Duisburg. Nach einem Vierteljahrhundert gibt Dr. Peter Seiffert den Chefposten in der Kinderklinik St. Johannes in Duisburg-Hamborn ab. Das ist der Neue.

Staffelübergabe im Helios St. Johannes-Krankenhaus in Duisburg: Dr. Benjamin Berlemann wird der neue Chefarzt der Kinderklinik und nimmt den Schwung des bisherigen Amtsinhabers mit. Dr. Peter Seiffert hat das Haus 26 Jahre lang geprägt und wird dem Team noch eine Weile erhalten bleiben.

„In Teilzeit“, wie der Fast-Rentner betont. Ab dem 1. April will sich Seiffert „nur noch“ um die kardiologische und pneumologische Ambulanz kümmern, Patienten behandeln, Weiterbildung betreiben. Bis dahin muss allerdings sein Büro frei sein für den Nachfolger. Das ist noch deckenhoch voll mit geballter Lebenszeit: Mit Fachliteratur und Akten, Dokumenten sonder Zahl, Stofftieren und einem dicken Bündel Karnevalsorden. Die Kinderkarnevalspaare kommen traditionell zu Besuch, manch eines sah er auch außerhalb der Session als Patient.

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„Ein paar Nächte hab ich ja noch“, schmunzelt der 65-Jährige. Dabei wird ihm wie immer ein schon ausgeblichenes Bild aus alten Uniklinik-Zeiten motivieren: Es zeigt Seiffert mit selbst gebasteltem Wikinger-Helm und Fellweste in angriffslustiger Position.

Chefarzt-Wechsel in Duisburg: Vertrauensvolles Miteinander zwischen altem und neuem Chef

Seiffert macht sich nichts vor, der Wechsel wird kein leichter, emotional nicht, aber auch organisatorisch: „Der Chef ist die letzte Instanz, diese Rolle hat jetzt er, da muss ich umlernen.“ Berlemann wirkt entspannt, die zwei arbeiten seit über zwölf Jahren miteinander, kennen sich gut, siezen sich respektvoll. „Dass er sich gegen die anderen Bewerber durchgesetzt hat, spricht für seine Qualität“, findet Seiffert und Berlemann betont, „froh zu sein, dass er bleibt und ich ihn noch eine Weile fragen kann“.

Beide mögen die Menschen im Ruhrgebiet, ihre Offenheit, so gehen sie auch miteinander um. Seiffert habe ihn schon zuvor machen lassen, betont der 45-Jährige. Er konnte die Diabetologie und Endokrinologie so aufbauen, wie er es für richtig hielt.

Berlemann hat ausgerechnet, dass sein Vorgänger über 86.500 Kinder behandelt hat. Da staunt auch Seiffert, ist gerührt: „86.500 mal ein Mensch.“ Hinzu kommt ein Vierfaches in den verschiedenen Ambulanzen. „Es ist nicht nur ein Job“, findet der scheidende Kinderarzt, es sei eine Lebenseinstellung. 13 Minuten braucht er in Notfällen von seinem Bett in Baerl bis in den OP in Hamborn. Berlemann wird von Mülheim aus zwei Minuten länger brauchen, ihm merkt man die gleiche Haltung im Gespräch sofort an. 24/7 hilfsbereit, aber auch dankbar dafür, dass manche Hilfe heutzutage per Whatsapp funktioniert und man nicht immer „mit dem Blaulicht auf dem Kopf in die Klinik rasen muss“.

Fortbildung in der Palliativmedizin

Zur traurigen Wahrheit gehört, dass nicht jeder Kampf gewonnen werden kann. Man müsse dann auch als Arzt seine Ziele ändern, sich auf Schmerzfreiheit fokussieren und die Familien, die bald Hinterbliebene sein werden, mit im Blick haben, sagt Seiffert. Berlemann hat eine Palliativweiterbildung absolviert, weil die Klinik die Bedeutung erkannt hat.

Obwohl der neue Chefarzt die Digitalisierung der Klinik vorantreiben wird, ist auch er überzeugt, dass die wahre Kunst eines Kinderarztes nicht in den neuesten Geräten oder Zertifikaten besteht, sondern darin, einen Draht zu den Patienten zu finden, ihre Eltern mit ins Boot zu holen. Ein Videogespräch könne die echte Begegnung mit einem Kind nicht ersetzen, sagt Berlemann.

Immer auf Augenhöhe: Dr. Peter Seiffert, Chefarzt der Kinderklinik hört Nele ab. (Archivbild)
Immer auf Augenhöhe: Dr. Peter Seiffert, Chefarzt der Kinderklinik hört Nele ab. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Dafür braucht es Empathie und Zugewandtheit, betont Seiffert. Zu unterschiedlich seien die Bedürfnisse von Frühgeborenen und Schulkindern, Teenagern und jungen Erwachsenen. Herausfordernd sei es auch, das Team zu leiten, „den Flohzirkus“, wie der scheidende Chef seine Mitarbeiter liebevoll nennt: Über 100 Kinder-Krankenschwestern, über 30 Ärztinnen und Ärzte und oben drauf noch zig Fachkräfte von der Psychologin bis zur Raumpflege werden zum Teil erstmals in ihrem Berufsleben einen anderen Chef haben.

Fragt man Seiffert nach seinen schönsten Momenten, dann sind es die immer wiederkehrenden mit seinem Team, die absolute Verlässlichkeit. 46 Krankenschwestern sind seit über einem Vierteljahrhundert an seiner Seite. Wohl auch deshalb der Abschied auf Raten.

Seiffert freut sich darauf, mehr Zeit für sein Hobby zu haben: Der passionierte Segelflieger und Fluglehrer möchte künftig ausprobieren, „wie die Luft an Wochentagen schmeckt“.

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>>DER ALTE UND DER NEUE CHEFARZT

  • Dr. Peter Seiffert wurde in Sylt geboren. Nach dem Medizinstudium arbeitete er 13 Jahre an der Uni-Klinik in Kiel mit Aufenthalten in London und Freiburg, kam dann nach Koblenz und schließlich 1997 nach Hamborn. Er ist Neonatologe, Kinderkardiologe und -pneumologe
  • Die Kinderklinik wuchs während seiner Zeit um viele Disziplinen: Es entstanden die Kinder-Diabetologie, -Gastroenterologie, -Nephrologie, -Urologie, -Chirurgie, -Neurologie und -Anästhesie. Die Ambulanzen bieten für chronisch kranke Kinder Schulungen an, etwa für Asthma-Patienten. In Hamborn wurde 2000 die erste Babyklappe in NRW eröffnet, es war bundesweit die zweite nach Hamburg, berichtet Seiffert.
  • Als Mitglied im Vorstand von Riskid engagiert er sich aktiv im Kinderschutz.
  • Dr. Benjamin Berlemann ist in Düsseldorf geboren, studierte an der Uni Duisburg-Essen, machte seinen Facharzt in Oberhausen. Im Bereich der Kindermedizin ist die Diabetologie und Endokrinologie sein Schwerpunkt, außerdem die Palliativmedizin
  • Beide sind verheiratet und haben je zwei Kinder.