Duisburg. Gedenkstätten erinnern in Duisburg an Opfer der NS-Diktatur – an Mitglieder der jüdischen Gemeinde, Gewerkschafter, Homosexuelle. Ein Rundgang.
Zu Gedenkstätten an die Opfer der Nazi-Diktatur (1933 bis 1945) haben Carmen Simon Fernandez und Amel Musija vom Zentrum für Erinnerungskultur jüngst rund 25 Interessierte geführt. Wir haben sie auf dem Weg vom Kultur- und Stadthistorischen Museum am Innenhafen zum Pulverweg begleitet.
Nur 3000 von 441.000 Menschen in Duisburg waren Anfang der 1930er Jahre jüdischer Religion oder Herkunft. Gegen sie richteten sich vom Machtantritt Adolf Hitlers und seiner Partei NSDAP an gezielte Kampagnen. Zuerst wurde gegen das Einkaufen in Geschäften agitiert, die von Juden geführt wurden. Am Ende wurden zwischen 1941 und 1944 insgesamt 245 noch in Duisburg lebende Juden nach Osteuropa verschleppt, wo viele starben.
Duisburger Salvatorkirche: Evangelische Kirche erinnert an die Juden
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Die Evangelische Kirche pflegt die Erinnerung an das jüdische Leben in der Stadt. Es geht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Die Gruppe blieb an einem Fenster der Salvatorkirche stehen. Gestaltet hat es 1981 der israelische Künstler Naftali Bezem (1924 bis 2018). Es erinnert daran, wie das jüdische Leben in Duisburg bis 1945 ausgelöscht wurde.
Vor dem Rathaus haben die Gewerkschaften 1984 eine Skulptur aus Bronzeguss aufgestellt. Auch davor machte die Gruppe Halt. Sie stammt von der Düsseldorfer Künstlerin Hede Bühl (Jahrgang 1940), zeigt einen aufrechten menschlichen Oberkörper ohne Arme und Beine. Das Mahnmal erinnert daran, dass auch die Gewerkschafter von Beginn an Opfer des Nazi-Terrors gewesen sind.
Jagd auf Gewerkschaftsfunktionäre
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Der Internationale Tag der Arbeit am 1. Mai, so berichtete es Musija, war gleich nach der Machtübernahme zum Nationalen Tag der Arbeit und zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden. Im Wedau-Stadion fand dazu ein großes Fest statt. Tags darauf wurden die Büros der Gewerkschaften besetzt. Ihre Sekretäre wurden zum Polizeipräsidium geführt, mussten dabei Schilder mit Sprüchen wie „Wir haben die Arbeiter verraten“ tragen.
Vier Sekretäre von der Ruhrorter Straße in Kaßlerfeld fehlten. Johann Schlosser, Julius Birck, Michael Rodenstock und Emil Rentmeister wurden im dortigen Keller von Nazis so schwer misshandelt, dass sie das nicht überlebten. Bei Hünxe wurden ihre Leichen verscharrt. Öffentlich wurde behauptet, sie seien mit der Gewerkschaftskasse durchgebrannt. An sie erinnert auch das Mahnmal „Erfahrbare Wände“ der Künstlerin Gabriella Fekete, das 1999 an der Ruhrorter Straße 11 in Kaßlerfeld aufgestellt wurde.
Gedenkkapelle erinnert an Synagoge
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Seit 1875 besaß die liberale jüdische Gemeinde in Duisburg an der Junkernstraße eine stattliche Synagoge. Sie ging in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Flammen auf. Simon Ferandez zeigte der Gruppe, dass nur noch eine kleine Mauer erhalten ist. An ihrer Stelle hat die Evangelische Kirche 1987 eine Gedenkkapelle errichtet.
Hier wirkte ab 1905 auch Manass Neumark – der erste Rabbiner, der in Duisburg tätig war. Während der Novemberpogrome wurde Neumarks Wohnung in der Fuldastraße im Wasserviertel verwüstet, er selbst kurzzeitig in „Schutzhaft“ genommen. 1942 wurden er und seine Schwester Hulda mit den letzten Mitgliedern seiner Gemeinde nach Theresienstadt deportiert. Neumark starb dort nach drei Monaten, seine Schwester überlebte ihn ein knappes Jahr. Anders als vier seiner sieben Geschwister überlebten seine vier Kinder Ruth, Eva, Hermann und Ernst die Nazi-Herrschaft durch Emigration und Flucht. 1984 wurde in der Altstadt ein Weg entlang der Stadtmauer nach Manass Neumark Rabbiner-Neumark-Weg benannt.
Zum Kreis derer, die verfolgt wurden, gehörten auch Homosexuelle. Die letzte Station des Rundgangs galt dem ersten Stolperstein, der in Duisburg seit 2012 daran erinnert: an Werner Bangert (1917 bis 1942) vom Pulverweg.
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Sex zwischen Männern stand schon vor der Nazizeit und noch bis 1994 unter Strafe. Der Sohn eines Stadtbeamten, selbst Elektriker bei der Stadt, kam dafür zwei Mal ins Gefängnis, ehe er 1942 in „Vorbeugehaft“ im KZ Sachsenhausen bei Berlin starb, angeblich an Lungenentzündung.
Seine Nichte Christiane aus den Niederlanden berichtete, dass die Mutter den Tod ihres Sohnes nicht verwinden konnte und acht Monate später starb. Die Urteile gegen Bangert wurden erst 2002 aufgehoben.
Zentrum für Erinnerungskultur arbeitet früheres Unrecht auf
- Das Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie ist eine gemeinsame Einrichtung von Stadtarchiv und Kultur- und Stadthistorischem Museum. Es besteht seit 2014 und hat seinen Sitz am Innenhafen.
- Es will vor allem die Erinnerung an die Nazi-Vergangenheit wachhalten und sie erforschen, widmet sich aber auch der Geschichte der Zuwanderung und den Spuren des Kolonialismus in Duisburg. Auf diese Weise sollen Gefahren für die Demokratie aufgezeigt und dafür sensibel gemacht werden.
- Bildungsangebote, Ausstellungen und Kontaktmöglichkeiten: www.erinnerungskultur-duisburg.de