Duisburg. . Ein Besuch am Kaiserberg mit dem langjährigen Stadtführer Heinz Zander. Von eiszeitlichen Gräbern und versiegten Wasserfällen.

Heinz Zander hat viel zu erzählen. Besonders, wenn es um Duisburg geht. Wir treffen uns am Botanischen Garten in Duissern. Kaum haben wir uns die Hände geschüttelt, erfahre ich schon, dass es den Garten seit 1890 gibt. Nach zehn Minuten weiß ich mehr über die Stadtgeschichte, als ich mitschreiben kann. Es folgt ein knapp dreistündiger Spaziergang. Ein Spaziergang durch Jahrhunderte.

Heinz Zander möchte mir den Kaiserberg zeigen – als einen seiner liebsten Orte seiner Heimatstadt. Ich habe ihn darum gebeten und merke schnell, dass es eine Zumutung für den 71-Jährigen sein muss, nur einen Platz in Duisburg anzupreisen. „Es gibt in der Stadt kaum einen Fleck, den ich nicht kenne“, meint Zander. Warum dann ausgerechnet der Kaiserberg? „Es ist einer dieser idyllischen Orte, die Duisburg neben der ganzen Industriekultur so schön machen.“

Recht hat er. Grün und frisch ist es hier. Nur das Rauschen der Autobahn und der beharrliche Nieselregen stören ein bisschen. Gut 50 Meter sind wir gelaufen. Mittlerweile haben wir schon die erste urkundliche Erwähnung Duisburgs (883) und den nahen Fund eiszeitlicher Gräber am Fuß des Kaiserbergs (ca. 1500 vor Chr.) besprochen. Wenn einer den Beinamen wandelndes Lexikon verdient, dann mein Begleiter. Wobei Historie nicht immer sein Ding war. „In der Schule bin ich öfter nach Hause gerannt, wenn es Geschichtsunterricht gab“, erzählt der gelernte Maschinenschlosser, „einmal ist mir der Lehrer sogar hinterher gekommen“.

Neue NRZ-Serie: Duisburg entdecken – mit Ihrer Hilfe

Nächster Halt: Duisburg. So sagt‘s der Ausbildungsplan. Für gut drei Monate ist unser Volontär Bastian Angenendt nun in der Stadt an Rhein und Ruhr. Eine triste Betonplatte vor dem Bahnhof und eine Großbaustelle vor der neuen WG empfingen ihn am ersten Tag. Kostenfreie Parkplätze hat er auch nicht gefunden. Das kann nur besser werden, dachte er. Und es soll besser werden. Mit Ihrer Hilfe.

Denn wer könnte ihm die schönsten Flecken der Stadt besser zeigen als Ihre Bürger? Als Sie, liebe Leserinnen und Leser? In unserer Serie „Duisburg entdecken“ sollen Sie uns Ihre liebenswertesten Orte zeigen und uns erzählen, was sie so liebenswert macht.

Wo kann man sich am besten austoben, wo am besten entspannen? Haben Sie den schönsten Garten der Stadt oder den kuriosesten Hobbykeller? Wo gibt’s die beste Currywurst oder den besten Kaffee?

Wenn Sie Antworten darauf haben, melden Sie sich. Telefonisch unter (0203) 9926 - 3176 oder per E-Mail an b.angenendt@nrz.de. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!

Wir kraxeln weiter den Waldweg hinauf. Zander bleibt stehen und zeigt auf eine Stelle direkt neben dem Weg. Ich sehe: Eine Mulde und viel Laub. Zander sieht mehr. „Ab 1875 wurde Wasser von der Ruhr in einen Wasserturm auf dem Berg gepumpt und in die Stadt runtergeleitet. Hier war einer der Bachläufe.“ Solche Attraktionen habe man unter anderem einem Verein zu verdanken, der sich schon 1843 der Erschließung und Verschönerung des Kaiserbergs widmete. Auch eine Felskonstruktion etwas weiter bergauf ginge darauf zurück. „Hier hatte Duisburg sogar einen Wasserfall“, sagt Zander. Ich höre es beinahe plätschern.

Stadtgeschichte für Jung und Alt

Weil Zander, der gebürtige Hochfelder, erzählen kann. Routiniert und ruhig, aber begeistert. Ein Stil, der von 30 Jahren Erfahrung als Stadtführer zeugt. Zu Fuß, im Bus, auf dem Fahrrad. In der Stadtmitte, in den Außenbezirken. Für Kinder und Erwachsene hat er Stadtgeschichte erzählt. Anfangs für die Niederrheinische Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte, später für die Stadt. Im 16 Kilo schweren Kostüm machte er als „Gerry Mercator“ Führungen für Kinder. Nun steht er im mittlerweile strömenden Regen mit einem Journalisten am Vereinshaus des Bürgervereins Duissern, direkt da, wo nur noch ein imposanter Sockel vom alten Wasserturm zeugt. Und warum? „Wenn jemand etwas von mir wissen möchte, helfe ich gerne“, sagt Zander. Zumal er „Duisburger aus Leidenschaft sei“, den Menschenschlag an Rhein und Ruhr schätzt und nicht zuletzt deswegen in vielen Vereinen und Verbänden mitwirkt.

Das Wetter lädt uns ein weiterzugehen zu einer nahen, ziemlich unspektakulär anmutenden Wiese. Doch auch sie birgt eine Geschichte, wie Zander weiß. „Von 1898 bis 1942 hat hier eine große Kaiser-Wilhelm-Statue gestanden.“ Die Nazis hatten dann allerdings andere Pläne mit der Bronze. Auf dem Ehrenfriedhof machen wir Halt am Grab von Zanders Großvater Jakob, gefallen 1920. Zander erzählt von vielen vorgeschichtlichen Gräbern, die rund um den Kaiserberg gefunden wurden. Von einer alten Landwehr. „Im Mittelalter war das hier Grenzgebiet zwischen Franken und Sachsen“, spricht der Hobby-Historiker.

Verschnaufpause an den Teichen. Früher tauchte Heinz Zander hier den Molchen hinterher.
Verschnaufpause an den Teichen. Früher tauchte Heinz Zander hier den Molchen hinterher. © WAZ-Fotopool

Auch heute würden es in Duisburg immer wieder Fundstätten entdeckt. Früher habe er selbst danach gegraben. Ob er nicht selbst lieber Archäologe geworden wäre? „Vielleicht, aber von uns gingen ja die wenigsten auf das Gymnasium.“ Außerdem kam Zanders Vater erst 1956 aus der Gefangenschaft, verließ die Familie kurz darauf. „Wie die meisten von uns wollte ich dann einfach Geld verdienen.“ Es wird immer mehr zu einer Reise in Zanders Vergangenheit. In den Teichen sei er früher Molchen hinterhergetaucht. Auf der „Sedan-Wiese“, die uns mittlerweile im Trockenen anlacht, wurde Schlitten gefahren.

Der letzte Weg führt uns zum „Schnabelhuck“, der nördlichen Spitze auf dem Berg. Theoretisch könnten wir hier einen schönen Ausblick über die Stadt genießen, wir sehen aber, wie so oft an diesem Tag, nur grünen Wildwuchs. Immerhin erreicht uns hier die mittlerweile kräftige Sonne. Aufgewärmt geht es bergab.

Spaziergänge machen den Kopf frei, heißt es. Dieser hat meinen auch noch ziemlich gefüllt. Heinz Zander verabschiedet sich: „Wenn Sie noch was wissen wollen, melden Sie sich einfach.“ Wie gesagt – der Mann hat viel zu erzählen.