Duisburg. . Faust II wurde als finaler Höhepunkt des Theatertreffens in der Inszenierung des Wiener Burgtheaters gezeigt. Das Publikum war begeistert, das selten aufgeführte Stück in kurzweiliger Inszenierung zu sehen.
Faust ist alt geworden. Von der schönen Helena träumen: ja. Wenn aber die Regieanweisung verlangt, er möge mit ihr Euphorion zeugen, dann schmunzelt Tilo Nest als Faust in den Zuschauerraum: „Das überspringen wir jetzt.“
Zum Abschluss des Theatertreffens war am Samstag und Sonntag „Faust II“ als Gastspiel des Wiener Burgtheaters zu sehen. Der erste Teil von Goethes Großwerk, das im September 2009 seine fünfeinhalbstündige Komplett-Premiere in Wien hatte, wurde übersprungen. Und so gern man Tobias Moretti und Gert Voss – Faust und Mephistopheles des ersten Teils – gesehen hätte: Sich auf den selten aufgeführten zweiten Teil zu konzentrieren, hatte großen Reiz.
Schwierige Inszenierung kurzweilig auf die Bühne gebracht
Zumal Matthias Hartmann diese Fortsetzung, die mit ihrer seltsamen Mischung aus Fantastik und Fortschrittsgeist als schwierig zu inszenieren gilt, sehr kurzweilig und mit scheinbar leichter Hand auf die Bühne bringt.
Volker Hintermeier gestaltet sie mit fünf großen Rahmen aus Lichtröhren, bespannt mit transparenten Leinwänden. Auf ihnen sind die Projektionen der live aufgenommenen Videos zu sehen. Aus Überblendungen entstehen faszinierende Bilder wie das des maskenhaft wirkenden Faust-Gesichts; dahinter sieht man, wie die Elfen erst mal seinen Kopf von den Geschehnissen des ersten Teils der Tragödie reinigen.
Stück kommt ohne Umbauten aus
Durch seinen kunstvollen Video-Einsatz – alles andere bleibt sehr einfach bis hin zum Einsatz von Alltags-Müll – kann Hartmann ohne Umbauten die so unterschiedlichen Orte des Spiels auf die Bühne holen. Dabei verzichtet er auf jede Illusion und zeigt offen, wie die Bilder entstehen, wenn etwa die Erzählerin die Seiten eines Buchs mit Architekturzeichnungen umblättert, die der Kameramann filmt und die dann als Projektion zum Bild werden. Etwa die Pfalz, in der Faust, eingeflüstert von Mephisto, dem abgebrannten Kaiser die Einführung von Papiergeld empfiehlt. Dessen Minister erläutern ihm in schönstem Banker-Englisch, wie der Geldmarkt funktioniert.
Überzeugend sind neben den Bildern der sehr durchdacht eingesetzte Originaltext und die Live-Musik, die Atmosphäre schafft. Es sind manchmal feine, häufig aber auch kalauernde Scherze, die eine ironische Distanz zum Stoff schaffen und jeden hehren Ernst bannen. Aus diesem Abstand, mit Humor und manchmal kindlicher Naivität kann Goethe neu befragt werden. Spielerisch geht es ins Laboratorium, wo der Homunkulus erschaffen wird, dann nach Griechenland zur schönen Helena und in die Schlacht, für deren Sieg Faust mit dem Küstenstreifen belohnt wird. Zur Küstenlandschaft wird Yohanna Schwertfegers nackter Körper, der von fern gesteuerten Spielzeug-Baggern „bearbeitet“ wird.
Jeder Schauspieler spielt mehrere Rollen
Jeder Schauspieler im achtköpfigen, starken Ensemble spielt mehrere Rollen. Auch Joachim Meyerhoff, der sich gegen Ende als Mephisto überzeugend böse in die Zuschauerseele einschmeichelt. Doch die Seele des greisen Faust, ruhelos und unersättlich, entgeht ihm.
Das beglückte Publikum hielt es nicht auf den Sitzen, es applaudierte lange.