Duisburg. Die Staatsanwaltschaft Duisburg durchsuchte die Waldorfschule und Privaträume, ermittelt gegen zwei Vorstände. Die Vorwürfe wiegen schwer.
Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt gegen zwei Vorstandsmitglieder der Ganztags-Waldorfschule in Duisburg. Bereits im Sommer wurden bei mehreren Durchsuchungen Unterlagen und Datenträger in „erheblichem Umfang“ sichergestellt worden, sagt Staatsanwältin Melanie Anderhub. Die Auswertung dauere weiterhin an.
Anlass ist eine Strafanzeige aus dem Umfeld der Schule. Mehrere Eltern berichten, dass es Kritik an der Kontenführung gibt: Erhebliche Summen sollen privat abgezweigt, teilweise in den Sommerferien an Urlaubsorten abgehoben worden sein. Aber auch sonst scheint es nicht rund zu laufen an der Waldorfschule.
Die private Ersatzschule an der Heinrich-Bierwes-Straße in Hüttenheim wird von einem Förder- und einem Trägerverein verantwortet, die Geschäftsführerin Christine Kramer ist im Vorstand des Fördervereins, ihr Sohn Benjamin im Vorstand des Trägervereins. Sie sollen die vorgeschriebene Kassenprüfung verhindert haben, weshalb die Vorstände bis heute nicht entlastet wurden.
Waldorfschule Duisburg: Zwischen Anhängern der Geschäftsführung und anderen Eltern geht es wüst her
Zudem sollen nicht alle Lehrer die nötigen Qualifikationen mitbringen, von Vetternwirtschaft ist die Rede. Es hagelt Beschimpfungen zwischen jenen, die die Geschäftsführung stützen und jenen, die Aufklärung fordern. Auch bei den Google-Bewertungen gibt es keine Graustufen: „Beste Schule ever“ oder „Schlimmer geht es nicht“.
Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen in NRW hat bereits 2021 bei dem Versuch einer Schlichtung umfangreich dokumentiert, was an der Schule aus ihrer Sicht schief läuft. 2022 folgte ein Prozess vor dem Landgericht Stuttgart, der mit einem Kompromiss endete (zum Bericht).
Bezirksregierung prüft, ob Genehmigungsvoraussetzung für Schule noch vorliegt
Auch die Bezirksregierung Düsseldorf ist an der Schule aktiv. So sei man aktuell unter anderem in Kontakt, um Fragen zur Lehrkräfteausstattung zu prüfen. Der Schulträger habe Stellung genommen und erst kürzlich weitere Unterlagen nachgereicht. „Diese Sachverhalte sind detaillierter zu klären“, sagt eine Sprecherin der Bezirksregierung.
Grundsätzlich prüfe die Behörde zudem regelmäßig an allen Ersatzschulen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen für die Schulen weiterhin vorliegen. Die Sprecherin erklärt, dass nach Paragraf 101 des Schulgesetzes dem Schulträger die Gelegenheit gegeben werden muss, Mängel abzustellen, bevor eine Genehmigung aufgehoben wird. In der Vergangenheit habe es im Regierungsbezirk Düsseldorf bisher einmal den Fall gegeben, dass die Genehmigung einer Ersatzschule trotz Frist zur Verbesserung aufgehoben werden musste.
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Aus dem Kreis des Fördervereins erging eine Strafanzeige gegen die Geschäftsführerin der Schule wegen „fragwürdigen Barabhebungen, Karten- und Mietzahlungen in Höhe von 50.000 Euro“, heißt es in einem Brief des Vereins, der der Redaktion vorliegt.
Geschäftsführerin Christine Kramer war zugleich Vorstandsmitglied des Fördervereins und hatte demnach Zugriff auf die Konten. Sie erklärt auf Nachfrage, dass Einblicke in Konten „zu keinem Zeitpunkt verwehrt“ worden seien.
Dass der Vorstand nicht entlastet wurde, liege „an persönlichen Querelen zwischen dem amtierenden Vorstand und einer ehemaligen Lehrkraft und ehemaligem Vorstandsmitglied, welche Unwahrheiten und Gerüchte über den derzeitigen Vorstand verbreitete, die derzeit ausgeräumt werden“.
Barabhebungen und Ausgaben ohne Rechnung begründet Kramer damit, dass „Dinge wie Spielzeuge, Bücher oder Kinder-Wechselkleidung für die Schule auf Trödelmärkten oder von privat über das Internet angeschafft“ werden, was zu einem „erheblichen Sparpotenzial“ führe. „Fakt ist in jedem Fall, dass sich kein Vorstandsmitglied an den Geldern des Trägervereins oder des Fördervereins bereichert hat“, schreibt Kramer.
Verträge mit „kritischen Eltern“ fristlos gekündigt
Zwei Elternpaare berichteten im Gespräch mit der Redaktion, dass ihnen fristlos gekündigt worden sei und weitere Familien betroffen seien. Mehrere Nachfragen bei dem zuständigen Essener Rechtsanwalt blieben allerdings ergebnislos.
Kramer bestätigt auf Anfrage, dass einem Elternpaar fristlos gekündigt wurde, „nachdem es Lehrkräfte belästigt und persönlich beleidigt hat“. Sie habe die Schule mitsamt ihrer 181 Schüler schützen wollen.
Fast zeitgleich mit dem Schreiben von Kramer erreichte auch ein vierseitiges Schreiben per E-Mail die Redaktion, unterzeichnet mit „Die Eltern der Ganztags-Waldorfschule Duisburg e.V.“. Eine Unterschriftenliste mit rund 40 Namen ist hinzugefügt, auf der überwiegend „i.V.“ unterzeichnet wurde, in Vertretung.
In dem Brief werden detailliert angebliche Intrigen, Vorwürfe und Verschwörungen diverser Lehrer, Eltern und der Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen beschrieben.
Arbeit an Schule geprägt von „Respekt, Achtung, Toleranz und Verständnis“
In dem Schreiben wird betont, dass Eltern und Kinder „sehr glücklich“ an dieser Schule seien, die „hervorragende Arbeit“ sei von „Respekt, Achtung, Toleranz und Verständnis geprägt“. Einen Absatz weiter wird dann ein Vater namentlich nebst Arbeitgeber genannt und mit drastischen Worten beschrieben. Eine Strafanzeige habe man gegen diesen „fehlgeleiteten Menschen“ erstattet. Auch andere Eltern aus den Reihen der „Kritiker“ hätten sich daneben benommen.
Die Bezirksregierung habe die Schulunterlagen „eingehend geprüft und für ordentlich befunden“, heißt es in dem Text. Die Prüfer hätten „vor Ort mit der Schulleitung“ gesprochen und eine „nicht zu beanstandende Arbeit“ attestiert.
Dazu erklärt eine Sprecherin der Bezirksregierung, dass „ähnliche Aussagen“ bereits aus einem Elternbrief von Dezember 2021 bekannt seien. Bei der jährlichen Prüfung gehe es aber lediglich um die Verrechnung der monatlichen Abschlagszahlungen mit der tatsächlichen Höhe der ordnungsgemäßen Zuschüsse. „Eine Bewertung der geleisteten Arbeit der Geschäftsführung nimmt die Bezirksregierung bei solchen Prüfungen hingegen nicht vor“, betont die Sprecherin. Unabhängig davon wird derzeit die Lehrkräfteausstattung geprüft.
„Nicht an der Schule bereichert“
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In dem Brief „der Eltern“ heißt es zudem, Frau Kramer kümmere sich „unermüdlich und hingebungsvoll“ um die Schule. „Eine Handvoll Leute mit eigenen Partialinteressen“, „boshafte intrigante Menschen“ würden der Schule hingegen schaden. Ein Steuerberatungsunternehmen habe „explizit festgestellt, dass Frau Kramer sich weder an der Schule bereichert noch ihrem Sohn, sich selbst oder jemand anderem etwas finanziert hat“.
Dazu muss man wissen, dass der Sohn ebenfalls an der Schule beschäftigt ist und im Vorstand des Trägervereins mitwirkt. Informanten kritisieren, dass Benjamin Kramer in einer von der Schule bezahlten Wohnung gelebt habe. Hierzu betont Christine Kramer, dass die Wohnung leer stand und ihr Sohn darin temporär wohnen durfte, dafür aber gezahlt habe.
Das bestätigt auf Nachfrage auch Benjamin Kramer. Die Wohnung habe im Übrigen auf dem schwierigen Lehrkräftemarkt dabei helfen sollen, Assistenzlehrer für den temporären Unterricht zu gewinnen. Inzwischen sei das Mietverhältnis aufgehoben.
Kritik an der Qualifikation der Geschäftsführerin
Der Elternrat der Schule beantragte Ende 2021 einen Interimsvorstand. Die Mitglieder sorgten sich, dass die Schule den Titel Waldorfschule aberkannt bekommen könnte, weil sich der amtierende Vorstand nicht um die Vorwürfe kümmere. In einem Brief beklagt der Rat mangelnde Kooperationsbereitschaft des Fördervereins, nicht nachvollziehbare Kündigungen von Schulverträgen und die öffentliche Bloßstellung von Personen des Lehrkörpers und der Elternschaft.
2023 kann man zumindest feststellen, dass das öffentliche Bloßstellen weiterhin ein Problemfeld für die Schule ist.