt die Stadt trotz vermeintlich fehlerhafter Arbeit 200.000 Euro?

Ein bisschen Unkraut am Rand der Bahnhofsplatte ist schon zu sehen. Der frisch gesäte Rasen an den Längsseiten lässt noch auf sich warten. Die schweren Maschinen, die die Stolperfallen eingeebnet haben, sind wieder verschwunden. In dieser Woche sollen Laster schwere Findlinge ankarren, damit niemand auf die Idee kommt, auf der riesigen Betonfläche sein Auto abzustellen. Noch im Herbst sollen die versprochenen 21 Magnolien aufgestellt werden. Was dann folgt, dazu haben Bürger 50 Vorschläge gemacht. Es geht also langsam voran an der Bahnhofsplatte. Doch ist damit alles gut? Ist die Pannenserie und das Planungsdebakel damit vergessen?

Wohl kaum. Denn wer eigentlich die Schuld daran trägt, dass die stolze Summe von 200.000 Euro aus der Stadtkasse in den Sand gesetzt wurde, ist nach wie vor ungeklärt. Wer hat sich denn nun eigentlich bei dem Drei-Millionen-Euro-Projekt um eine ganze Million verrechnet? Und hätte das nicht auffallen müssen? Bei der Suche nach dem Schuldigen reagieren die Verantwortlichen schmallippig.

Das günstigste Angebot

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Die Planung lag in den Händen der Landschaftsarchitekten Kipar, einem Mailänder Büro mit Niederlassung in Duisburg. Sie hatten in dem Wettbewerb das Rennen gemacht, zu dem die Stadt fünf renommierte Landschaftsarchitekten eingeladen hatten. Ausgewählt wurden die Mailänder vom damaligen OB Adolf Sauerland, Ex-Baudezernenten Jürgen Dressler, Ministerial-Direktor Hans-Dieter Collinet aus dem NRW-Bauministerium und von Dr. Ralf Oehmke, dem Chef der Innenstadt-Entwicklungsgesellschaft (IDE). Die Entscheidung fiel einstimmig, alle vier lobten an dem Entwurf „die besonderen freiraumplanerischen Qualitäten“, die „hohe Flexibilität und die Wirtschaftlichkeit“. Letzteres bedeutet im Klartext: Kipar hatte das günstigste Angebot gemacht.

Und genau bei den Kosten liegt der Knackpunkt: Drei Millionen Euro betragen die Gesamtkosten, die der Rat am 6. Dezember 2010 für die Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes beschlossen hatte. Eine Summe, mit der sich die Pläne nicht verwirklichen ließen, wie sich im Mai dieses Jahres herausstellte. Denn nachdem die IDE die Arbeiten am 6. Januar 2012 ausgeschrieben hat, musste sie wochenlang vergeblich auf ein Angebot warten. Rund eine Million Euro zusätzlich wären nötig, um das Projekt tatsächlich umzusetzen. Fraglich bleibt auch, warum der Kalkulationsfehler dann erst weitere drei Monate später auffiel. Immerhin war die Kostenaufstellung zuvor von einem weiteren Planungsbüro geprüft worden.

Als die Politik im Juni schließlich unterrichtet wurde und Dr. Andreas Kipar mit einer eilig zusammengeschusterten Spar-Version scheiterte, hat die Stadt die Zusammenarbeit mit dem Architekten beendet. Sein Honorar für die vermeintlich fehlerhafte Planung hat er dennoch erhalten: Insgesamt rund 200.000 Euro überwies die Stadt auf sein Konto.

Die geplanten Gesamtkosten für die Platzgestaltung, die laut diesem Papier auf Berechnungen der IDE beruhen.
Die geplanten Gesamtkosten für die Platzgestaltung, die laut diesem Papier auf Berechnungen der IDE beruhen.

Bei Kipar will man sich weder in Mailand noch in Duisburg äußern. „Wir geben zu diesem Projekt keinerlei Kommentar ab“, hieß es auf NRZ-Anfrage. Aber kratzt ein solches Debakel nicht an der Reputation eines Büros, dass zum Beispiel in Essen einen Freiraum-Masterplan, in Köln die Domgärten, in Mailand einen Grünordnungsplan und in Duisburg bereits das Multi-Casa und das Atlantis-Kindermuseum entworfen hat? „Kein Kommentar“.

Frage nach der Haftung

Wie die Stadt mitteilt, stammt die Kostenkalkulation für die gescheiterte Ausschreibung aus dem Hause Kipar. Wie in einem Rathaus-Dokument festgehalten ist, beruht die Summe, die der Rat für das Projekt beschlossen hat, allerdings auf einer Berechnung der IDE. Hat die Stadt-Tochter den Fehler also mitverschuldet? Oder hätte ihr dieser nicht innerhalb von anderthalb Jahren zumindest auffallen müssen? Ist man als Bauherr nicht ohnehin verantwortlich? Oder hat man es nicht so genau genommen, weil man nicht mit eigenem Geld, sondern mit Landesmitteln baut? Auch die IDE will derzeit nicht darauf antworten. Die entscheidenden Fragen würden derzeit „mit dem Planungsdezernat untersucht“, das Ergebnis soll „in einem ausführlichen Bericht kurzfristig der Aufsichtsbehörde“ vorgelegt werden. Dann müsse das weitere Vorgehen mit dem Land abgestimmt werden.

Bei der Aufsichtsbehörde ist zu der Planungspleite rund um die Bahnhofsplatte allerdings noch kein Schreiben der Stadt eingegangen, wie eine Sprecherin erklärte. Die Bezirksregierung hatte den Förderantrag geprüft und Mitte Dezember 2011 bewilligt. Die IDE hatte sich erhofft, dass 80 Prozent der Gesamtkosten von drei Millionen Euro aus dem Städtebau-Topf fließen. Die Bezirksregierung bewilligte exakt 2.231.160 Euro. Sie müssen bis Ende 2015 verbaut sein, sonst verfallen die Mittel. Ob das Planungsdebakel Konsequenzen für die Förderung haben wird, könne die Behörde zur Zeit nicht beurteilen, sagte die Sprecherin - schließlich liege kein Bericht vor.

Versuch, Verluste zu begrenzen

Am Ende bleibt die Frage, ob überhaupt jemand für den Schaden haftet. Das Vertrauen hat die Stadt jedenfalls nicht nur in das renommierte Planerbüro Kipar verloren, sondern auch in die IDE um ihren Chef Dr. Ralf Oehmke. Die Gesellschaft sei zwar immer noch mit dem Projekt betraut, allerdings „in enger Zusammenarbeit und unter Federführung des Planungsdezernenten“, wie es auf Nachfrage heißt.

Immerhin versucht die Stadt, den Verlust zu begrenzen: „Wir prüfen derzeit, ob wir Regressansprüche geltend machen können“, sagt Stadtsprecherin Anja Huntgeburth. Das sei allerdings immer der Fall, wenn es bei Projekten „zu Unregelmäßigkeiten“ komme.

Bezirkspolitiker empört sich über Pannen 

Bei Franz Tews ruft die Pannenserie am Bahnhofsvorplatz und vor allem die verschwendeten Mittel für die gescheiterte Planung Entrüstung hervor. „Als kleiner Mandatsträger einer Bezirkvertretung erlebe ich seit Jahren, dass wir um kleinste Summen für die Ortsteile kämpfen, während man die Dimensionen um solche City-Projekte und deren geldverschwenderischen Abläufe hilflos zur Kenntnis nehmen muss“, kritisiert der Walsumer. „Das Allwetterbad soll keines mehr sein, damit 50.000 Euro gespart werden. Und am Bahnhof sind die Verantwortlichen, die das Projekt in den Sand gesetzt haben, außen vor“, schimpft Tews.

Verantwortliche müssen sich erklären

Es könne doch nicht sein, dass mit der Bemerkung des neuen Planungsdezernenten (Carsten Tum: „Wir haben alles auf Null gestellt“) der Fall erledigt sei, sagt der Bezirkspolitiker der Walsumer Grünen: „Auch wenn es im Gegensatz zu anderen Skandalen wie den Millionen bei der Küppersmühle hier „nur“ um 200.000 Euro plus 50.000 Euro für eine sogenannte Interimslösung geht.“

Die Verantwortlichen für das Bahnhofsplatten-Projekt müssten sich erklären, fordert Tews: „Die Innenstadt-Entwicklungsgesellschaft mit ihrem hoch dotierten Geschäftsführer und der Aufsichtsrat, dem die Aufsicht, beziehungsweise die Übersicht offensichtlich abhanden gekommen war, müssen jetzt Rede und Antwort stehen und Konsequenzen tragen.“