Duisburg. Rheinhausen war 1933 eine Nazi-Hochburg, doch Sozialdemokraten und Kommunisten nahmen den Kampf gegen Hitler auf. Besondere Rolle der Bergmänner.
Wie das damals war, in der Nazizeit (1933 bis 1945), mit dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten, damit hat sich am Dienstag das Zentrum für Erinnerungskultur im Innenhafen am Beispiel von Rheinhausen beschäftigt. Im Mittelpunkt dabei haben die Bergarbeiter Alfred Hitz (1908 bis 1935) und Johann Esser (1896 bis 1971) gestanden. Esser ist dadurch bekannt, dass er im Konzentrationslager Börgermoor im Emsland mit einem anderen Häftling das Lied von den Moorsoldaten getextet hat.
Dr. Andreas Pilger, Leiter des Duisburger Stadtarchivs, diskutierte darüber mit Ingrid Rehwinkel. Sie ist Enkelin des Bergheimer Widerstandskämpfers Dietrich Kleuken. Zweiter Gesprächspartner war Ulrich Hecker vom Verein „Erinnern für die Zukunft“ in Moers.
„Politisches Engagement war etwas Gefährliches“
„Für meine Mutter“, also die Tochter des Nazi-Gegners Kleuken, „war politisches Engagement etwas Gefährliches, schlimmer als Fallschirmspringen“, berichtete Rehwinkel aus ihrer Kindheit in den 1960er und 70er Jahren. Widerstandskämpfer hätten noch lange als Vaterlandsverräter gegolten, ergänzte Hecker.
Über Deutschlands Eintritt in den Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) hatte sich die linke Arbeiterbewegung gespalten: Die Sozialdemokraten (SPD) traten danach für die Parteiendemokratie und für Kompromisse mit den Besitzenden ein. Die Kommunisten (KPD) strebten deren Enteignung und eine Herrschaft der Arbeiter und Bauern nach dem Vorbild der Russischen Revolution an.
Parlament lahmgelegt: Antidemokraten in der Mehrheit
Mit dem Ausbruch der großen Wirtschaftskrise 1930 verschärften sich die Auseinandersetzungen. Denn die Hitler-Partei NSDAP erhielt gewaltigen Zulauf. Rheinhausen war eine ihrer Hochburgen in Westdeutschland.
Sie aber machte vor allem SPD und KPD für die Probleme der Zeit verantwortlich. Statt gemeinsam die Nazis zu bekämpfen, agitierte die KPD gegen die SPD. Anhänger von KPD und NSDAP wiederum stießen in den großen Städten gewalttätig aufeinander.
Im Reichstag in Berlin hatten beide Parteien ab Sommer 1932 eine Mehrheit. Das Parlament war lahmgelegt. Am 30. Januar 1933 hoben antidemokratische nationalistische Kreise den Nazi-Führer Adolf Hitler als Reichskanzler in den Sattel. Umgehend begannen die Nazis, die nun die Kontrolle über die Polizei hatten, mit der Verfolgung ihrer schärfsten Gegner.
Viele Bergleute blieben ihrer Gesinnung treu
Weniger bei Krupp, mehr dafür in den beiden Zechen Mevissen in Bergheim und Diergardt in Hochemmerich bekannten sich aber viele Männer zu den linken Arbeiterparteien, die bis zum Sommer 1933 verboten wurden.
Ihre Führungszirkel arbeiteten verdeckt weiter. „Sie hatten ja anfangs die Hoffnung, das Nazi-Regime werde bald zusammenbrechen“, gab Hecker zu bedenken. Schließlich hatte sich zuvor auch keine andere Regierung in Berlin länger als zwei Jahre gehalten.
Alfred Hitz arbeitete seit 1924 auf der Zeche Diergardt-Mevissen, engagierte sich in SPD und SPD-naher Gewerkschaft. Das tat er auch im Untergrund und wurde 1935 nach einer illegalen Maifeier verhaftet. Am 4. Juli 1935 starb er im Gefängnis der Duisburger Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Seine Familienangehörigen entdeckten vor der Beisetzung des Leichnams daran Spuren von Folter. Seit 1973 trägt der Marktplatz in Bergheim seinen Namen.
Johann Esser überlebte das KZ
Auch Johann Esser arbeitete als Bergmann, gehörte aber der KPD an. Er kam schon 1933 in „Schutzhaft“ und anschließend ins KZ. Das hat er zwar überlebt, fand aber danach keine Arbeit mehr, sodass die Familie mit vier Kindern in Armut lebte.
Seine Frau Johanna belasteten die Repressalien, mehrere Verhaftungswellen, die auch ihren Mann erfassten, so sehr, dass sie 1940 in die Psychiatrie eingewiesen wurde und darin 1945 starb. Johann Esser arbeitete nach 1945 wieder im Bergbau, engagierte sich im Betriebsrat, blieb aber parteilos.
Schmuggel mit Nazi-feindlichen Schriften bis 1935
Über den Moerser SPD-Parteisekretär Hermann Runge (1902 bis 1975), der ebenfalls im Widerstand aktiv war, hatten die Rheinhauser Kontakt zur Brotfabrik Germania in Beeck, einem Zentrum des linken Widerstands. Der dortige Schmuggel mit verbotenen Nazi-feindlichen Schriften aus den Niederlanden wurde erst 1935 unterbunden.
Wenn man solche Schriften nur gelesen hatte, kam man mit einer kurzen Zuchthausstrafe davon. Hatte man mit geschmuggelt, fiel sie höher aus. Um was es in diesen Schriften ging, wollte ein Zuhörer am Dienstag wissen. „Das konnten Tipps der Exil-SPD in Prag sein, wie man sich verhalten sollte“, erklärte Ingrid Rehwinkel.
Es habe aber auch Tarnschriften gegeben über die Hintergründe des Reichstagsbrands in Berlin im Februar 1933, sagte Ulrich Hecker. Dieser Brand wurde zum Anlass genommen, gewaltsam gegen KPD-Mitglieder vorzugehen.
Widerstandskämpfer in Rheinhausen: Ansehen nur langsam gebessert
Gemeinsam von den Nazis verfolgt worden zu sein änderte nichts daran, dass SPD und KPD auch nach 1945 getrennte Wege gingen, außer in der ehemaligen DDR. Die Spaltung auch der Gewerkschaften vor 1933 war aus Sicht eines Zuhörers die Wurzel des Übels. Daraus habe man nach 1945 die Konsequenz gezogen und Einheitsgewerkschaften gegründet, in denen Parteizugehörigkeit zweitrangig sei.
Das Ansehen der Widerstandskämpfer habe sich nur langsam gebessert. Noch im Nachruf auf Hermann Runge von 1975, berichtete ein Zuhörer, sei davon keine Rede gewesen. „Wenn ich als Jungsozialistin (also als SPD-Mitglied um 1980) zu Ostern in der Friedensbewegung neben der (KPD-nahen) Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) marschieren wollte, dann sollten wir das nicht“, berichtete Ingrid Rehwinkel. Immerhin das sei heute kein Problem mehr.
Im dritten Teil der Diskussionsreihe geht es um das Schicksal der Ehefrau von Johann Esser
Die insgesamt dreiteilige Diskussionsreihe über den politischen Widerstand in Rheinhausen geht am Dienstag, 7. Mai, zu Ende. Im Zentrum für Erinnerungskultur am Karmelplatz in der Duisburger Alstadt findet ab 19 Uhr eine Veranstaltung über Johanna Esser und das Schicksal der Familien der Widerstandskämpfer statt.
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