Duisburg. . Die Suche nach einem Nachfolger für den abgewählten Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat begonnen. NRW-Innenminister Ralf Jäger spricht im Interview über den Abwahlerfolg und die Anforderungen an künftige OB-Kandidaten.
Nach der Abwahl von Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland hat die Suche nach einem geeigneten Kandidaten für dessen Nachfolge längst begonnen. Im Interview spricht NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) über den Abwahlerfolg, parteiübergreifende Gespräche und das Anforderungsprofil an einen OB-Kandidaten.
Herr Jäger, was ist da am Sonntag passiert?
Ralf Jäger: Dieses für mich auch in der Deutlichkeit überraschende Ergebnis geht darauf zurück, dass in dieser Stadt immer noch eine große Wut, eine große Empörung über die Loveparade herrscht, dass es eine breite bürgerschaftliche Bewegung zur Abwahl von Oberbürgermeister Sauerland gegeben hat. Darauf hatte das Abwahlbündnis einen gewissen Einfluss, aber es ist nicht der Auslöser gewesen.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass ein parteiübergreifender Oberbürgermeisterkandidat, eine Kandidatin gefunden wird?
Jäger: Da bin ich vorsichtig optimistisch. Wir haben bereits Gespräche mit zwei Parteien heute begonnen, weitere werden in den nächsten Tagen folgen. Was für mich bereits erkennbar ist, ist die große Bereitschaft, in dieser Situation über Parteigrenzen hinweg zu denken. Und sich an einen Tisch zu setzen, darüber zu beraten, was könnte ein möglicher gemeinsamer Kandidat, eine Kandidatin leisten, der in den nächsten Monaten aufgestellt wird. Ob das gelingen wird, weiß ich nicht. Ich erkenne aber die große Bereitschaft, es zu versuchen.
Werden Sie auch mit der CDU sprechen?
Jäger: Wir sind nach allen Seiten gesprächsbereit, aber ich sage ganz offen, eine solches Gespräch mit der CDU wäre erst einmal nachrangig. Wenn man uns um ein solches Gespräch bittet, stehen wir dem natürlich offen gegenüber. Aber wir müssen uns jetzt auf die konzentrieren, die mit uns gemeinsam im Abwahlbündnis gearbeitet haben.
Die Bürgerinitiative will weiter mitreden. Welchen Einfluss hat sie oder hat sie ihre Schuldigkeit getan?
Jäger: Die Bürgerinitiative hat großen Anteil an dem Erfolg von Sonntagabend. Ich gehe auch davon aus, dass sie sich konstruktiv in diesen Prozess miteinbringen wird. Wir werden sie auch selbst ansprechen und sie um Vorschläge bitten. Wichtig ist, man muss sich auf ein gemeinsames Profil einigen. Was muss der künftige Oberbürgermeister, die künftige Oberbürgermeisterin leisten und gibt es Persönlichkeiten, die das erfüllen können?
Welches Anforderungsprofil gibt es an das künftige Stadtoberhaupt?
Jäger: Ich glaube, dass in Teilen der Bürgerinitiative, aber auch in Teilen der Duisburger Bevölkerung jetzt ein Bild entstanden ist, es muss eine grandiose, parteiunabhängige Persönlichkeit gefunden werden. Lebensnah und lebenswirklich ist, dass wir jemanden suchen, der es kann. Also keine reine Lichtgestalt, sondern einer, der Verwaltung und Politik kann. Ein Parteibuch zu haben, darf dabei kein Malus sein, aber sollte auch kein Bonus sein. Wir wollen uns gemeinsam nach einer solchen Persönlichkeit umschauen, in Duisburg und außerhalb Duisburgs.
Gibt es eine Präferenz? Aus der Stadt oder von außerhalb?
Jäger: Nein, es gibt überhaupt keine Präferenz. Da gehen wir jetzt Schritt für Schritt vor. Wir wissen nicht, was am Ende steht, aber der nächste Schritt ist jetzt, gemeinsam zu diskutieren, wie könnte so eine Persönlichkeit aussehen, vor allem, wie erfüllt sie die zwingende Anforderung, möglichst viele Duisburgerinnen und Duisburger hinter sich zu vereinen.
Das geht auch soweit, dass es kein SPD-Kandidat sein muss? Oder hört die parteipolitische Selbstverleugnung dann irgendwann auf?
Jäger: Es ist nicht zwingend, dass das ein SPD-Mitglied sein muss. Er oder sie muss es können. Das ist das entscheidende Kriterium.
Was ist mit den Geistern, die man rief? Was ist, wenn sich der vermeintliche „Heilsbringer“ nicht finden lässt, der mit Hand auflegen alle Problem der Stadt löst? Entsprechend groß wäre die Enttäuschung, wenn es doch den üblichen Partei-OB-Wahlkampf geben.
Jäger: Ich glaube, dass sich die Erwartungen auf ein realistisches Maß hin bewegen müssen. Wir werden denjenigen, nicht finden, der mit großer Leidenschaft und Hingabe sowohl 70 Millionen im Jahr spart, die Verwaltung führt, repräsentiert, Gräben zuschüttet, Wunden heilt. Das wird unter Umständen nicht gelingen. Wir werden uns ganz pragmatisch nach jemandem umschauen müssen, der die grundsätzliche Eignung mitbringt.
Hätten Sie aus den eigenen SPD-Reihen schon einen Kandidaten im Blick?
Jäger: Nein.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Jäger: Wir würden der Bezirksregierung den 17. Juni als Wahltermin vorschlagen. Der lässt dann auch ausreichend Luft für eine Stichwahl vor dem Beginn der Sommerferien. Wenn man mindestens zwei Monate Vorbereitungszeit für einen Oberbürgermeisterwahlkampf einrechnet, heißt das, dass wir uns mit den Gesprächen auf ein Zeitfenster zubewegen, dass Ende März eine Entscheidung gefallen sein muss.
Es besteht ja jetzt auch die Möglichkeit, sich nicht nur über einen OB-Kandidaten zu einigen, sondern man könnte ein Paket schnüren. In den nächsten Jahren laufen Amtszeiten von Rathaus-Beigeordneten aus. Soll man jetzt nicht den Neuanfang nutzen, um hier Weichen zu stellen?
Jäger: Ich halte von solchen Paketen grundsätzlich wenig. In der jetzigen Situation halte ich davon gar nichts. Jetzt geht es darum, nach schwierigen anderthalb Jahren für die Stadt jemanden zu finden, der in der Lage ist, entstandene Gegensätzlichkeiten wieder zusammenzuführen, der der Stadt wieder ein Gesicht gibt. Das darf man nicht verbinden mit irgendwelchen parteitaktischen Klüngeleien. Darauf muss man sich jetzt konzentrieren.
Duisburger zur Sauerland-Abwahl
Glauben Sie, dass es wirklich nach dem 17. Juni einen Neuanfang gibt?
Jäger: Ich glaube, was mit diesem Termin geschafft wird, ist, dass Duisburg nicht mehr auf die Loveparade reduziert wird, sondern dass die Potenziale dieser Stadt wieder in den Vordergrund rücken. Wir haben eine Menge Probleme, die es zu bewältigen gilt. Aber wir können für Duisburg ein Stück selbstbewusster außerhalb der Stadt auftreten. Das wird ein Teil dieses Neustarts sein.
Bei der CDU und in Teilen der Bevölkerung gibt es die Befürchtung, dass die Stadt wieder in alte SPD-Zeiten zurückfällt.
Jäger: Ich halte das für völligen Quatsch. Wir wollen wie in der Vergangenheit jemanden an der Spitze der Stadt haben, der eine möglichst breite, demokratische Legitimierung in diesem Amt hat und für die Stadt das Beste leistet. Darum geht es.