Duisburg. .
Die WAZ traf sich zum Interview mit Duisburgs neuen Stadtarchäologen Kai-Thomas Platz, der diesen Posten seit Anfang September ausfüllt.
Kai-Thomas Platz deutet auf die Kopie einer alten Landkarte, die an der Bürowand hängt und zeigt, wie der Großraum Hamborn im Jahr 1700 besiedelt war. „Bei jedem Bauantrag prüfen wir, ob unter dem betreffenden Grundstück etwas für uns liegen könnte. Ein Blick auf solche Karten hilft da enorm“, sagt der 46-Jährige, der seit September den Posten des Stadtarchäologen übernommen hat. Als solcher steigt er entgegen mancher Vorurteile aber nicht nur in diverse Grabungsstellen hinab. Nein, die Arbeit im Büro und im Archiv ist mindestens ebenso wichtig für das Aufspüren und Bewahren von „Bodenschätzen“ der Vergangenheit.
"Ich fühle mich hier heimisch"
Platz stammt aus der mittelfränkischen Kleinstadt Hilpoltstein, er studierte ab Mitte der 80er an der Uni Bamberg Archäologie und Geschichte – mit dem Fokus auf das Mittelalter und die Neuzeit. Nach der Doktorarbeit folgten Ausgrabungs- und Forschungsprojekte: in der Burgruine Neideck oder dem karolingischen Reichskloster im südhessischen Lorsch. 2008 folgte der berufliche Wechsel nach Duisburg, als er nach seiner Bewerbung auf die Stelle des Fundarchiv-Leiters den Zuschlag erhielt. Seitdem lebt Platz mit seiner Frau in Beeck. „Und ich fühle mich hier heimisch.“
Das liegt zum einen an der Stadt selbst. „Duisburg hat sich zum Positiven gewandelt. Und ich bin ein absoluter Fan der Industriekulissen geworden“, sagt Platz. Viel wichtiger sei aber der hohe Stellenwert, den Duisburg in Fachkreisen genieße. „Hier findet man so vieles, was die Menschheitsgeschichte zu bieten hat. Duisburg ist eine archäologische Größe“, verweist Platz auf die weit zurückreichende Geschichte der Stadt. Vor allem die Altstadt, aber auch Ruhrort seien „wichtige Ecken, die Funde fast garantieren“.
Fundstücke in siebenstelliger Anzahl
In seinen ersten drei Duisburger Jahren widmete sich Platz als Leiter des im Rathaus angesiedelten Fundarchivs aber zunächst hauptsächlich der Bestandspflege. In Tausenden Archivkartons lagerten dort Fundstücke in siebenstelliger Anzahl. Diese galt es zu durchforsten, zu sortieren, zu katalogisieren. Oder wie Platz es nennt: „Eine neue Grundordnung zu schaffen.“ Dafür brauchte er viel Geduld. Aber das sei ein Wesenszug, den jeder Archäologe von Hause aus mitbringen sollte. „Sonst wird man irgendwann irre“, sagt Platz und lacht.
Als sein Vorgänger Dr. Volker Herrmann dann Ende August beruflich in die Schweiz wechselte, rückte Platz als Stadtarchäologe nach – jedoch ohne seine alte Aufgabe aufzugeben. Er steht somit einem insgesamt sechsköpfigen Team vor, das bei der Stadt als Untere Denkmalbehörde für den Bereich „Bodendenkmalpflege“ zuständig ist.
"Irgendwann ist man bei den alten Römern"
Ein Arbeits-Schwerpunkt der städtischen Archäologen ist derzeit im Bereich Steinsche Gasse/Beekstraße zu finden. Bevor dort ein neues Medizinzentrum gebaut werden kann, gilt es, möglichst alles Bewahrenswerte im Boden aufzuspüren. Auf weitere Reste der alten Stadtmauer wurde bereits gestoßen. Auch die Fundamente alter Behausungen gehören zu den Fundsachen. „Wir haben noch bis Weihnachten Zeit, um dort alles zu erfassen“, sagt Platz. Alle Erkenntnisse würden dann in der so genannten Ortsakte verewigt. Das ist eine Zentralkartei, in der alle archäologischen Fundstellen der Stadt Duisburg gespeichert sind. Sie füllt einen ganzen Büroraum.
Und wie tief dringen er und seine Kollegen im Alltag in den Untergrund vor? „An einigen Grabungsstellen wird man schon unter der Grasnarbe fündig – so wie bei dem vor zwei Jahren in Bergheim entdeckten Gräberfeld. Manchmal graben wir aber auch bis zu acht Meter tief.“ Mit jeder neu aufgedeckten Schicht kommen Überreste eines früheren Zeitalters zum Vorschein. „Und irgendwann“, sagt Platz und schmunzelt, „ist man bei den alten Römern.“