Duisburg. Immer mehr Gräber auf Friedhöfen in Duisburg verwildern. Das hat mehrere Gründe. Wie versucht wird, nachlässige Angehörige ausfindig zu machen.
Der November ist traditionell der Monat, in dem Angehörige die Gräber ihrer Verstorbenen besuchen. Aber längst nicht mehr alle Gräber befinden sich in einem guten und gepflegten Zustand, wie regelmäßige Friedhofsbesucher schon länger feststellen mussten. Ungepflegte und geradezu verwilderte Gräber trüben immer mehr das Gesamtbild auf den Duisburger Friedhöfen.
Reinhold Adrian von den Duisburger Wirtschaftsbetrieben (WBD) ist für den Geschäftsbereich Friedhöfe verantwortlich. „Ja, das ist leider so“, bestätigt Adrian, der ergänzt: „Das beobachten wir seit mehr als zehn Jahren. Das ist eine Entwicklung mit zunehmender Tendenz.“ Die Wirtschaftsbetriebe sind allein für 17 Friedhöfe im Stadtgebiet zuständig, dazu kommen noch etliche konfessionell betriebene Grabstätten.
Verwilderte Gräber sind ein Ärgernis für Friedhofsbesucher
Die Gründe für die „Veränderung der Friedhofskultur“ sind nach Auskunft des WBD-Abteilungsleiters vielschichtig: „Oftmals wohnen Angehörige nicht mehr vor Ort, mögliche Partner der Verstorbenen sind selbst nicht mehr mobil oder ebenfalls bereits verstorben.“ Der Gartenbauingenieur gibt aber auch die mit der Grabpflege verbundenen Kosten als möglichen Grund an: „Manche Angehörige können sich die Pflege aus finanziellen Gründen nicht leisten, andere wollen das aber auch einfach nicht und kümmern sich nicht um die Gräber ihrer Angehörigen.“
Feststellen kann man die Verwilderung oftmals bei Regel- aber auch bei Wahl-Reihengräbern. Dabei stellt auch die Wahl der Grabstätte einen erheblichen Kostenfaktor dar. So sind für ein Sargreihengrab allein an städtischen Gebühren aktuell 1121 Euro zu bezahlen, dazu kommen Kosten für die Bestattung von 822 Euro, heißt es im Internetportal der Wirtschaftsbetriebe. Die nicht unerheblichen Kosten des privaten Bestattungsunternehmens sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Warum klassische Reihengräber nicht mehr gefragt sind
„Der Trend in den letzten Jahren geht klar in Richtung pflegeärmerer Urnengräber oder auch hin zu Sarg- oder Urnenrasengrabstätten“, erklärt Reinhold Adrian. Immer beliebter werden auch Urnengemeinschaftsgräber, deren Pflege die Wirtschaftsbetriebe übernehmen, die aber auch mit höheren Gebühren verbunden sind.
[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Stadtseite + Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
Die klassischen Sargreihengräber sind nicht mehr so nachgefragt, was offensichtlich auch mit dem Pflegeaufwand in Zusammenhang zu sehen ist. Aktuell beträgt die Ruhezeit zwanzig Jahre. „Das ist schon eine lange Zeit, die auch mit der Grabpflege verbunden ist“, so der Friedhof-Fachmann. Er fügt hinzu: „Früher war die Ruhezeit noch länger, das wäre unter den heutigen Bedingungen schon problematisch.“
So versucht die Friedhofsverwaltung, Angehörige aufzufinden
Wird eine Verwilderung von Gräbern von der Friedhofsverwaltung festgestellt, kommen die grünen Schilder zum Einsatz, mit denen die Angehörigen aufgefordert werden, sich bei der Friedhofsverwaltung zu melden. „Danach warten wir schon einige Monate, geben den Angehörigen Zeit, mit uns in Kontakt zu treten“, erläutert Adrian. Erfolgt keine Reaktion, versucht man Angehörige ausfindig zu machen: „Ein aufwendiger Prozess, der viel Zeit beansprucht und oft ohne Erfolg bleibt.“ Danach kann es erst zum letzten Schritt, dem Entzug des Nutzungsrechts kommen. Der Entzug wird im Amtsblatt veröffentlicht.
„Danach geht wieder einige Zeit ins Land, erst nach einigen Monaten werden wir, falls es immer noch keine Reaktion gibt, aktiv“, erläutert Adrian. Dann wird das Grab vom Wildwuchs befreit und planiert. Eine Neuvergabe der Grabstätte erfolgt aber erst, wenn die Ruhefrist von 20 Jahren abgelaufen ist.
Einen positiven Aspekt hat die zunehmende Verwilderung der Gräber aber dennoch, wie Adrian anmerkt: „Dort, wo die Natur sich frei entwickeln konnte, hat die Artenvielfalt zugenommen. Es wurden sogar Pflanzen und Insekten auf unseren Friedhöfen nachgewiesen, die auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen.“ Immerhin ein kleiner Trost für Friedhofsbesucher, die demnächst wieder durch die Wildnis Slalomläufe veranstalten, um die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen.
Bestattungsunternehmer rät: „Rechtzeitig Gedanken machen“
Joachim Mrozek, Inhaber des Neudorfer Bestattungsunternehmens Peters, bestätigt den Trend zu pflegefreien Grabstätten wie Rasengräber für Särge oder auch Urnen. Die sollten nach den Vorstellungen der Angehörigen in der Regel aber schon mit einem Gedenkstein oder einer entsprechenden Bodenplatte versehen sein. Der Bestattungs-Profi: „Einen verstärkten Wunsch nach anonymen Beerdigungen gibt es allerdings nicht, die Nachfrage danach ist eher gering.“
Auch interessant
Die Zunahme ungepflegter Gräber verbindet er mit veränderten Familien- und Mobilitätsstrukturen: „Früher gab es größere Familien. Da hat man sich die Grabpflege aufgeteilt. Irgendwer hat das immer übernommen, das war früher nie ein Problem. Heute wohnen etwaige Nachkommen oft nicht mehr vor Ort, da gerät die Pflege schon mal in Vergessenheit.“
Generell sollte man sich nach Meinung des Bestatters rechtzeitig Gedanken machen, welche Grabarten später in Frage kommen. „Es gibt Möglichkeiten, nach und nach mehrere Urnen in einem Grab beizusetzen. Da muss man nicht mehrere Grabstätten an unterschiedlichen Orten auf dem Friedhof betreuen“, so Mrozek. Er empfiehlt, sich rechtzeitig von einem Bestattungsunternehmen beraten zu lassen.
„Pflege durch eine Friedhofsgärtnerei muss nicht teuer sein“
Dirk Nienhaus hat derzeit jede Menge zu tun. Zu Allerheiligen muss alles in Ordnung sein. Das erwarten die Friedhofsbesucher, die im November die in Pflege gegebenen Gräber ihrer Angehörigen besuchen. Dass es insgesamt mit der Friedhofskultur bergab geht, hat auch der Inhaber der Friedhofsgärtnerei in der Nähe des Waldfriedhofs, des mit 67 Hektar größten Friedhofs der Stadt, festgestellt. „Es gibt viele Gründe, warum Gräber nicht mehr gepflegt werden. Oft sind die nahen Angehörigen nicht mehr in der Lage, die Pflege zu leisten oder bereits verstorben.“ Er ergänzt: „Manch einer scheut sich vor der finanziellen Belastung, ein Grab in Pflege zu geben, dabei ist die Grabpflege nicht so teuer, wie man denkt.“
Auch interessant
Nienhaus rechnet vor: „Die Pflege eines einfachen Reihengrabes kostet aktuell 180 Euro im Jahr, dafür wird das Grab sauber gehalten. Mit einer dreimal im Jahr wechselnden Bepflanzung zahlt man insgesamt rund 280 Euro.“ Der Betrag hängt von der Größe des zu betreuenden Grabes ab, Sonderwünsche erhöhen den Preis. Im Pflegepreis ist auch das regelmäßige Wässern enthalten. „Die Preise können von Unternehmen zu Unternehmen differieren, man sollte sich da schon informieren“, rät der Friedhofsgärtner.
Dass verwilderte Gräber auch für die Gärtner ein zusätzliches Problem darstellen, hat er längst festgestellt: „Wir müssen immer wieder die von uns betreuten Gräber von Unkraut befreien, das von den vernachlässigten Gräbern übergreift und überall anzufinden ist. Das ist jede Menge Mehrarbeit.“ Eine Erfahrung, die auch grabpflegende Angehörige ständig machen.
>> ES GIBT VERSCHIEDENE GRABARTEN
- Angehörige können für ihre Verstorbenen zwischen unterschiedlichen Grabarten wählen. Je nach gewählter Grabart werden unterschiedliche Gebühren erhoben.
- Zur Wahl stehen auf den von den Wirtschaftsbetrieben betreuten Friedhöfen unter anderem Sarg- und Urnenreihengräber, Sarg- und Urnenwahlgräber, Sarg- und Urnenrasengräber, Urnengemeinschaftsgrabstätten, Aschestreufelder sowie anonyme Urnenreihen.
- Weitere Informationen bietet das Internetportal der Wirtschaftsbetriebe unter www.duisburg-friedhof.de