Duisburg. . Dr. Peter Seiffert, der Chefarzt der Kinderklinik in Hamborn, muss regelmäßig Vergiftungserscheinungen bei Kindern behandeln, die durch Überdosierungen von Schmerzmitteln entstanden sind. Ein zu laxer Umgang kann gefährlich werden.

„Haste mal ne Aspirin?“ ist in Erwachsenenkreisen eine häufig gestellte Frage. Wenn sie aber von Siebenjährigen kommt, sagt das etwas über unseren oft laxen Umgang mit Schmerzmitteln aus. Dr. Peter Seiffert, Chefarzt der Kinderklinik der Helios St. Johannes Klinik in Hamborn, schlägt deshalb Alarm. Regelmäßig landen in seiner Notambulanz Kinder mit Vergiftungserscheinungen, ausgelöst von einer zu hohen Dosis Paracetamol.

Das ist zwar das häufigste Mittel der Wahl in der Kinderheilkunde – und ein gutes noch dazu. Aber: „Es kommt auf die Dosierung an“, predigt Seiffert gebetsmühlenartig. Er selbst hat einen kleinen Taschenrechner in seiner Brusttasche, um die Wirkstoff-Menge bis aufs Komma genau auf das Gewicht des Kindes abzustimmen. Hinzu kommt die Gesamtmenge, die binnen 24 Stunden verabreicht wird.

Verheerende Folgen drohen

Relativ häufig kämen Ungenauigkeiten vor, oder „Bräsigkeiten“, wie Seiffert es nennt. Da die Schachteln sich so ähnlich sehen, würden Zweijährige dann die Migräne-Zäpfchen des 16-jährigen Bruders bekommen und damit sei bei einmaliger Gabe schon eine Vergiftung erreicht mit verheerenden Folgen, die bis zu Leber-Versagen reichen können.

Absolut ungeeignet für die Behandlung von Kindern ist auch ASS, Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff, der in Aspirin, aber auch in Kombipräparaten wie Thomapyrin steckt. Die landläufige Meinung, dass das ja „gegen alles“ wirkt, sei fatal, erklärt der Kinderarzt, der das Mittel nur in Ausnahmefällen einsetzt. Und dann nicht zur Behandlung von Infekten, sondern von so seltenen Erkrankungen wie dem Kawasaki-Syndrom.

Dosierungsempfehlungen beachten

Der schlimmste Effekt, den die Gabe von ASS während eines Infekts bei Kindern hat, ist das Reye-Syndrom, in dessen Folge Hirn und Leber unaufhaltsam und binnen weniger Tage zerstört werden. In Amerika, wo man Aspirin in XXL-Boxen im Supermarkt kaufen kann, sei das Syndrom seit entsprechenden Warnungen rückläufig, so Seiffert.

Weitere Wirkstoffgruppen sind Ibuprofen und Metamizol, das etwa in Novalgin vorkommt. Das wirkt ähnlich gut wie Paracetamol, vergiften kann man sich aber auch damit, wenn man sich nicht strikt an die Dosierung hält. Jetzt ist der Kinderarzt nicht grundsätzlich gegen eine Selbstmedikation bei Kindern. Aber schlichte Hausmittel wie Wadenwickel seien völlig in den Hintergrund getreten. „Das ist zwar aufwändig, aber man könnte sich ja wieder darauf besinnen“, appelliert der Fachmann. Wenn sich aber nach zwei Tagen keine Besserung einstellt, wenn das Fieber über 40 Grad steigt, wenn sich das Kind untypisch verhält: Sofort zum Arzt!

Veränderung der Packungsgrößen

Da der Umgang mit Schmerzmitteln auch bei Erwachsenen nicht immer verantwortlich ist, will das Bundesgesundheitsministerium Anfang 2012 darüber entscheiden, ob die Packungsgrößen für rezeptfrei käufliche Schmerzmittel verkleinert werden. Die Hoffnung ist, dass dann das Bewusstsein steigt, dass es sich nicht nur um harmlose Pillen handelt. Nach Schätzungen sterben jährlich zwischen 1000 und 5000 Menschen an Nebenwirkungen.