Duisburg. Der verlassenste ÖPNV-Abschnitt in ganz Duisburg liegt im Westen der Stadt. Wo genau kaum Fahrgäste unterwegs sind – aber trotzdem Busse.
Eine Menge Nichts wartet auf Autofahrer zwischen dem Dorf Friemersheim und der Eisenbahnsiedlung in Duisburg-Rheinhausen. Ackerland und Bäume am Rand, die Schornsteine der HKM-Anlagen in der Ferne. Ein Grünstreifen trennt den Radweg von der Dahlingstraße – bis sich plötzlich ein Bordstein aus dem Gras erhebt. Mülleimer auf beiden Seiten, zwei Pfosten mit Haltestellen-Schildern.
Hier hält doch nicht tatsächlich ein Bus? Doch, wirklich. Zumindest laut Fahrplan. Die Linien 925 und 927 kommen hier tagsüber einmal in der Stunde vorbei, an Schultagen zu bestimmten Zeiten auch die 914, nachts die NE-Linie 27. Und obwohl am Halt namens Dahlingstraße mehr Busse verkehren, als es die Umgebung erahnen lässt, beginnt dort der Abschnitt mit den einsamsten Haltestellen der Stadt.
Einsamste Haltestellen in Duisburg: Eine Station liegt besonders abseits
Dieser erstreckt sich über gut acht Kilometer bis zur Station „Rumeln Rathaus“, wie die Erfahrungen der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) zeigen. In diesem Bereich seien nicht nur die wenigsten Busse unterwegs. Hier würden auch so wenige Passagiere wie sonst nirgends aus- und zusteigen. Die 925 sei ohnehin „die am wenigsten genutzte Buslinie“, sagt DVG-Sprecherin Kathrin Naß der Redaktion.
Es verwundert nicht, dass der einsamste ÖPNV-Bereich der Stadt an der Dahlingstraße beginnt – auf halber Strecke zwischen Wohngebieten, also mitten im Feld. Nahezu alle Gebäude in Sichtweite liegen näher an anderen Haltestellen. Einzig für Mitarbeiter der Wirtschaftsbetriebe, die zur kleinen Abwasseranlage nebenan wollen, würde es Sinn ergeben, dort auszusteigen.
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Entsprechend verlassen sieht der Halt auch aus. Weder „Coffee to go“-Becher noch Bäckerei-Tüten fliegen umher, die Mülleimer sind leer. Sitze gibt es ebenso wenig wie eine Überdachung. Wer dort steht, wenn es regnet, steht im Regen, aber immerhin nicht im Matsch, sondern auf Pflastersteinen im Schachbrettmuster.
Stationen in der Eisenbahnsiedlung: „Busse werden durchaus genutzt“
Etwas mehr Hoffnung auf Ein- und Ausstiege dürfen sich Busfahrer an den drei nächsten Stopps des Abschnitts machen. Rund um die Haltestellen Lothsfeldstraße, Martinistraße und Turmstraße in der Eisenbahnsiedlung liegen nämlich viele Mehrfamilienhäuser. Unterstände bieten Schutz vor Regen. Auch die vollen Mülleimer sind ein Zeichen für Zivilisation rund um die Stationen.
Dass es hier tatsächlich Menschen gibt, die die Busse nutzen, bestätigt Sabrina Stubenrauch, die in der Nähe wohnt und gerade mit ihrem Hund spazieren geht: „Morgens und nachmittags sehe ich oft ein paar Leute an den Haltestellen stehen, die mit dem Bus zur Arbeit oder in die Stadt fahren, nach Rheinhausen aber eher als in Richtung Rumeln.“
Sie selbst gehöre auch dazu, weil sie kein Auto hat, mit dem sie zur Innenstadt kommt. Mit dem Bus brauche sie für diese Strecke oft eine knappe Stunde. Spaß mache das nicht: „Ich musste schon oft 20 Minuten oder mehr in der Kälte stehen, weil der Bus nicht kam oder ich einen Umstieg verpasst habe.“
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In solchen Fällen geht es Fahrgästen besser, die an der Martinistraße warten, denn direkt nebenan bietet ein Kiosk frischen Kaffee, kühle Getränke und süße Nervennahrung. Die Betreiberin Nicole Strelow widerlegt ebenfalls die Sinnlosigkeit der vermeintlich einsamen Haltestellen: „Die Busse werden durchaus genutzt und wenn der ÖPNV streikt, sind manche Leute hier echt aufgeschmissen.“
Station Zentralfriedhof: Gärtner weiß, warum hier niemand aussteigt
Nach der Eisenbahnsiedlung fahren die Busse der Linie 925 zur Haltestelle An den Steinen, die praktisch als „Privat-Station“ für die Mitarbeiter einer Lkw-Werkstatt und einer großen Reinigung fungiert. Dann geht’s mit einem Schlenker durch den Chempark Krefeld vorbei an Bahngleisen und Wiesen bis zum Friedhof Mühlenberg.
Nach drei Kilometern ohne Haltestelle können Gäste dort an der Station Zentralfriedhof aussteigen. Dieses Szenario ist aber eher theoretischer Natur, sagt Jörg Zilinske, der die Friedhofsgärtnerei betreibt: „Es kommen nur ganz selten Menschen mit dem Bus. Die Haltestelle ist wirklich verlassen, meistens fahren die Busse vorbei.“
Seiner Meinung nach liegt das auch daran, dass die Fahrgäste früher auf der anderen Seite der L473 aussteigen und die vielbefahrene Straße überqueren mussten. „Das war vielen bestimmt zu unsicher.“ Vor kurzem sei die Haltestelle an den Parkplatz des Friedhofs verlegt worden, „aber das wissen anscheinend die meisten nicht“, meint Zilinske.
Viele Bus-Optionen ab der Endstation Rumeln Rathaus
Vom Friedhof sausen die Busse über die L473 bis zur Station Liebigstraße, ehe sie nach rund 2,5 Kilometern ohne Halt wieder in bewohntem Gebiet ankommen, nämlich in Rumeln-Kaldenhausen. Es folgen die Stationen Friemersheimer Straße, Stapelmann und die Endstation Rumeln Rathaus.
Von hier aus haben Fahrgäste, verglichen mit den Stationen zuvor, beinahe die Qual der Wahl. Sie kommen mit Bussen zum Beispiel zum Sportpark Wedau, zum Königlichen Hof in Moers und zum Bahnhof Uerdingen. Oder sie nehmen die 925 zum Markt in Rheinhausen und genießen ihn in Gegenrichtung: den einsamsten Bus-Abschnitt der Stadt.
>> Welche Busse in Duisburg ebenfalls nur einmal pro Stunde fahren
- Die Linie 925 wird am wenigsten genutzt, sie ist aber nicht die einzige, die nur im Stundentakt fährt, sagt DVG-Sprecherin Kathrin Naß.
- Ebenfalls nur einmal pro Stunde verkehren in Duisburg die Busse der Linien 928 zwischen Winkelhausen Bruchstraße und Bissingheim Dorfplatz, der 935 zwischen Sterkrade Bahnhof über Hamborn zur Anne-Frank-Realschule Oberhausen und die Busse der 939 zwischen Anne-Frank-Realschule und Duisburg Hauptbahnhof Osteingang.
- An den Haltestellen mit wenigen Fahrgästen sind „weniger Busse als auf stark frequentierten Linien unterwegs“, erklärt Naß. Warum es sie überhaupt gibt? „Im Rahmen der Daseinsvorsorge und um das gesamte Stadtgebiet an den ÖPNV anzubinden, fahren wir natürlich auch wenig nachgefragte Bereiche an.“