Duisburg. .
Die Eltern des bei der Loveparade gestorbenen Eike Mogendorf kritisieren die Vorschläge, die Stadt und Firma Krieger zur Gestaltung der Rampe gemacht haben. Den versprochenen Austausch mit den Opfern habe es bislang nicht gegeben.
„Die wissen ja, was wir wollen und auch, was wir auf keinen Fall wollen“, sagt Stefanie Mogendorf. Die, das sind die Stadt Duisburg und die Krieger Bau GmbH. Die Projektentwicklungsgesellschaft will für Grundstückseigentümer Kurt Krieger auf dem Gelände, auf dem Stefanie Mogendorfs Sohn Eike bei der Loveparade im Alter von 21 Jahren starb, ein Mega-Möbelhaus (Höffner) bauen. Für die Gedenkstätte, so wie sie sich viele der Hinterbliebenen der 21 Todesopfer wünschen, wird aber auf dem Gelände „Duisburger Freiheit“ kein Platz sein. Dabei hatte Stadtdirektor Peter Greulich gesagt: „Es ist entscheidend, was die Angehörigen wollen.“ Und: „Wir haben nicht vor, etwas aufzuoktroyieren.“ Greulich wurde als Stellvertreter von Oberbürgermeister Adolf Sauerland vom Stadtrat Ende Mai damit beauftragt, zur Gestaltung des Unglücksortes gemeinsam mit Angehörigen, Verletzten und Kriegerbau eine „konsensuale Lösung“ herbeizuführen. Drei Monate später sagt Stefanie Morgendorf dennoch: „Ich habe das Gefühl, die wollen nur ihre Pläne durchsetzen.“
Am 9. September werden die Stadt und die Firma Krieger den Hinterbliebenen und den bei der Loveparade Verletzten einen „überarbeiteten Lösungsvorschlag“ zur Gestaltung des Unglücksortes vorstellen, der im Bebauungsplan Duisburger Freiheit zurzeit nicht mal eingezeichnet ist (siehe Grafik und Download unten). In Briefen an die Betroffenen lädt Stadtdirektor Greulich sie zur Präsentation um 16 Uhr und zur Übernachtung in Duisburg ein.
Und was Edda Metz, die Projektbeauftragte von Krieger Bau, für den 9. September ankündigt, klingt tatsächlich nach Nachbesserungen im Sinne der Hinterbliebenen und Verletzten: „Wir haben den geplanten Fuß- und Radweg, der im Bereich der heutigen Rampe verlaufen soll, nochmals verschwenkt, so dass die Rampe auch nach oben hin teilweise offen bleiben kann.“ Zuletzt wollte die Firma über den Ort der Katastrophe einen Deckel ziehen (laut Bebauungsplan galt er gar zunächst sogar als „nicht erhaltbar“). Aber sie wisse ja schließlich, „was die Hinterbliebenen auf der Rampe wollen“, erklärte Edda Metz nun Ende voriger Woche: „Sie wollen Schnee, sie wollen Luft und Sonne über sich.“ Man werde sicher eine Lösung finden.
Kritik an Vorgehen und Vorschlägen der Stadt Duisburg
Stefanie Mogendorf und ihr Ehemann Klaus-Peter sind dennoch pessimistisch. Sie befürchten für den 9. September „eine etwas abgeänderte, unterirdische Lösung“. Den Glauben daran, dass zwischen den Interessen des Investors und der Stadt noch Platz für die der Trauernden und Traumatisierten ist, hat das Paar aus Belm bei Osnabrück scheinbar verloren. Das liege zum einen daran, wie man mit ihnen und den anderen Betroffen seit der Übergabe der Petition zum Erhalt des „historischen Ortes“ umgegangen sei, sagen sie, zum anderen an den bisherigen Gestaltungsvorschlägen der Stadt- und Krieger-Planer:
Am 15. Juni, beim bislang einzigen größeren Treffen von Hinterbliebenen, Verletzten, Seelsorgern, Bediensteten der Stadt und Krieger-Mitarbeitern, „da wurde besprochen, dass es ein Team geben soll“, erinnert sich Klaus-Peter Mogendorf. Diese Arbeitsgruppe aber, kritisiert der Bauingenieur, habe es nie gegeben. „Stattdessen wurden uns nur Entwürfe unterbreitet. Die Grafiken dazu aber durften wir nie mitnehmen, uns nie in Ruhe anschauen.“ Zudem habe es die angekündigten „Verhandlungen“ und den „intensiven Austausch“ mit den Hinterbliebenen und Verletzten, von dem Stadtdirektor Greulich spricht, „einfach nicht gegeben“, so Mogendorf: „Wir Angehörigen sind ja untereinander gut vernetzt. Es hat unseres Wissens nur mit drei Familien Gespräche gegeben.“
Peter Greulich (Bündnis 90/Die Grünen) entgegnet, er habe „im Laufe der letzten Zeit mit verschiedenen Angehörigen über viele Stunden intensive Gespräche geführt. Dabei ging es natürlich auch um die Gedenkstätte. Diese Gespräche waren stets sehr persönlich und selbstverständlich haben sie abseits der Öffentlichkeit stattgefunden. So soll es auch in Zukunft sein.“ Ohnehin sei der Begriff „intensiv“ sehr unterschiedlich auslegbar.
Der Stadtdirektor hatte der NRZ am Wochenende des Loveparade-Jahrestages erklärt, was Angehörigen und Opfern am 15. Juni im Rathaus vorgestellt wurde. Etwa die Idee, dass nicht jedermann zu jeder Zeit besuchen soll, was von Rampe und Treppe übrig bleiben wird. „Vielleicht ist es sinnvoll, dass aus Gründen der Pflege und Sauberkeit zu bestimmten Zeiten nur ein kleiner Personenkreis Zutritt hat“, erklärte er Ende Juli. Dabei ist es zum Beispiel für Stefanie Mogendorf „tröstlich, wenn andere an der Rampe eine Kerze für unsere sinnlos gestorbenen Kinder aufstellen können, wenn da jeder, der mit der Loveparade – wie auch immer – zu tun hatte, zu jeder Tag- und Nachtzeit hingehen kann.“ Sie fährt monatlich von Osnabrück nach Duisburg: „Es tut mir gut, an der Rampe mit Duisburgern und anderen Betroffenen ins Gespräch zu kommen.“
Eltern fordern öffentliche Gedenkstätte für öffentliche Katastrophe
Den ersten Entwurf der Stadt nennt die 52-Jährige nicht nur deshalb „unterirdisch“. Ein „Bunker“, eine „Gruft“ sei diese geschlossene Lösung. Danach sollte eine Decke über dem schmalen Streifen vor der westlichen Rampen-Wand, auf dem die meisten Todesopfer ihr Leben ließen, eingezogen werden – etwa auf halber Höhe der heutigen Treppe, zu der die Massen am 24. Juli 2010 drängten. Nach diesem Entwurf wäre der Zugang zur Rampe nur noch über eine Tür an der Karl-Lehr-Straße möglich. „Nur einer hat damals im Rathaus gesagt, damit könne er leben“, erinnert sich Stefanie Mogendorf. Alle anderen hätten den Entwurf „,unmöglich’ genannt. Allein schon die Idee, dass die Verletzten, die auch von der Enge damals traumatisiert sind, in so einen Bunker rein sollen“, empört sie.
Als sich das Ehepaar aus Niedersachsen Anfang Juli erneut mit Peter Greulich traf, war dieser Entwurf um eine Glaspyramide in der Decke erweitert, „höchstens zwei mal zwei Meter groß“, schätzt Klaus-Peter Mogendorf. Für diese Lösung hatte Peter Greulich auch in einer Reportage des niederländischen Fernsehsenders NCRV (Nederlandse Christelijke Radio Vereniging) über die Eltern des Todesopfers Derk Jan Willem van Helsdingen geworben. Klaus-Peter Mogendorf seinerseits veranschaulichte mit Hilfe eines befreundeten Architekten bereits, wie er sich eine Gedenkstätte vorstellt, als der Erhalt des Rampen-Teilstücks noch gar nicht beschlossene Sache war (siehe Grafik links oben). Er und seine Frau fordern, dass der Ort der Katastrophe unter freiem Himmel und öffentlich zugänglich bleibt. „Oder war das etwa kein öffentliches Ereignis, als hier in Duisburg 21 Menschen – unsere Kinder – starben und mehrere hundert verletzt wurden?“, fragt er. Und sie versichert, dass sich die neun von ihr danach befragten Familien allesamt ausdrücklich gegen einen beschränkten Zutritt ausgesprochen haben.
Die Ansicht, dass die Würde des Ortes nur durch eine Zugangssperre für die Allgemeinheit bewahrt werden könne, teilen die Mogendorfs schon gar nicht. Als Peter Greulich eine mögliche Verschmutzung der Gedenkstätte als Argument für deren Schließung vorbrachte, boten sie und andere Opfer sogar an, sich eigenhändig um Ordnung und Sauberkeit zu kümmern.
Warum Krieger Bau eine alternative Planung ablehnt
Noch grundsätzlichere Vorschläge machte Bauingenieur Mogendorf. Tagelang studierte er die Pläne für die Duisburger Freiheit. „Wenn man die Parkplätze vor dem Möbelhaus an der Autobahn 59 versetzen würde, könnte man die zentrale Verbindungsstraße auf dem Gelände ein wenig verschwenken und die Gedenkstätte so mit ein bisschen gutem Willen einfach in den geplanten Grünstreifen integrieren“, da ist er sich sicher.
„Das funktioniert aber nicht, weil wir die vorgeschriebenen Abstände zum Gebäude nicht einhalten könnten“, behauptet dagegen Krieger-Bau-Projektleiterin Edda Metz. „Herr Mogendorf war nicht an der Planung beteiligt“, könne den Bebauungsplan folglich nicht einschätzen. Und überhaupt: Solch gravierende Änderungen, so Metz, könnten im Aufstellungsverfahren „einen Verzug von zwei Jahren“ bedeuten. Für Krieger und die Stadt wäre das verschenkte Zeit.
Für Details im Bebauungsplan „Duisburger Freiheit“
Eikes Vater gibt sich dennoch nicht zufrieden, fordert mehr Planungssicherheit. Die Passage zur Loveparade-Gedenkstätte im Bebauungsplan ist ihm zu vage. Mit DocuNews-Journalist Lothar Evers arbeitet er zurzeit an einem Vorschlag: „Es muss doch zumindest festgelegt werden, wie groß die Gedenkstätte sein soll und wie sie aussehen soll.“ Zumal seinem Erleben nach bereits der erste Satz zur Rampe im Bebauungsplan nicht stimmt. Da steht: „Die Verwaltung und der Investor sind in intensivem und kooperativem Gespräch mit den Angehörigen und Verletzten. Gemeinsames Ziel ist es, eine Lösung für die Errichtung der Gedenkstätte zu finden, die sowohl die legitimen und nachvollziehbaren Wünsche der Angehörigen und Verletzten als auch das abgestimmte städtebauliche Konzept möglichst weitgehend verwirklicht.“