Essen/Duisburg. .
Sie wollte nie eine Diva sein – ein Star ist sie auch nach 50 Jahren auf den Bühnen der Welt: Im Interview spricht die spanische Sopranistin Montserrat Caballé über schnelle Karrieren, langsame Gefühle und die Wichtigkeit von Respekt.
77 Jahre ist sie alt, seit über 50 Jahren gefeiert auf den Bühnen der Welt: Montserrat Caballé wollte nie eine Diva sein, ein Star der Branche ist sie bis heute. Sie erfand das Cross-Over der Oper und lernte ihr Handwerk in Bremen. Lars von der Gönna sprach mit der spanischen Sopranistin.
Über 50 Jahre auf der Bühne, ist die Zeit schnell vergangen oder langsam?
Montserrat Caballé:Schnell. Zu schnell!
Sie hatten die besten Bühnenpartner: Domingo, Carreras, Corelli, Pavarotti, Bergonzi. Sie hatten unzählige große Abende, können Sie den einen großen „Magic Moment” ihres Lebens beschreiben?
Caballé:Klar, es gab viele, die schön waren, aber wie ich an der Wiener Staatsoper in „Don Giovanni” eingesprungen bin, ist unvergesslich. Die Sängerin der „Donna Elvira” war krank, ihr Ersatz auch. „Nehmen wir die aus Bremen”, hat man gesagt und mich geholt, um den Abend zu retten. Und da stand ich zwischen lauter großen Kollegen und das Publikum gab mir schon nach der ersten Arie Szenenapplaus. Ich hatte einen richtigen Schock, das war mir noch nie passiert. Der berühmte Josef Krips dirigierte. Nachher sagte er mir: „Sie machen eine grandiose Karriere! Ich muss Ihnen das nicht wünschen, ich weiß es.” Das war 1959. Vor 51 Jahren!
Wie so viele Stars haben Sie in der Provinz angefangen, in Basel und Bremen.
Caballé:Ja, da habe ich meine „Kilometer” gemacht, meine Trainingszeit, die Opern kennengelernt, die Rollen studiert. Da hat man ganz viel gelernt, Professionalität eben.
Wer heute Klassik-Karriere machen will, muss Foto-Shootings machen, sexy sein...
Caballé:Die sagen, sie tun das, um neue Leute in die Oper zu bringen. Aber wissen Sie, ein Film ist ein Film und eine Oper ist eine Oper. Damit kommt man nicht an den Kern dessen, was die großen Komponisten gemacht haben. Die eignen sich nicht für solche Maskeraden.
Sie haben ein halbes Jahrhundert Bühnenerfahrung. Was würden Sie einer jungen Sängerin raten, die heute Abend ihren ersten Auftritt hat?
Caballé:Erstens: Geduld statt Galopp! Wenn man zu schnell ist, kommen die Gefühle nicht mit – wie im Leben.Und genauso wichtig: Liebe zur Musik. Jeder Sänger sollte sich immer wieder klar machen: Die Musik ist groß, nicht du!
Sie waren der erste Sopran der Welt, der Mut zum Cross-Over gehabt hat. Nicht jeder Opernfreund mochte Ihr „Barcelona” mit Freddie Mercury...
Caballé:Es gibt Opernliebhaber, die wollen gerne „sauber” bleiben, also unter sich. Die wollten keine Brücke zum „Anderen”. Ich sehe das anders. Noch nie war es so wichtig wie heute, wegen Ideologien oder Glauben keine Mauern aufzubauen. Nicht nur in der Musik.
Ein Plädoyer für mehr Toleranz?
Caballé:Toleranz ist mir zu wenig. „Tolerieren” heißt doch eher dulden. Man sollte Respekt haben. Wenn jemand nicht denkt oder glaubt wie du, ist er noch lange kein Feind. Ich bin seit vielen Jahren für die Vereinten Nationen aktiv, da geht es auch um Respekt und Verständnis. Aber es gibt Menschen, die ihr Zuhause unbedingt zum Zuhause der anderen machen wollen. Wenn man in ein Land geht, das anders ist als man selbst, muss man dessen Lebensform akzeptieren, denn es gibt einem ja eine neue Heimat. Umgekehrt soll ein Mensch in einem solchen Land nicht wie ein Sklave behandelt werden, nur weil er anders ist. Leider ist die Realität oft anders.
Sie sind sehr familienverbunden. Ist das eine aussterbende Tugend?
Caballé:Sie scheint unmodern geworden, vielleicht weil alles auf Tempo und Technik aus ist in einer globalisierten Welt und weil man schon aus Kindern große Individualisten machen will. Aber für Familie braucht man Zeit und Gefühl. Es klingt konservativ, aber Respekt vor den Eltern zu lernen, ist sehr wichtig. Es ist nämlich Respekt vor dem Leben und damit vor sich selbst.
Am 28. Januar gibt Montserrat Caballé in der Duisburger Mercatorhalle ihr einziges NRW-Konzert. Auf dem Programm stehen neben Liedern ihrer Heimat auch Opernarien von Bizet, Rossini, Cilea und Leoncavallo. Karten ab 55,50 Euro an den bekannten Vorverkaufsstellen.