Duisburg. Polizei und Raser-Szene liefern sich an der alten B 8 jedes Wochenende ein Katz- und Mausspiel. PS-Verrückte und Tuning-Fans aus dem ganzen Ruhrgebiet pilgern seit Jahren zum Kaufland-Parkplatz dort. Illegale Rennen kann die Polizei mittlerweile verhindern. Die Autonarren rasen trotzdem. Ihr Festtag steht kurz bevor: der “Car-Freitag“.
Der Polizeioberkommissar Carsten Friedrichs (52) sprintet los. Er läuft einem aufgemotzten VW Golf hinterher, der auf den Kaufland-Parkplatz in Hamborn einbiegt. Der Grund für den Sprint ist nicht zu überhören: Die Stereoanlage des Golf könnte eine Großraumdisco beschallen. Die Alarmanlage eines parkenden Wagens heult auf. Die Schallwellen des dröhnenden Basses, der aus den Boxen hämmert, lösten sie aus.
Ein ganz normaler Freitagabend im März auf der alten Bundesstraße 8. Die heißt mittlerweile L 1: Die Raser- und Tuning-Szene ist aus dem Winterschlaf erwacht. Je wärmer es draußen wird, desto mehr PS-Verrückte pilgern auf das Supermarkt-Gelände. Der Parkplatz ist voll. Wie viele Menschen genau um ihre getunten Autos und Motorräder herumstehen, lässt sich kaum überblicken. Kunden und Raser sind nur schwer auseinanderzuhalten.
Tuning-Fans kommen "extra aus Bochum" zur alten B 1
Und wenn die Raserszene sich trifft, dann sind auch die Polizei und das Ordnungsamt der Stadt vor Ort. Die sechs Polizeibeamten und die fünf Mitarbeiter des Ordnungsamtes sind seit den frühen Abendstunden im Einsatz. Sie kontrollieren mit Lasermessgeräten und Radarwagen, wollen Ruhestörungen und Autorennen verhindern. Ihr Dienst geht bis weit nach Mitternacht.
Carsten Friedrichs kehrt derweil zu seinen Kollegen vom Verkehrsdienst zurück. Er war erfolgreich: Im Schlepptau hat der Motorradpolizist den VW-Golf. Der 19-jährige Fahrer schweigt verlegen, während Friedrichs den Papierkram erledigt. Stattdessen versucht der Cousin des Unruhestifters den Polizeibeamten zu überreden, von den 20 Euro Bußgeld wegen Lärmbelästigung abzusehen. Um Ausreden sind die Halbstarken nie verlegen. „Wir kommen extra aus Bochum, weil mein Cousin das hier einmal sehen wollte“, erklärt der 22-Jährige und fragt: „Können wir das nicht als letzte Warnung betrachten?“ Die Antwort fällt denkbar knapp aus. „Nein“, sagt der Oberkommissar. Wenn er Nachsicht zeigt, das weiß der erfahrene Polizist, dann ist das wie ein Freifahrtschein für die Szene.
Zwar verhängten die Ordnungshüter alleine an diesem Wochenende 133 Verwarngelder, 24 Anzeigen, vier Fahrverbote und fünf Platzverweise, aber allzu oft sind ihnen die Hände gebunden. Was damit gemeint ist, zeigt sich nur wenig später.
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Ein Motor röhrt, Reifen quietschen auf dem Asphalt und ein Wagen rast die Duisburger Straße in Richtung Marxloh entlang. Rund 120 km/h hat er drauf. Nicht einmal hundert Meter später bremst er wieder ab. „Die Fahrer beschleunigen viel zu kurz, um es messen zu können“, kommentiert Carsten Friedrichs die Szene. Um den Wagen zu verfolgen, ist er zu weit entfernt.
Fingierte Baustelle gegen illegale Autorennen
Das wissen auch die Raser. Das Katz- und Mausspiel gehört dazu. „Wenn sie es nicht schaffen dich anzuhalten, dann können sie auch nichts machen“, sagt ein 24-Jähriger aus Gelsenkirchen. Er will schon mehrmals vor Polizisten davongefahren sein.
Carsten Friedrichs wurmt es, dass er bei solchen Aktionen oft nur zusehen kann. Die Nummernschilder hat er im Blick, aber eine Anzeige ist die Mühe nicht wert. Wenn die Beamten den Fahrer nicht feststellen können, scheitert das Verfahren spätestens vor Gericht. Gegen eine Geldauflage wird es eingestellt.
Aber auch, wenn einige Raser durchs Netz schlüpfen, können die Ordnungshüter Erfolge vorweisen. „Die Rennen“, sagt Friedrichs stolz, „haben wir im Griff". Auch dank einer Trickserei: Die Stadt errichtet an den Wochenenden seit einigen Jahren "fingierte Baustellen" entlang der alten B 8, um die Straße auf eine Fahrspur zu verengen. So können zwei Wagen nicht über eine längere Strecke nebeneinander herfahren. Illegale Rennen sind so unmöglich.
Volksfeststimmung auf dem Kaufland-Parkplatz
Eine deutliche Botschaft, die auch bei den jungen Leuten auf dem Parkplatz ankommt. „Es geht hier nicht mehr viel, weil die Straße gesperrt ist“, sagt ein 28-Jähriger aus Herne und ergänzt: „Duisburg macht keinen Spaß mehr.“ Er und seine Freunde kommen trotzdem fast jeden Freitag nach Hamborn, um sich das Spektakel anzuschauen. Ihren Höhepunkt erreicht die Raserei traditionell am sogenannte „Car-Freitag“, diesmal also am 6. April (ja, genau: Karfreitag). Aber schon an diesem lauen Frühlingsabend herrscht Volksfeststimmung vor Kaufland. Es sei wie eine "Kirmes", meint ein anderer junger Mann lachend: "Klar kommen wir immer wieder, was sollen wir auch sonst machen."
Gegen 22 Uhr ist dann alles vorbei: Kaufland schließt, der Parkplatz leert sich. Die Szene hat begriffen: Wenn sie nicht geht, dann räumt die Polizei das Privatgelände. Kaufland setzt zeitweise einen eigenen Sicherheitsdienst ein und sperrt schon im vorhinein Teile des Parkplatzes.
Mit einem Hupkonzert fährt der Autokorso vom Parkplatz auf die L 1.Viele aus der Szene werden noch Stunden damit verbringen, durch Hamborn und Marxloh zu fahren, bevor sie den Heimweg antreten. Am nächsten Tag kommen sie wieder – und mit ihnen die Ordnungshüter.
Im Einsatz gegen Raser