Duisburg. . Der Tierschutzverein Duisburg versucht am Wochenende einen Neuanfang. Davor muss aber auch noch der Verbleib des hohen Vereinsvermögens geklärt werden. Ein Darlehen an einen vermeintlichen Tierschutzverein auf Gran Canaria gibt Rätsel auf. Auch Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln.
Der Tierschutzverein Duisburg mit aktuell 275 Mitgliedern besteht seit genau 125 Jahren. Doch zum Feiern ist den Mitgliedern weniger zumute. In dem Verein, dessen Ad-hoc-Auflösung noch im Januar in letzter Minute verhindert werden konnte, ist es möglicherweise jahrelang zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen. Im Raum stehen die Vorwürfe der Veruntreuung und der Unterschlagung von rund 700 000 Euro. Das wirft der Notverstand des Vereins dem alten Vorstand um den langjährigen, mittlerweile verstorbenen Vorsitzenden Ernst-Joachim Saalfeld vor. Der Notvorstand hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet, Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln.
Wegen Geldmangel wollte der alte Vorstand bei einer turbulenten Jahreshauptversammlung im Januar den traditionsreichen Verein auflösen. Stattdessen wurde aber im Anschluss ein Notvorstand um den Walsumer Christian von Coll gebildet. Der 27-jährige Jurastudent und sein Vater Diethelm von Coll, früher Rechnungsprüfer bei Thyssen-Krupp (58) wollten einen Kassensturz machen.
Frühere Kassenprüferin wollte keine Unterlagen rausgeben
Vier Monate lang weigerte sich die frühere zweite Kassenprüferin, die Unterlagen herauszugeben. Doch Ende Mai konnte sich der kommissarische Vorstand fast alle wichtigen Unterlagen des Vereins sichern: Kontoauszüge, Mitgliederverzeichnisse, Karteikarten, Rechnungen, Buchungsbeläge Aktenordner, alles verpackt in drei Umzugskartons. „Das sind alles unsortierte Papiere. Da ist wirklich alles durcheinander!“ erzürnte sich Diethelm von Coll.
Aber es sollte noch dicker kommen: Als Vater und Sohn von Coll die Unterlagen stichprobenartig untersuchten, seien sie auf erhebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten gestoßen: Von ursprünglich rund 770.000 Euro Vereinsguthaben Ende 2010, verteilt auf drei Konten bei der Sparkasse Duisburg, der Deutschen Bank und der Postbank, seien heute nur noch rund 75.000 Euro da. Der Rest scheint spurlos verschwunden.
Ging das Geld an eine Briefkastenfirma?
Doch wo ging das Geld hin? Christian und Diethelm von Coll stellten bei ihren Recherchen fest, dass der alte Vorstand des Duisburger Tierschutzvereins einem dubiosen spanischen Tierschutzverein namens „Anahi“ auf Gran Canaria rund 255.215 Euro als Darlehen überwiesen hat. „Wir wissen gar nicht ob dieser Verein in Spanien überhaupt existiert oder ob es sich nur um eine Briefkastenfirma für Geldtransfers handelt“, schüttelt Diethelm von Coll den Kopf. Der Rechnungsprüfer versteht die Welt nicht mehr: „Und ein paar Tage später teilt der alte Vorstand den Mitgliedern mit, der Verein sei pleite. Was sind das alles für Zustände? Das ist für mich alles gar nicht zu fassen!“
Jahrelang habe es schriftlich dokumentierte Kontoentnahmen, einerseits vom ehemaligen Vorsitzenden Joachim Saalfeld, andererseits von dem ehemaligen Vereinsschriftführer Tom Manuel Frahm gegeben. Der 32-jährige Frahm, der sich mehrfach fälschlich als Rechtsanwalt und Sohn Saalfelds ausgab, soll in Hamburg leben, ist aber seit Anfang 2012 spurlos verschwunden. Saalfeld und Frahm waren beide zeichnungsberechtigt für den Verein.
Monatlich verschwanden bis zu 10.000 Euro
Daher kann der Notvorstand nicht ausschließen, dass das alte Vorstandsduo über Jahre Gelder für private Zwecke aus den Vereinskonten abgezweigt haben könnte. Dutzende Entnahmen vom Vereinskonto von monatlich 8000 bis 10.000 Euro sind auf den Kontoauszügen dokumentiert, die die Redaktion eingesehen hat. Insgesamt summieren sich diese Entnahmen auf einen Betrag von rund 112.300 Euro, stellt ein Schreiben des Straelener Steuerberaters Kampendonk & Weecke an den Verein vom 1. Juni 2012 fest. Bis in den Juni hinein wurden von dem einzigen verbliebenen Vereinskonto auch Handy- und Festnetzgebühren abgebucht.
Und noch ein Vorgang kommt dem Notvorstand äußerst dubios vor: Sechs Monate vor dem Tod Saalfelds verkaufte Frahm im Juni 2011 auch das Vereinsgebäude in Röttgersbach: Wert 180.000 Euro. Die Straelener Steuerberater wörtlich in ihrem Schreiben: „Hierzu liegt uns kein Kaufvertrag vor. Bei Anschaffungskosten für das Objekt in Höhe von 278.826 Euro im Jahr 2009, stellt sich uns die Frage, ob 180 000 Euro der komplette Kaufpreis ist.“ Auch ein vereinseigener Pkw mit Anhänger wurde „zu einem Spottpreis verramscht“, so Prüfer Diethelm von Coll.