Duisburg. .

Beim Neujahrsfest der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen ermunterte Dieter Graumann, Präsident des Zentralrates der Juden, zur Abkehr vom „Dauermahnwesen“, nahm aber auch „die Betonköpfe der Linkspartei“ ins Visier.

Die jüdische Gemeinde in Deutschland soll „munter und bunter“ werden: Das ist die Botschaft des neuen Präsidenten des Zentralrates der Juden. Entsprechend locker und leger wies Dieter Graumann am Dienstagabend beim Neujahrsfest der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen den Weg.

Seit seinem Amtsantritt vor zehn Monaten weht ein frischer Wind durch die Jüdische Gemeinde. Spürbar war er auch beim Empfang zum Neujahrsfest Rosch Haschana im Gemeindezentrum im Innenhafen, den Graumann zum ersten offiziellen Besuch nutzte. „Wir dürfen uns von der Vergangenheit nicht beherrschen lassen. Wir müssen heraus aus dem Jammertal und uns nicht auf die Rolle einer Opfergemeinschaft reduzieren lassen“, sagte Graumann vor rund 200 Gästen und empfahl die Abkehr vom „jüdischen Dauermahnwesen“.

Bunter und munter sei das jüdische Leben in Deutschland auch durch den Zuwachs aus den osteuropäischen Staaten. „Der Umbruch ist von großen Hoffnungen getragen. Die Neuen sind ein Segen. Sie bringen Schub, Kraft und Vitalität“, sieht Graumann ein neues „plurales Judentum“.

Dierkes: „So geht man mit Gästen nicht um“

Ungeachtet der Wegweisung zeigte Graumann aber auch unmissverständlich klare Grenzen auf: „Die Linkspartei muss sich von ihren Betonköpfen abgrenzen“, fordert der Präsident des Zentralrates mit Blick auf die Diskussion antisemitischer Strömungen in der Linkspartei. „Unter ihrem Dach gibt es zu viel fanatische Israelfeindlichkeit. Nicht zuletzt in Duisburg“, mahnte Graumann. Etwa mit dem Boykott-Aufruf zum Kauf israelischer Produkte seien Grenzen überschritten. „Das erinnert stark an die Nazi-Zeit“, so Graumann.

Dieter Graumann (Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland) und Nikolaus Schneider (Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland ) in Duisburg. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Dieter Graumann (Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland) und Nikolaus Schneider (Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland ) in Duisburg. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Der Konflikt mit dem ebenfalls geladenen Fraktionsvorsitzenden der Duisburger Linkspartei, Hermann Dierkes, war damit vorgezeichnet: „Das war eine grobe Ungehörigkeit. So geht man nicht mit Gästen um“, meinte Dierkes gegenüber der WAZ.

„Alles ist gut in unserem Miteinander“, erklärte als Gastredner der Ratspräsident der Evangelischen Kirchen Deutschland, Nikolaus Schneider, zum christlich-jüdischen Verhältnis und meinte dies theologisch wie menschlich und auch politisch: „Das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat steht politisch außer Frage“, so Schneider, der sich zugleich nachdrücklich von einem Beitrag in der August-Ausgabe des Deutschen Pfarrbriefes distanzierte, der für Kritik beim Zentralrat gesorgt hatte. Dieser Artikel sei „politisch gefährlich und theologisch fragwürdig“ sagte Schneider. Graumann hatte sich zuvor „verletzt und enttäuscht“ gezeigt, dass es innerhalb der Ev. Kirche erst spät zu Distanzierungen gekommen sei.

Wachsende jüdische Gemeinde

„Es ist immer schön, wenn das Haus voller Freunde ist“, hatte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Henry Hornstein die Gäste des Neujahrsempfangs zuvor begrüßt und das friedliche Miteinander in Duisburg gelobt, „das mehr ist als ein bloßes Lippenbekenntnis“.

Auch Hornstein blickt zuversichtlich auf die wachsende Jüdische Gemeinde. So habe man in Neumühl die nunmehr vierte Außenstelle eröffnet und der jüdische Kindergarten soll auf vier Gruppen erweitert werden. Als hoffnungsvolles Zeichen friedlichen Zusammenlebens nannte es Hornstein, dass dieser Kindergarten ohne Polizeischutz auskommt – ein Weg zur Normalität, die sich Hornstein für alle jüdischen Einrichtungen wünscht.