Duisburg. Im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern bekommt der Duisburger Verein Riskid prominente Hilfe. Plattform soll deutschlandweit genutzt werden.

Durch den Duisburger Verein Riskid können Kinder, die missbraucht, misshandelt oder vernachlässigt werden, zumindest in NRW inzwischen früher entdeckt werden. Damit das auch deutschlandweit möglich wird, gibt es nun prominente Unterstützung.

Rudi Cerne ist preisgekrönter Eisläufer und bekannter Moderator von Sportveranstaltungen sowie der Dauer-Ermittlungsserie Aktenzeichen XY ungelöst. Ihm wurde beim fünften Fachtag Kinderschutz von Riskid der Gerd-Unterberg-Preis für seine Verdienste als ehrenamtlicher Botschafter der Aktion Mensch und für seinen Kampf für den sicheren Umgang von Kindern im Netz verliehen. Vor allem hat er schon bei vielen Fällen von Kindesmisshandlung vor der Kamera geholfen, sie aufzulösen. Nicht zuletzt Fälle des Duisburger Ermittlers Ingo Thiel.

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Rudi Cerne: Fälle von Gewalt an Kindern gehen mir besonders nahe

„Und wenn Ingo Thiel ruft, dann komme ich“, sagt Cerne. Thiel ist im Vorstand von Riskid, bekannt wurde der Kriminalhauptkommissar unter anderem durch Cernes Fernsehsendung, mit der sein aufsehenerregendster Fall gelöst wurde: Damals verschwand in Grefrath der zehnjährige Mirco. Die Suche nach dem Kind wie dem Täter wurde deutschlandweit verfolgt. Am Ende spürte die Sonderkommission die Leiche des Jungen auf, der Täter bekam eine lebenslange Haftstrafe.

„Kinder können sich nicht wehren, solche Fälle gehen mir immer besonders nah“, sagt Cerne am Mittwoch in Hamborn, „sie lassen mich ratlos zurück“. Die Männer sind sofort im Thema, tauschen aktuelle Fälle aus, in Essen, Cuxhafen, Sachsen.

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Zwei Babys, an die Thiel sich besonders eindringlich erinnert, heißen Leo und Ben, sie starben schon in ihren ersten Lebenstagen durch die Gewalt, die ihnen von Lebensgefährten der Mütter angetan wurde. „Aktive Strafverfolgung ist auch Prävention“, betont der Ermittler.

Kinderschutzgesetz in NRW nach Riskid-Initiative verändert

Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki betreibt eine Praxis in Duisburg-Hamborn. Viel Engagement und Zeit investiert er in den Verein Riskid, der hilft, Kinder besser vor Gewalt und Misshandlung zu schützen.
Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki betreibt eine Praxis in Duisburg-Hamborn. Viel Engagement und Zeit investiert er in den Verein Riskid, der hilft, Kinder besser vor Gewalt und Misshandlung zu schützen. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Er steht in Duisburg Seite an Seite mit Dr. Ralf Kownatzki und Dr. Peter Seiffert, die in Duisburg Riskid verantworten und Kinder vor so frühem Tod bewahren wollen. Dem Verein gehören alle Kinder- und Jugendärzte der Stadt an, von hier aus konnte eine Veränderung des Kinderschutzgesetzes in NRW 2022 angestoßen werden. Denn eine frühzeitige Aufdeckung wird in den meisten Bundesländern durch den Datenschutz erschwert.

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Eine digitale Kommunikationsplattform hilft, Misshandler, die zur Vertuschung ihrer Taten mit verletzten Kindern Doctor-Hopping betreiben, aufzuspüren. Ärzte können bei Verdachtsfällen auf der riskideigenen Plattform nachsehen, ob ihr kleiner Patient schon von anderen Kolleginnen oder Kollegen behandelt wurde. Wenn dem so ist, hilft ein Anruf, um besser einschätzen zu können, ob die vielen blauen Flecke Folge von Gewalt sind – oder auch von einer Blutgerinnungsstörung.

„Schweigepflichtsentbindung vom Täter, das ist doch Quatsch“

Seit die Schweigepflicht der Ärzte in NRW gelockert wurde, ist die Plattform aus dem Projektstatus heraus, inzwischen ist auch Rheinland-Pfalz nachgezogen, erzählt Kownatzki. Er hofft auf mehr Tempo, „sonst brauchen wir noch sieben Jahre, bis es deutschlandweit gilt“.

In den anderen Bundesländern darf sich ein Arzt erst dann mit einem anderen Arzt über einen Patienten austauschen, wenn dieser – oder der Erziehungsberechtigte – sein Einverständnis gibt. „Eine Schweigepflichtsentbindung vom Täter, das ist doch Quatsch“, sagt Thiel deutlich. Er ist froh, dass das in NRW ausgehebelt ist. Statistisch sterben jede Woche zwei bis drei Kinder an den Folgen von Missbrauch, ergänzt Kownatzki, Eile ist also geboten.

Interdisziplinäre Kinderschutzgruppe schaut gemeinsam bei Verdachtsfällen hin

In Duisburg gibt es eine besondere Initiative für Verdachtsfälle: In der Kinderschutzgruppe am Helios Klinikum schauen Kinderärzte und Psychologen, der Allgemeine Soziale Dienst und Pflegekräfte gemeinsam auf Kinder, die Opfer von Gewalt wurden, die Spuren von Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch tragen. „Wir beraten die Fälle im Team, können belastende Situationen für die Behandler auffangen und entscheiden, was das Beste für das Kind ist“, erklärt Seiffert.

Die Gruppe wurde in den letzten Jahren immer stärker nachgefragt: Waren es 2020 noch 115 Fälle, so wurden im letzten Jahr in Hamborn 219 Kinder begutachtet. In den letzten Jahren hat er beobachtet, dass der „Großteil der schlimmen Fälle in der Medizin auftaucht, wir sind die Rund-um-die-Uhr-Rettungsinsel“.

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>>DER VEREIN RISKID

  • Riskid steht für RisikoKinderInformationssystemDeutschland. Der Kinderarzt Dr. Ralf Kownatzki und der inzwischen verstorbene Kriminalkommissar Heinz Sprenger gründeten den Verein 2005, nachdem es in Duisburg in einem Jahr auffällig viele Fälle von Kindesmisshandlung gab.
  • Zur fünften Fachtagung haben sich 265 Fachleute aus Jugendamt und Polizei, Medizin und Psychologie angemeldet, um am Helios-St. Johannes-Krankenhaus in den Austausch zu gehen.