Duisburg. Beim DVG-Linien-Check wurden die wichtigsten Bahnen am schlechtesten bewertet. Das ist auch ein Zeugnis für verfehlte Politik. Ein Kommentar.
Niemand hat erwartet, dass Fahrgäste der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) deren Angebot auf den 15 stark genutzten Linien bei einer Umfrage als gut bewerten. Zumindest niemand, der ab und an mit der Straßen- oder Stadtbahn in Duisburg unterwegs ist. An dieser Stelle nur ein Beispiel, das auf Auswärtige wie ein Scherz wirken muss: Auf der Linie 901 gibt es zwischen Laar und Obermarxloh seit 2015 Schienenersatzverkehr, weil die DVG zu wenige funktionierende Straßenbahnen hat. Trotz der offensichtlichen Mangelverwaltung sind einige Ergebnisse des DVG-Linien-Checks niederschmetternd für das Verkehrsunternehmen der Stadt – vor allem die Fünfen für 901 und 903 (zu den Noten).
Diese massenhafte Bescheinigung „mangelhafter“ Leistung ist nicht nur Ausdruck gewaltiger Kundenunzufriedenheit, sondern auch ein miserables Zeugnis der Bürger für die Kommunalpolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Denn die miesen Noten sind Folge eines strukturellen Defizits im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Duisburg: Dieser ist in seiner jetzigen Form nicht zukunftsfähig.
ÖPNV in Duisburg: Für viele Vielfahrer „mangelhaft“ oder „unzureichend“
Eine absolute Mehrheit der DVG-Linien-Check-Teilnehmer bescheinigt auch in unserer Umfrage ein grundsätzliches Defizit. 4801 haben auf diese allgemein formulierte Frage geantwortet: „Wie bewerten Sie den ÖPNV in Duisburg insgesamt?“ Über die Hälfte vergab die Schulnote Fünf („mangelhaft“) oder gar eine Sechs („ungenügend“), ein weiteres Viertel nur eine „Vier“ (ausreichend) (siehe Grafik).
Sicher: Der DVG-Linien-Check ist keine repräsentative Meinungsforschung. Unsere willkürliche „Stichprobe“ aber enthielt fünfmal mehr Befragte als die meisten systematischen Stichproben bundesweit fragender Meinungsforschungsinstitute (1000). Der Check ist also eine Art Kundenbefragung, an der sich freiwillig 5500 Menschen beteiligt haben, die eine Meinung zur DVG haben. Wer zehn bis 15 Minuten in diese Form der Meinungsäußerung investiert, dem geht’s um die Sache.
51 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, Bus und Bahn „täglich oder fast täglich“ zu nutzen, weitere 24 Prozent sind mit der DVG nach eigenen Angaben „an mehreren Tagen pro Woche“ unterwegs. Die Schulnoten, mit der diese Vielfahrer insbesondere 903 und 901 bewerten, lassen nur diesen Schluss zu: Viele Stammkunden fühlen sich von der DVG dauerhaft ignoriert und miserabel behandelt. Sie würden den Anbieter wechseln, gäbe es eine Alternative. Manchmal haben sie eine: das Auto.
Nur drei Bahnen in Duisburg: Das Schienennetz ist zu klein
Viele Ergebnisse unserer Umfrage sind nicht nur bitter, weil möglichst viele Menschen doch jetzt endlich umsteigen sollen; wieder mal, aber diesmal wirklich – in der Energiepreiskrise, in der Bund und Länder Anreize wie 9- und 49-Euro-Ticket bieten.
Viele Ergebnisse sind aber noch deprimierender, weil die Fahrgäste am schlechtesten die Linien bewerten, die zum Rückgrat des ÖPNV in Duisburg zählen sollen: zwei Straßenbahn-Linien. Nur die U 79, die etwas besser wegkommt, hat noch mehr Fahrgäste als 903 und 901. Das grundlegende Problem ist: Duisburg hat nur diese drei spurgebundenen Verkehrsmittel.
Ein solches Netz ist für eine Großstadt mit knapp 500.000 Einwohnern zu klein. Die Bahnen müssen überfüllt und anfällig sein. Wenn die Fahrzeuge obendrein so alt und marode sind wie hier, sind Ausfälle und Verspätungen die Regel.
Aber auch wenn das selbstverschuldete Dauerärgernis in den kommenden Jahren gelöst wird – irgendwann muss Hersteller Alstom die 49 bestellten Bahnen ja liefern –, bleibt das Netz zu dünn. Damit ist das zur auto- und logistikgerechten Stadt umgebaute Duisburg nicht zukunftsfähig. Die Stadt und ihr Verkehrsbetrieb können einige Aufgaben nicht ordentlich erfüllen, die sie zur Daseinsvorsorge für all ihre Bürger erledigen müsste.
Rheinquerung per Schiene
Es bleibt nur zu hoffen, dass durch das Ringen um Klimaneutralität Pläne Fahrt aufnehmen, die Kommunalpolitik und Stadtkonzern im armen Duisburg nicht mehr ernsthaft verfolgt haben: die Rheinquerung per Schiene etwa. Im linksrheinischen Duisburg fährt ja keine Straßenbahn.
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Ein Vergleich zwischen Duisburg, das mit dem Strukturwandel kämpft(e), und Düsseldorf, das auch als Landeshauptstadt profitierte, mag hinken. Er verdeutlicht jedoch, wie krass Duisburg seit den Siebzigern abgehängt wurde: Die DVG betreibt ein etwa 53 Kilometer langes Schienennetz für zwei Straßenbahnen und eine Stadtbahn. Für die Rheinbahn verkehren elf Stadtbahn-Linien auf 125 Kilometern (sieben dieser Linien befahren U-Bahn-Tunnel). Die Streckenlänge von zusätzlichen sieben Straßenbahn-Linien in Düsseldorf: knapp 57 Kilometer.
Und auch im Ruhrgebietsvergleich fährt die DVG aus Sicht der Kundschaft hinterher. Beim Stadtteil-Check unserer Zeitung bewerteten 2020 die 10.535 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Duisburg die Anbindung ihrer Viertel an den ÖPNV eine ganze Schulnote schlechter als Essener und Bochumer. Trotzdem stand damals, bei anderer Fragestellung, unterm Strich noch der Notendurchschnitt „befriedigend“.
Deutlich verbessern können den ÖPNV in Duisburg nur ein radikales Umdenken und hohe Investitionen ins Schienennetz. Das macht leider pessimistisch. Und als Hoffnungsträger bleibt, ausgerechnet, die Deutsche Bahn: Ohne die Reaktivierung der Walsumbahn etwa blieben weite Teil des Duisburger Nordens vom Nahverkehr abgeschnitten.