Duisburg. .

Frauenjäger, Verführer, Verbrecher – die mittelalterliche Figur des Don Juan und Mozarts Oper „Don Giovanni“ zu ergründen, ist immer wieder reizvoll. „Don Juan ist ein anderer“, schrieb Peter Handke. Wie Karoline Gruber ihn sieht, wird bei der letzten Premiere der Spielzeit am Freitag, 22. Juni, im Theater am König-Heinrich-Platz enthüllt. Um 19.30 Uhr öffnet sich der Vorhang für die zweite Oper des dreiteiligen Zyklus’ mit Werken, die Mozart und sein kongenialer Librettist Lorenzo da Ponte entwickelt haben.

Am Pult der Duisburger Philharmoniker steht ein Gast, an den sich das langjährige Opernpublikum noch erinnern dürfte: Friedemann Layer, der von 1975 bis 1986 Erster Kapellmeister an der Rheinoper war, später in Mannheim, Montpellier und Dresden gearbeitet hat und inzwischen nur noch gastiert. Er trifft auf ein junges Ensemble mit lauter Rollen-Debütanten – bis auf Laimonas Pautienius als Don Giovanni. Olesya Golovneva ist zum ersten Mal als Donna Anna zu hören, Nataliya Kovalova als Donna Elvira, Alma Sadé als Zerlina, Adam Palka als Leporello und als Masetto Torben Jürgens, der frisch aus Bielefeld an die Rheinoper engagiert wurde.

Kraft, Idee und Erfahrung

„Karoline Gruber interessiert nicht die Frage, wer, sondern was ist Don Giovanni“, erläuterte gestern Chefdramaturgin Dr. Hella Bartnig für die kurzfristig erkrankte Regisseurin, die in der letzten Spielzeit mit der französischen Barockoper „Platée“ ihren erfolgreichen Einstand an der Rheinoper gegeben hat. Was Don Giovanni in diesem Spiel zwischen Eros und Tod bei Mozart anrichtet: Er dringt nachts in das Zimmer Annas ein, tötet ihren Vater, den Komtur, im Affekt; er täuscht seine Ehegefährtin Elvira und verführt das Bauernmädchen Zerlina. Tausendunddrei Abenteuer verzeichnet sein Diener Leporello in seinem Register. Am Ende fährt Giovanni in die Hölle.

Bei Gruber ist Giovanni „eine Kraft und Energie, die bei den anderen Figuren etwas in Bewegung setzt“. Er werde zum Spiegel für die eigenen Wünsche und Grenzen. „Die Figuren begegnen sich durch Giovanni selbst.“ Will Anna eigentlich den ihr bestimmten braven Ottavio heiraten? Oder sehnt sie nicht vielmehr die Liebe und Leidenschaft eines Mannes wie Giovanni herbei, um sich aus ihrem vorgegebenen Lebenslauf zu befreien? Und zeigt sich nicht an der Figur Zerlina die Verführbarkeit einer jungen Frau, der sich angesichts der Möglichkeit, in einem Schloss zu leben, eine ganz neue Lebensperspektive öffnet?

Und braucht Leporello nicht die Abhängigkeit von einer Autorität wie Giovanni? Auch Elvira erschiene nicht als die komisch-eifersüchtige Nervensäge, als die sie sonst oft gedeutet werde, so Hella Bartnig. „Diese anarchische Kraft Giovannis ist von der Gesellschaft nicht tolerierbar“, die Vernichtung sei notwendig für die Ordnung. Für die zurück gebliebenen sei das Ende befreiend, sie seien bereit, selbst über ihr Leben zu entscheiden. „Und Giovanni lebt als Kraft, Idee und Erfahrung weiter.“